Erste Veröffentlichung von Ludwig Kalischs Lustpiel „Die Wage der Gerechtigkeit“ aus dem Jahr 1846

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Ludwig Kalisch (1814-1882), geboren im damals preußischen Lissa, heute polnischen Leszno, jüdischer Herkunft, gilt als Mitinitiator des „politischen Karnevals“ in Mainz, wo er die Zeitschrift Narrhalla redigierte und herausgab. Er war ein kämpferischer Demokrat und Wortführer der Revolution von 1848. Der Vollstreckung des gegen ihn ergangenen Todesurteiles entzog er sich durch die Flucht nach Paris. Über seine Gespräche mit dem todkranken Heinrich Heine hat er in der Gartenlaube berichtet. Seine Wage der Gerechtigkeit (so Kalischs Schreibweise), ein „Lustspiel in fünf Akten“ von 1846, ist ein Fundstück von Marcin Błaszkowski, das er ins Polnische übersetzt hat. Das Typoskript befindet sich in der Mainzer Stadtbibliothek und ist jetzt, herausgegeben von Stefan Neuhaus, Professor an der Universität Koblenz, zum ersten Mal veröffentlicht worden – in dem von Wulf Segebrecht (Universität Bamberg) gegründeten „Verlag der Fußnoten“.

Nach Art einer Krähwinkeliade spielt das Stück in einem kleinen deutschen Städtchen. Man bereitet sich – ähnlich wie in Büchners Leonce und Lena – auf den Besuch des Landesfürsten vor. Der Poet des Ortes hat ein allegorisches Festspiel vorbereitet, in dem die Göttin der Gerechtigkeit mit ihrem Attribut der Waage auftreten soll, die man kurzerhand dem Standbild der Justitia auf dem Dach des Stadthauses entnimmt. Das führt zu allerlei lustspieltypischen Verdächtigungen und Verwicklungen, satirischen Attacken und selbstironischen Bemerkungen („Halt’s Maul, junges Deutschland“). Die bürgerlichen Untugenden des Neids, der Eitelkeit, der Speichelleckerei und des Karrieredenkens beherrschen die Szene, und solange das so ist, kann eine demokratisch fundierte Gerechtigkeit nicht gelingen; man muss schon froh sein, wenn der Landesfürst wenigstens halbwegs aufgeklärt regiert.

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Titelbild

Ludwig Kalisch: Die Wage der Gerechtigkeit. Lustspiel in fünf Akten (Fußnoten zur Literatur, Heft 61).
Herausgegeben von Stefan Neuhaus.
Verlag der Fußnoten, Bamberg 2023.
78 Seiten, 10,00 EUR.
ISBN-13: 9783935167154

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