Lustig, intelligent, feministisch!

Mirja Stöcker und ihre AutorInnen zeigen, dass und warum Feminismus sexy ist

Von Rolf LöchelRSS-Newsfeed neuer Artikel von Rolf Löchel

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Es gibt interessante und weniger interessante Tätigkeiten. Die der Hausfrau und des Hausmannes zählen definitiv zur zweiten Sorte. Ebenso wie Mülltonnen leeren oder am Fließband stehen. Nur versucht niemand FließbandarbeiterInnen oder Müllmännern (und -frauen, so es denn welche gibt) einzureden, was für einen tollen, befriedigenden Job sie doch haben. Geht es aber um Hausarbeit, so hält man die Frauen für blöde genug, ihnen werbewirksam vorgaukeln zu können, in Wirklichkeit seien sie "Familienmanagerin[nen]" die den "wichtigsten Beruf der Welt" ausüben, nämlich "ein erfolgreiches kleines Familienunternehmen" zu führen. Die Hausfrau darf sich zwar aufgewertet fühlen, soll doch aber bitteschön weiterhin brav putzen, kochen, waschen und den anfälligen Dreck wegmachen.

So blöde wie erhofft sind sie aber schon lange nicht mehr, die Frauen. Und so verfängt etwa auch Eva Hermans Heimchen-am-Herd-Propaganda trotz aller Verkaufserfolge bei kaum einer. Im Gegenteil: Der neue Antifeminismus ruft zahlreichen und lautstarken Widerspruch hervor, ganz überwiegend von Frauen - aber auch von einigen Männern. Und natürlich kann dieser Widerspruch gar nicht lautstark und zahlreich genug sein.

Das alleine ist schon Grund genug, ein Buch zu begrüßen, das in den Chor der Protestierenden mit einstimmt. Und es ist um so mehr zu begrüßen, als es ebenso intelligent wie verständlich und unterhaltend daherkommt. "Das F-Wort" lautet sein Titel. Herausgegeben hat es die Philosophin, Psychologin und Germanistin Mirja Stöcker. Sie und ihre AutorInnen - unter ihnen Wissenschaftlerinnen sowohl als auch JournalistInnen - haben jedoch kein Fachbuch mit wissenschaftlichem Anspruch vorgelegt, sondern ein Sachbuch, das sich an alle richtet. So loten die Beiträge zwar nicht alle Tiefen des wissenschaftlich-feministischen Diskurses aus und schwingen sich auch nicht in die höchsten Höhen der Gender-Theorie. Dafür sind sie aber mit leichter Hand geschrieben, wobei sie auf oft leicht ironisierende Weise gegen so manches gängige Vorurteil angehen - eben "furchtlos und humorvoll", wie Stöcker in der Einleitung schreibt. Und man muss wirklich sagen: Selten präsentierte sich der Feminismus so humorvoll, ja lustig wie in einigen Beiträgen dieses Bandes. Unter den Neuerscheinungen der letzten Jahre kann in dieser Hinsicht eigentlich nur ein weiteres Buch mit dem vorliegenden Band konkurrieren: Grethe Nestors "Badgirl-Feministin" (siehe literaturkritik.de 1/2007)

Feminismus sei sexy, verspricht der Untertitel. Und die Beiträge belegen es. Die meisten jedenfalls. Das Themenspektrum ist weit gefächert. Es umfasst die kritische Auseinandersetzung mit populären und 'wissenschaftlichen' Geschlechterklischees ebenso wie einen persönlichen Erlebnisbericht oder den Abriss der Geschichte der Neuen Frauenbewegung. Eva Maria Schnurr etwa weist darauf hin, dass es "tausend Gründe"gibt, "warum Menschen so sind, wie sie sind" und "so handeln, wie sie handeln" und dass nicht etwa Männer und Frauen sich grundsätzlich von einander unterscheiden, sondern dass jeder Mensch anders als alle anderen ist - "zum Glück", wie sie schreibt. Brigitte Röder wiederum zeigt, was an dem "Jäger- und Sammlerinnenlatein" dran ist, das vom Ehepaar Pease, Eva Hermann und Peter Sloterdijk auf je verschiedene Weise zum besten gegeben wird: nichts nämlich, aber auch gar nichts. Das Gelächter über deren nicht mal gut ausgedachte Geschichten aus dem Neandertal wird vermutlich noch in kommenden Jahrhunderten erschallen. Oder nein, wahrscheinlicher ist doch, dass sie alsbald vergessen sein werden.

