Fiese Verrisse gegen den Schund

Der Kritiker Denis Scheck über sein Verhältnis zur Kriminalliteratur

Von der Übung Schreib- und LektoratswerkstattRSS-Newsfeed neuer Artikel von  der Übung Schreib- und Lektoratswerkstatt

Nie um ein euphorisches Lob oder einen klaren Verriss verlegen – so kennen und schätzen Literaturinteressierte Denis Scheck. Es ist uns gelungen, Deutschlands prominentestem Literaturkritiker sechs Fragen zur Kriminalliteratur zu stellen. Die Antworten präsentiert Scheck in bester druckfrisch-Manier – der ARD-Sendung, die er seit 2003 monatlich präsentiert und in der er regelmäßig auch über Kriminalliteratur urteilt, die ihren Weg auf die Spiegel-Bestsellerliste gefunden hat.

Schreib- und Lektoratswerkstatt: Was ist Ihr Lieblingskrimi?

Denis Scheck: Murders Must Advertise von Dorothy Sayers

SL: Gibt es aus Ihrer Sicht Kriterien für einen guten Krimi? Gibt es womöglich sogar den perfekten Kriminalroman?

DS: Ich treffe zwischen Krimi und Literatur keine Unterscheidung: Letztlich ist von Homers Odyssee über William Shakespeares Hamlet und Theodor Fontanes Unterm Birnbaum alles Krimi. Doch Vorsicht: Ich räume dem Krimi als Kritiker daher auch keinerlei Rabatt ein.

SL: Wie sehen Sie – als bekannter Kritiker, der Einfluss auf dieses Verhältnis nehmen kann – das Verhältnis von Kriminalliteratur und Literaturkritik?

DS: Mein Einfluss hat die Wucht einer aus fünf Metern Höhe abgeworfenen Schwarzwälderkirschtorte. Ich versuche, durch meine fiesen Verrisse von Sebastian Fitzek und Co und meine Lobeshymnen auf Wolf Haas und Heinrich Steinfest dem Schund zu schaden und dem Schönen, Guten, Wahren zum Durchbruch zu verhelfen.

SL: Wer fasziniert Sie mehr: Täter, Opfer oder Ermittler?

DS: Opfer faszinieren leider selten, anders etwa als Lord Peter Whimsey oder Mario Conde.

SL: Funktioniert der klassische Detektivroman auch noch im 21. Jahrhundert?

DS: Huch, hat der denn noch im 20. Jahrhundert funktioniert? Auch hier gilt die Devise: „Evolve or die.“

SL: Ist ein Krimi Unterhaltung oder Ort der Ethik?

DS: Beides.

Das Interview wurde von Jeannie Lukaszewicz und Manuel Bauer per E-Mail geführt, nach gemeinsamer Vorbereitung in der im Wintersemester 2018/19 am Institut für Neuere deutsche Literatur der Universität Marburg durchgeführten Übung „Schreib-und Lektoratswerkstatt“. In der praxisorientierten Übung, die Bestandteil der Master-Studiengänge „Literaturvermittlung in den Medien“ und „Deutsche Literatur“ ist, erhielten die Studierenden Einblicke in die Arbeitsabläufe der Redaktion von literaturkritik.de. Sie haben unterschiedliche kulturjournalistische Texte eingeworben (zum Teil auch selbst geschrieben), in Redaktionssitzungen gemeinsam diskutiert, redigiert und zu diesem Schwerpunkt zusammengestellt.