Zwei Detektive als Engel

David Foenkinos schreibt eine ironische Komödie über das wiedergefundene Glück

Von Georg PatzerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Georg Patzer

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Es ist nichts mehr los in ihrer Ehe. Seit acht Jahren sind Jean-Jacques und Claire verheiratet. Sie sind nicht unglücklich. Sie sind nicht glücklich. Sie spulen ihren Alltag einfach nur noch ab. Ihre Tochter Louise muss Chinesisch lernen, jeden Sonntag gibt es bei Claires Eltern auf dem Land Lammkeule. Ein eingefahrenes, langweiliges Leben: "Claire fand, dass sich ihre Beziehung zu einem Schweizer Uhrwerk entwickelt hatte." Was macht man da? Sich umbringen? Nein, man geht fremd.

Jean-Jacques beginnt eine Affäre mit seiner sehr viel jüngeren Kollegin Sonia. Für ihn ist es eine Offenbarung, ein neuer Frühling. Natürlich merkt Claire, dass etwas nicht stimmt. Aber sie will es genau wissen und geht in eine Detektei. Sie sucht sich den billigsten Detektiv aus, Igor, ein schüchterner Russe. Und dann geht alles schief: Denn sie verliebt sich in ihn, und er in sie. Und dann meint sie, das sei jetzt ernst, das sei die große Liebe. Und als sie einen Sonntag bei ihren Eltern sind, trennt sie sich einfach von ihrem Mann. Zumal sie es nicht erträgt, wie er da in der Hängematte hängt: "Als sie auf Höhe der Hängematte angelangt war, sah sie Jean-Jacques an und teilte ihm in der natürlichsten Art, die man sich vorstellen kann, mit: 'Ich verlasse dich.'"

Und dann geht ihr Mann in eine Detektei und heuert einen Schnüffler an. Es ist dieselbe Detektei, und der Detektiv ist Ibàn, ein Cousin von Igor. Es kommt zu einem grotesken Zusammentreffen in einem Café, als Igor seinen Cousin bei der Arbeit ertappt, Claire zu bespitzeln. Krise! Spitzentreffen. Der Chef der Detektei, ihr Onkel, muss zugeben, dass er einen Fehler gemacht hat, als er Ibàn nicht gesagt hat, dass Igor schon den Mann bespitzelt und jetzt eine Affäre mit seiner Frau hat. Aber die Familie rauft sich zusammen und beschließt, dass alles gut werden soll. Also darf Igor weiter mit Claire ausgehen. Ja, da sie beide große Fans des Films "Der Himmel über Berlin" sind, darf er mit ihr nach Berlin fliegen und ein traumhaftes Liebeswochenende mit ihr verleben.

Natürlich geht alles schief. Denn sie haben alle so große Erwartungen und Erinnerungen, dass das Leben dem nicht entsprechen kann. Claire denkt immer wieder an ein wunderschönes Wochenende in Genf zurück, und natürlich wohnt sie mit Igor ausgerechnet im "Hotel Suisse".

David Foenkinos' Roman ist ein wenig verwickelt, wie es alle guten Komödien sind. Wie in einem schönen alten Film wissen wir Zuschauer schon, dass es natürlich ein Happy End geben wird, denn Igor und Claire passen nicht zueinander. Beziehungsärger, Trennungen: das haben wir im richtigen Leben genug, das wollen wir nicht in einer Komödie sehen oder lesen. Foenkinos gelingt es mit einem ganz leichten, im Hintergrund immer ironisch augenzwinkernden Ton ein gelangweiltes Pärchen zu schildern, das durch das Leben schlittert und erst einen kräftigen Stoß braucht, um aufzuwachen. Da sein Buch eine Komödie ist, ist auch der Stoß sanft: Man will ja nicht erschüttern, sondern vor allem unterhalten. Und da der Stoß von den beiden Detektiven kommt, die sich verbünden und sich verhalten, als wären sie die "Engel über Berlin" in Wim Wenders Film, geht alles gut aus - vielleicht sogar die Ehe von Claires Eltern. Denn als Renée nach dem Schock der Trennung wieder aus dem Krankenhaus kommt, sieht sie ihren Mann René, einen pensionierten Chirurg, eines Nachmittags nach dem Kaffee in eben der Hängematte: "Da stand Renée auf und ging entschlossenen Schrittes auf ihn zu. Als sie auf der Höhe der Hängematte angelangt war, sah sie ihn an und teilte ihm in der natürlichsten Art, die man sich vorstellen kann, mit: 'Ich verlasse dich.'" Nur die arme Sonia hat niemanden und kriegt auch niemanden.

Foenkinos hat eine sehr leichte, typisch französische Komödie geschrieben, in der das Leben sehr ernst, aber das Buch, das dieses Leben erzählt, eben nicht ernst ist und auch nicht schwermütig. Vielleicht ein wenig melancholisch, aber doch immer ironisch, leichtfüßig, in Gefahr zum Slapstick zu werden, märchenhaft und in allen Zufällen von höheren liebevollen Mächten geplant. Und nur so, auch das wäre eine Moral dieses Romans, kann man sein Glück finden, durch ein Paar französisch-russischer Engel.


Titelbild

David Foenkinos: Größter anzunehmender Glücksfall. Roman.
Übersetzt aus dem Französischen von Christian Kolb.
Verlag C.H.Beck, München 2006.
221 Seiten, 17,90 EUR.
ISBN-10: 3406550681

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