Antje Schrupp fragt, ob die Frauen - genauer gesagt der Feminismus - daran schuld wären, falls die Deutschen tatsächlich aussterben sollten, wie von rechtskonservativer Seite als Menetekel an die Wand gemalt wird. Die Politologin stimmt zwar nicht gerade in das Klagelied ein, dass zuwenig Kinder geboren würden, widerspricht aber auch nicht dem Ansinnen, dass es mehr sein sollten. Jedenfalls aber führt sie einige bedenkenswerte und zumindest zum Teil auch überzeugende Argumente ins Feld, warum der Feminismus nicht an der niedrigen Geburtenrate schuld ist, sondern ganz im Gegenteil "mehr Feminismus, mehr Kinder" mit sich bringt. Dass eine niedrigere Geburtenrate dem Feminismus vielleicht aber auch gar nicht als Schuld, sondern als Verdienst anzurechnen sein könnte, fasst sie nicht ins Auge. Ungeteilte Zustimmung verdient ihre Aufforderung, "[t]ut, was ihr wirklich wollt". Sie ist an Frauen gerichtet und meint, keine Kinder zu bekommen, ein Kind, zwei, drei oder ganz viele - ganz wie sie möchten. Und ebenso ungeteilte Zustimmung verdient ihre an die Gesellschaft gerichtete Forderung, die Bedingungen dafür zu schaffen, dass dies alles möglich ist. Störend ist hingegen die im Subtext ihres Beitrages verborgene Propaganda von Kinderreichtum und der Vater/Mutter/Kinder-Familie.

Zu den männlichen Beitragenden des Bandes zählt Reinhard Mohr. Er berichtet von den Schwierigkeiten, die er in den 1970er-Jahren als junger und verunsicherter (linker) Mann mit der Frauenbewegung hatte, und ruft dabei so manches Unwort der Zeit in Erinnerung. Vermutlich werden etliche seiner Geschlechts-, Alters- und Kampfgenossen seine Erfahrungen und Empfindungen geteilt haben. Dass er aber die Last der seinerzeitigen "ehelichen Pflicht" dem "Vati" aufbürdet, verwundert einigermaßen. War es doch wohl eher die 'Mutti', die unter ihr und dem Gewicht 'Vatis' zu leiden hatte. Aber das ist geschenkt.

Nicht geschenkt, sondern richtig ärgerlich ist hingegen das, was Sebastian Horndasch so zum Thema Feminismus und Frauenbewegung einfällt. Zwar singt er ganz allgemein das Hohe Lied auf den Feminismus, aber der Teufel steckt im Detail. Den "Kampf gegen die Pornographie" etwa findet er "höchst irrational". Denn schließlich handele es sich "lediglich um die explizite Darstellung von Sex". Und Lesben sind ihm ein Gräuel. Zumal wenn sie Feministinnen sind und ihr Lesbisch-Sein nicht als bloße sexuelle Präferenz sehen, sondern "ein politische[s] Lesbentum" fordern. Glücklicherweise enthält der vorliegende Band jedoch auch einen Beitrag, der dieser Lesbophopie etwas entgegensetzt. Katrin Jäger sagt darin nicht nur einiges erhellende über den "Stoff, aus dem die Lesben" sind, sondern auch zur Geschichte der Neuen Frauenbewegung aus lesbischer Sicht, wobei sie völlig zurecht den hartnäckigen Mythos zurückweist, "die Lesben hätten aufgrund ihres mangelnden Interesses an der Kinderfrage zum Scheitern der Frauenbewegung beigetragen".

Doch noch einmal zurück zu Horndasch. Immerhin, so freut er sich, sind nicht alle Feministinnen Lesben, vielmehr gebe es auch welche, die "bei all ihrem politischen Einsatz 'ihre' Männer lieben". Da bestehe dann auch "gar kein Widerspruch zwischen Sexyness und Feminismus". Sexy kann also einzig und allein das sein, was der Herr selbst sexy findet. Dass für Lesben aber vielleicht gerade lesbische Feministinnen sexy sind und es darüber hinaus viele feministische und nichtfeministische Frauen gar nicht schert, was er (und andere seines Schlages) sexy findet, kommt ihm nicht in den Sinn.

Doch nicht nur bestimmte Einzelheiten seines Beitrags, auch die Gründe für sein grundsätzliches Lob des Feminismus und dessen Anliegen erweisen sich schnell als zweifelhaft. Für Horndasch ist der Feminismus vor allem dazu gut, ihm und seinen Geschlechtsgenossen das Leben angenehmer zu machen. Denn es würde ihn "unendlich stressen, immer den Harten spielen zu müssen". Auch fände er es "langweilig, wenn einen niemand in Frage stellt". Und das Schönste: "Ein weiterer Gewinn liegt für die Männer beim Sex." Denn Feminismus steigere die "Promiskuität bei Frauen". Die ganze Emanzipation und Gleichberechtigung von Frauen ist ihm also zunächst einmal Mittel zum Zweck des ganz persönlichen Eigennutzes. Hinzu treten volkswirtschaftliche Vorteile: "Wir Männer profitieren von Feminismus und Gleichberechtigung. Wirtschaftlich und persönlich, denn wir haben deutlich mehr Freiheiten." In den letzten Zeilen seines Beitrages erklärt er immerhin, er begrüße den Feminismus "[a]us Eigeninteresse wie aus Gerechtigkeitsgründen".

Wie man sieht, steht aber selbst hier noch das Eigeninteresse an erster Stelle. Horndasch hat also einen Artikel verfasst, dem sich auch beim besten Willen (den der Rezensent allerdings schon nach der Lektüre weniger Seiten nicht mehr aufbringen mochte) nichts Positives abgewinnen lässt. Sollte es sich allerdings um eine Satire handeln, die zeigen soll, wie es ausschaut, wenn sich ein Chauvinist alter Mach(o)art heutzutage ein profeministisches Mäntelchen umhängt, bekennt sich der Rezensent der Ironieresistenz für schuldig, streut Asche auf sein Haupt und leistet Abbitte, indem er erklärt, dass Horndasch den lustigsten und ironischsten Text des Bandes geschrieben hat. Vermutlich meint der aber doch alles ganz ernst.

Kein anderer Beitrag ist auch nur annähernd derart fragwürdig. Dass sich jedoch auch andere Beitragende gelegentlich vertun, zeigt Jenny Warneckes "Generationen-Studie". So war es durchaus nicht erst Simone de Beauvoirs berühmtes Diktum, man werde nicht als Frau geboren, sondern dazu gemacht, das den "Beginn des Gleichheitsfeminismus" "signalisiert[e]". Fast ein halbes Jahrhundert älter ist die Auseinandersetzung zwischen dem gemäßigten und dem radikalen Flügel der Ersten Frauenbewegung, in dessen Verlauf die Radikalen gegenüber dem Differenzfeminismus der gemäßigten Mehrheit gleichheitsfeministische Forderungen formulierten. Und bereits ein weiteres Jahrhundert zuvor fochten Mary Wollstonecraft in England und Olympe de Gouges in Frankreich für ihre gleichheitsfeministischen Ideale.

Vieles von dem, was Warnecke am Feminismus der 70er-Jahre moniert, kritisiert sie zurecht. Doch kann man nicht behaupten, sein "Zwang zur Opfer-Identifikation" sei noch heute virulent. Auch wäre ein etwas kritischerer Blick auf ihre eigene Generation, der - wie Warnecke sie nennt - "Gener@tion Netzwerk", durchaus angemessen.

In einem der klügsten Beiträge des Bandes nimmt Elke Buhr die Schwächen und Widersprüche der Feministinnen dieser Generation dafür umso genauer ins Visier. Noch wirke der Lippenstift in der Hand einer der jungen Feministinnen manchmal wie eine "Trotzgeste in Richtung ungeschminkter Müttergeneration". Wirklich "souverän" sei ein "zeitgemäßer Feminismus" aber erst, "wenn er sich traut, kritisch zu sein, ohne dabei Angst zu haben, als Spaßbremse zu gelten". Davor, als Spaßbremse in Verruf zu kommen, hat Buhr zweifellos keine Angst. Und dennoch tritt sie keineswegs als solche auf. Statt dessen räumt sie ebenso unterhaltsam wie amüsant mit so manchen Dummheiten über Frauenbewegung und Feminismus auf, die nicht nur an Stammtischen, sondern etwa auch immer mal wieder auf den Seiten einer großen Tageszeitung verbreitet werden, deren Redakteure es in bestimmten (Geschlechter-)Fragen gelegentlich schon mal darauf anzulegen scheinen, dass die Köpfe hinter dem Blatt so klug, wie sie dem Werbespruch zufolge sind, nicht bleiben.

Am Schluss des Bandes setzen Kathrin Hartmann und Kerstin Kullmann noch einmal eines der Glanzlichter. Zu den weiteren zählen neben den bereits erwähnten Texten Elke Buhrs und Brigitte Röders ein Beitrag von Daniel Haas über "Model-Casting als postfeministisches Spektakel" und Sigrid Schmitz' Auseinandersetzung mit der Gehirn-Forschung. "Die Widersprüche zwischen dem, was junge Frauen sich wünschen, und dem, was davon im Laufe ihres Lebens wahr werden kann", sind noch immer groß, erklären Hartmann und Kullmann. "Die Welt der neuen Weiblichkeit lullt angenehm ein, die Realität aber sagt: Soweit, wie wir denken, sind wir nicht." So ist es!

Einer der wichtigsten Vorzüge des vorliegenden Bandes besteht in der Vielfalt seiner Themen und Beiträge. Sie dokumentiert nicht zuletzt die Vitalität des von Stöcker und ihren AutorInnen vertretenen neuen Feminismus. Da verkraftet man auch schon mal einen Text wie denjenigen von Horndasch oder den Umstand, dass die Herausgeberin ausgerechnet Wiglaf Droste die Ehre zuteil werden ließ, dem Band eines seiner Gedichte voranzustellen.

Es sei an der Zeit, "dass die spannenden Erkenntnisse der modernen Geschlechterforschung endlich ins Alltagswissen" gelangen, findet die Herausgeberin. Der Rezensent schließt sich dem an und wünscht dem Buch, dass es hierzu und zur weiteren Verbreitung eines Feminismus, den möglichste viele Frauen und auch Männer sexy finden, einen gehörigen Beitrag leisten wird.


Titelbild

Mirja Stöcker (Hg.): Das F-Wort. Feminismus ist sexy.
Ulrike Helmer Verlag, Königstein 2007.
151 Seiten, 12,90 EUR.
ISBN-13: 9783897412200

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