Aschenpers Sieg über die Trolle

Hans-Jürgen Hube präsentiert „Die schönsten norwegischen Märchen“ in einer neuen Ausgabe

Von Elisabeth BökerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Elisabeth Böker

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Volksliteratur und Volksmärchen standen in Norwegen im 19. Jahrhundert hoch im Kurs. Maßgeblichen Einfluss auf dieses Interesse hatten die Brüder Grimm, die einen regen Kontakt auch nach Skandinavien pflegten. Sie gaben für die beiden norwegischen Freunde Peter Christen Asbjørnsen (1812–1885) und Jørgen Moe (1813–1882) den Anstoß zu einer Sammlung von Märchen aus ihrer Heimat. Letztere gelten als die Vorreiter der Verschriftlichung norwegischer Märchen.

In diesem Jahr ist Norwegen Gastland der Frankfurter Buchmesse. Passend dazu ist im Insel Verlag ein neuer Märchenschatz erschienen, der auf der Sammlung von Asbjørnsen und Moe aus den Jahren 1841 bis 1851 basiert. Der von Hans-Jürgen Hube herausgegebene Märchenband umfasst 37 Märchen und wird durch eine Kommentierung und Bibliografie ergänzt. Dadurch erhalten die Märchen eine knappe wissenschaftliche Einordnung, die gerade für den Laienleser verständliche Hintergrundinformationen zur Entstehung und den Besonderheiten liefert.

Doch worum geht es in den Märchen? Es versteht sich fast von allein, dass die Trolle ihr Unwesen treiben – sie sind nun einmal die beliebtesten Gestalten in der norwegischen Märchenwelt. Dort stellen sie das Böse, das Feindbild dar und sehen mit ihren oft zahlreichen großen Köpfen grausam und gefährlich aus. Gegen diese Trolle, die mit den Riesen in deutschen Märchen zu vergleichen sind, kämpft Aschenper. Er ist der jüngste von meist drei Brüdern, der stets als Nichtsnutz abgestempelt wird, weil er den ganzen Tag nur in die Asche bläst. Doch der vermeintliche Nichtsnutz wird in den zahlreichen Märchen für seine klug geplanten und in Ruhe durchgeführten Taten, bei denen er auf die Hilfe der Tierwelt setzen kann, mit der Heirat einer Prinzessin oder Reichtümern belohnt.

Daneben gab es in Norwegen auch viele Alltags- und Schwankmärchen, von denen einige Eingang in diese Ausgabe gefunden haben. Der Leser bekommt Einblicke in die Seefahrernation Norwegen und das einsame Leben auf den abgeschiedenen Bauernhöfen in den weiten Wäldern. Außerdem klingt bei mancher Märchenfigur die wortkarge, einfältige und launige Art der norwegischen Bauern an. Eine dritte Kategorie bilden die Tiermärchen. Bären, Böcke, Wölfe, Füchse und Hasen, also die in den norwegischen Wäldern heimischen Tiere, kommen darin vor, die insbesondere für diejenigen, die sich für das Land interessieren, einen besonderen Lesereiz bieten.

Die schönsten norwegischen Märchen ist eine sehr abwechslungsreiche Märchensammlung, die von Hube versiert ausgewählt und zusammengestellt wurde. Sie bietet sich sowohl für die von der norwegischen Literatur begeisterten Leser*innen an, die jenseits von Karl Ove Knausgård und der Kriminalliteratur eine andere Seite der norwegischen Literatur kennen lernen möchten, als auch für Märchenliebhaber.

Ein Beitrag aus der Komparatistik-Redaktion der Universität Mainz

Titelbild

Hans-Jürgen Hube (Hg.): Die schönsten norwegischen Märchen.
Übersetzt aus dem Norwegischen von Hans-Jürgen Hube und Friedrich Bresemann.
Insel Verlag, Berlin 2019.
227 Seiten, 11,00 EUR.
ISBN-13: 9783458364009

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