Geldmangel, Eheprobleme und andere Nöte

Jeffrey Eugenidesʼ Kurzgeschichten in „Das große Experiment“ berichten von Menschen, die ihre Probleme selbst in die Hand nehmen – und dabei meist wenig erfolgreich sind

Von Monika GroscheRSS-Newsfeed neuer Artikel von Monika Grosche

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Dank seiner Romane Die Selbstmord-Schwestern, Middlesex und Die Liebeshandlung ist Jeffrey Eugenides auch in Deutschland eine wohlbekannte Größe im Literaturbetrieb, auch wenn seit 2011 kein weiterer Roman von ihm erschienen ist. Nun liegt mit Das große Experiment (im Original Fresh Complaint) ein Band mit allen Erzählungen vor, die Eugenides bisher zu Papier gebracht hat. Das Spektrum umfasst sowohl seine erste Geschichte, die er als Student geschrieben hat, als auch bisher unveröffentlicht gebliebene andere Arbeiten aus den rund 30 Jahren seines literarischen Schaffens. Auf Deutsch lagen bis jetzt lediglich drei der zehn versammelten Stories vor, sodass man sich auch als eingefleischter Eugenides-Leser immerhin auf sieben neue Texte freuen kann.

Die meisten der Erzählungen drehen sich um für ihn typische Themen: Identitätskrisen, Einsamkeit, Geldnöte, geplatzte Träume oder auch Angst vor drohendem Unheil treiben die Protagonisten um – und, soviel sei bereits verraten, bei Weitem nicht jedem von ihnen gelingt es, aus der Misere herauszufinden oder das Unglück abzuwenden.

Erzählt wird das Ganze in einem trockenen, zurückhaltenden Tonfall mit einer leicht humorigen Note. Undramatisch, geradezu beiläufig erfahren wir von den seelischen Nöten und Problemen der Figuren, die den eigenen im „echten Leben“ durchaus recht ähnlich sind. Allerdings unterscheiden sich die Wege, die einige der Protagonisten beschreiten, um sie zu lösen, dann doch ganz gewaltig von dem, was man landläufig erwarten würde. So etwa der junge amerikanische Student, der auf seinem Asientrip eine schlimme Ruhr-Erkrankung mit wochenlangem Fasten bekämpft; ein Lektor, der von seinem mickrigen Gehalt nicht einmal ordentlich heizen kann und daher seinen Chef um jede Menge Geld erleichtert; die 40-Jährige, die ihre biologische Uhr ticken hört und per Bratenspritze auf einer Befruchtungsparty für Abhilfe sorgt oder die demente 88-Jährige, die dank ihrer besten Freundin einfach aus dem Altenheim abhaut.

Wie dies im Einzelnen aussieht und wer dabei erfolgreich ist, sei hier natürlich nicht verraten. Ebenso sollte sich jeder bei der Lektüre selbst ein Bild davon machen, welche Geschichte zu seinen Favoriten zählt und welche er lieber im Schnelldurchlauf liest. Denn während einige der Stories an die Virtuosität von Eugenidesʼ Romanen anknüpfen und ihn auch als Meister der kurzen Erzählform ausweisen, sind andere doch eher zu plakativ und vorhersehbar geraten, was gar nicht zu dem genauen Beobachter und Menschenkenner passen will, als der sich der Autor sonst ausweist.

Dennoch, egal ob er sich Liebhabern barocker Musikinstrumente, enttäuschten Söhnen oder gescheiterten Ehemännern annimmt: Insgesamt betrachtet präsentiert sich Eugenides trotz einiger kleiner Schwächen auch hier wieder als großer Stilist, der es ebenso vermag, dichtgedrängte Romane im Miniformat zu präsentieren wie karge Geschichten, an deren Ende der Leser noch lange darüber nachsinnt, wie es wohl weitergegangen sein könnte. Und wer weiß, vielleicht entwickelt sich aus der einen oder anderen Story auch noch ein Roman aus seiner Hand.

Titelbild

Jeffrey Eugenides: Das große Experiment. Erzählungen.
Übersetzt aus dem Englischen von Gregor Hens und anderen.
Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 2018.
334 Seiten, 22,00 EUR.
ISBN-13: 9783498016753

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