Martin Stingelins Studien über die Vorlesungen von Deleuze und Foucault
Besprochene Bücher / LiteraturhinweiseUnter der Adresse http://www.imaginet.fr/deleuze/ finden sich im Internet die wörtlichen Tonband-Transskriptionen einer Reihe von Vorlesungen, die Gilles Deleuze zwischen 1971 und 1987 in Paris gehalten hat. Die Präsentation im Internet scheint dem Denk-, Rede- und Schreibstil des französischen Philosophen besonders angemessen. Denn das Internet nimmt sich geradezu als globale Realisierung jener philosophischen Poetik der Vernetzung aus, die Gilles Deleuze und Félix Guattari in ihrem Buchexperiment "Mille plateaus" zu realisieren versuchten. "Wir schreiben dieses Buch wie ein Rhizom", hatten die beiden Autoren hier erklärt. "Es ist aus Plateaus zusammengesetzt und kombiniert. [...] Jedes Plateau kann von jeder beliebigen Stelle aus gelesen und mit jedem anderen in Beziehung gesetzt werden." Dass die organologische Metapher des in sich verflochtenen, nach allen Seiten ausgreifenden, stammwurzellosen Rhizoms und der Vitalismus des französischen Philosophen der technischen Realität des Internets jedoch nur mit erheblichen Einschränkungen entsprechen, gibt Martin Stingelin in seinen Studien über das "Netzwerk von Deleuze" mit Argumenten zu bedenken, die zum Teil von Friedrich Kittler angeregt sind.
Neben den Vorlesungen von Deleuze untersucht Stingelin das Filmgespräch, das dieser 1988/89 mit Claire Parnet führte. Das siebeneinhalbstündige "Abécédaire" wurde 1997 in Form von drei Videokassetten publiziert. Das Bild von Deleuze, das Stingelin auf dieser Basis zeichnet, gewinnt zusätzliche Konturen durch den Vergleich mit den seit 1997 in Buchform erscheinenden Vorlesungen von Michel Foucault. In ihnen gibt sich trotz mancher Gemeinsamkeiten ein anderer Denk-, Arbeits- und Lebensstil zu erkennen.
K. Franz
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