Lauter Lobreden

Peter Handke über Bücher, Bilder und Filme – neu aufgelegt

Von Stefan HöppnerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Stefan Höppner

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Kann man über Peter Handke sprechen, ohne sich schon wieder an den Debatten um seine politische Haltung zu beteiligen, die auch hier in literaturkritik.de geführt werden, zuletzt von Lothar Struck? Zumal, wenn es um Texte geht, die weder Handkes Position zu den Jugoslawienkriegen noch sein Verhalten gegenüber kritischen Journalisten zum Thema haben? Diese Rezension will es versuchen.

Anlass ist ein Bändchen mit dem Titel Mündliches und Schriftliches, das Aufsätze Handkes aus den Jahren 1992 bis 2002 versammelt. Der Titel ist ebenso unaufdringlich und beliebig wie der Zeitpunkt der Veröffentlichung. Die Neunziger Jahre sind momentan eine halbversunkene Zeit. Sie sind nicht mehr unmittelbare Gegenwart, andererseits noch nicht recht nostalgiefähig wie die ewig recycelten Achtziger. Warum also gerade jetzt ein Buch neu auflegen, das vor fast zwanzig Jahren schon einmal erschien, und sich damals „zu Büchern, Bildern und Filmen“ äußerte? Man könnte das abtun als Teil einer Routine, die man nach Nobelpreisverleihungen praktiziert, wenn Verlage das Gesamtrepertoire der Preisträger recycelt auf den Markt werfen. Mündliches und Schriftliches ist kein Meilenstein in Handkes regalfüllendem Oeuvre. Es zu übersehen wäre trotzdem ein Verlust. 

Es sind ausschließlich kurze bis mittellange Lobgesänge, die hier versammelt sind. Zum Teil sind sie geschrieben für Blätter wie die ZEIT, die taz oder die Neue Zürcher Zeitung. Der andere, ‚mündliche‘ Teil sind Reden zu Preisverleihungen, möglichst frei gehalten. Sie haben, wie Handke im Vorwort schreibt, „als schriftliche Grundlage jeweils nur die und jene Skizze, oder Notiz, und sie sind nicht allein durch das Reden entstanden, sondern vielleicht stärker noch, im Sichumschauen und -umhören, im Abschweifen, vor und während des Redens. Die Schriftarbeit begann dann erst im Sichten der Tonband-‚Abschriften‘“. Handke beschäftigt sich hier ausschließlich mit Kunstwerken und ihren Kritikern, mit der Literatur, noch etwas mehr mit der bildenden Kunst oder dem Film.

Es sind meist Wahlverwandte, über die sich Handke äußert. Einige sind naheliegend, wie Handkes Übersetzer Georges-Arthur Goldschmidt und Ralph Manheim, dem er einen Nachruf hinterherschickt. Oder der „Selbstmaßregler“ Karl Philipp Moritz, in dessen autobiographischem Anton Reiser Handke „eine fast schaurige Härte, nein, Schärfe gegen sich selbst“ liest. Diesen Roman, so Handke, habe er zweimal zum falschen Zeitpunkt gelesen: „Ich hätte sonst nicht weiter zu schreiben gewagt, so durchschaut hat mich Moritz in sich“. Eine Liebeserklärung an den iranischen Regisseur Abbas Kiarostami ist ebenso enthalten wie eine Annäherung an Anselm Kiefer oder ein ausführliches Porträt des Kritikers Helmut Färber, der in den 1960er und 70er Jahren für die Süddeutsche Zeitung und die längst eingegangene Filmkritik schrieb. Handke bedenkt bekanntere Autoren wie Hermann Lenz und Ralf Rothmann ebenso wie den gründlich vergessenen Josef W. Janker. Wirklich unerwartet ist der Aufsatz „Die Bilder sind nicht am Ende“, eine Hommage an das Hollywoodkino der 1990er Jahre: „Wie hat mich etwa Quentin Tarantinos Pulp Fiction überrascht […]. Schon die Erzählweise, mit der Zeitenverschiebung, die kein bloßes willkürliches Würfelspiel ist, sondern eine nachhaltige Beunruhigung. Die gar nicht so weit von [Eric] Rohmer entfernte Subtilität und zugleich Beiläufigkeit der Reden“. 

Wenn es ein Gemeinsames der Künstler und Kunstwerke gibt, von denen Handke hier spricht, dann, dass sie bei Handke Resonanz finden, etwas in ihm auslösen, bestenfalls eine Epiphanie. Über Marguerite Duras heißt es: „Ihr Schreiben und ihre Filme hatten mir Räume geöffnet und errichtet, […] mehr noch, indem Duras sie öffnete, hat sie mich in ihren Bann gezogen“. Und was er über Helmut Färber schreibt, könnte glatt ein Selbstporträt sein, vielleicht ein Wunschporträt des Kritikers und Lobredners Handke: „Seine höchsteigene Intelligenz galt hauptsächlich den Dingen und Werken, denen er zugeneigt war. Sein Scharfsinn ist insbesondere einer, der aus dem Enthusiasmus kommt“. Das heißt nicht, dass die Texte ohne analytische Elemente auskommen, aber die Analyse wendet sich Werken zu, von denen Handke ohnehin eine hohe Meinung hegt. Der schönste Text, Appetit auf die WeltHandkes Hommage an ein Kino, wie es für ihn einmal war, steht gleich am Anfang.

Titelbild

Peter Handke: Mündliches und Schriftliches. Zu Büchern, Bildern und Filmen 1992–2002.
Suhrkamp Verlag, Berlin 2019.
166 Seiten, 15,00 EUR.
ISBN-13: 9783518242377

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