"Amors Beute wird zum Jäger"

Alexandra Kinzkofer untersucht die Liebesthematik im Schelmenroman

Von Michaela MarkertRSS-Newsfeed neuer Artikel von Michaela Markert

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

In der literarischen Tradition der Liebesthematik gilt der Pikaro-Roman als markante Neuerung gegenüber den idealischen Liebeslandschaften etwa des höfischen Romans. In ihrer Studie über den "Schelmenroman als Anti-Romanze" untersucht Alexandra Kinzkofer diesen Umbruch unter dem Fokus der Liebesthematik und des "Frauenbildes". Ihre Untersuchung geht den Umkehrungstendenzen von der idealischen hin zur pikarischen Vorstellungswelt im Spanien des ausgehenden 15. und beginnenden 16. Jahrhunderts nach und verfolgt deren Spuren bis zur englischen Pikareske des 18. Jahrhunderts (Daniel Defoe, "Moll Flanders"). Textanalysen aus dem spanischen Schelmenroman nimmt die Autorin am "Lazarillo de Tormes", am "Guzmán de Alfarache" und an der "Pícara Justina" vor. Dabei dient vor allem die Letztgenannte der Autorin als Beleg eines Wandels der literarischen Frauendarstellung: "Mit dem Eindringen des schelmischen Naturells ins Weibliche entsteht in hartem Kontrast zu den furchtsamen Damen der Romanzenwelt der Charakter der umtriebigen und intellektuell fähigen Pícara, die aus eigener Kraft dem Schicksal zu trotzen gewillt ist."

Kinzkofer zeigt anschaulich die Gegenläufigkeit zwischen der läuternden Liebesmacht höfischer Liebe auf der einen und den lüsternen, materiellen Triebfedern des Eros in der beginnenden Pikareske auf der anderen Seite auf. Insbesondere am Beispiel des "Guzmán de Alfarache" verdeutlicht sie eindrucksvoll, wie der desengaño des zunächst naiven Protagonisten zur multiplen erotischen Initiation mutiert: Guzmán lernt zwar auf typisch pikareske, oft brutale Weise sich von seiner idealen Vorstellung von der Liebe zu verabschieden, aber nur durch die häufige Wiederholung enttäuschender Situationen und somit entsprechend langsam.

Diskussionswürdig ist Kinzkofers Verwendung des Begriffs "Romanze", womit sie das "gesamteuropäische Geflecht literarischer Rezeptions- und Traditionsbeziehungen vom Ende des 15. bis ins frühe 17. Jahrhundert" bezeichnet. Dies ist zwar inhaltlich nachvollziehbar, in der spanischen Literatur- und Gattungsgeschichte ist der Begriff jedoch bereits anderweitig belegt und somit von Kinzkofer deutlich zu weit gefasst.

Leider kommt die Autorin seitenlang fast ohne Belege aus der Forschung zur Pikareske aus. Der Gesamtumfang der zu ihrer Untersuchung herangezogenen Literatur übersteigt zwei Seiten nur knapp.

Wirklich störend beim Lesen ist allerdings die Vielzahl von Druckfehlern sowie die Wiederholung eines kompletten Absatzes gegen Ende der Arbeit. Etwas mehr Sorgfalt während der Korrekturphase hätte hier sicher leicht Abhilfe schaffen können.


Titelbild

Alexandra Kinzkofer: Der Schelmenroman als Anti-Romanze. Frauenbild und Liebesthema.
Martin Meidenbauer Verlagsbuchhandlung, München 2003.
104 Seiten, 14,90 EUR.
ISBN-10: 389975459X

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch