Ein Dutzendkrimi, den man nicht gelesen haben muss

Steve Hamilton langweilt mit "Blind River"

Von Georg PatzerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Georg Patzer

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Manchmal muss man eine Buchserie von Anfang an lesen: Nur so versteht man die Anspielungen, die Entwicklungen, die Charaktere, nur so genießt man sie. Manchmal ist es aber auch unsinnig, überhaupt einen Band zu lesen. Wenn es nämlich durchgängig normale Dutzendware ist, die dort stattfindet.

So eine Krimidutzendware ist auch "Blind River" von Steve Hamilton. Alex McKnight hat sich nach Paradise, Michigan, zurückgezogen, lebt mitten im Winter in einer Hütte, räumt den Schnee mehrmals am Tag und ist ganz zufrieden. Und dann verliebt er sich in Natalie Reynaud von der Ontario Provincial Police, jenseits der Grenze in Kanada. Trotz des Schneesturms verabredet er sich mit ihr in einem alten Grand Hotel am See. Dort trifft er einen alten Mann, Simon Grant, mit einem alten Hut. Kurz danach findet er den Hut vor seinem Zimmer, gefüllt mit Schnee, und mit der Nachricht versehen: "Ich weiß, wer Sie sind." Und der alte Mann wird tot aufgefunden, ermordet.

Der Fall führt McKnight in die Vergangenheit seiner neuen Geliebten, in die Familiengeschichte und die Geschichte des Ortes Blind River. Zunächst wird McKnight, der unvorsichtigerweise herumfragt, von der Familie Grant als Mörder angesehen und zusammengeschlagen, dann verschwindet Natalie und weigert sich, ihn in den Fall hineinzuziehen, weil sie selbst ihre eigene schmerzvolle Geschichte aufarbeiten muss (natürlich: Kindesmissbrauch), so dass er sich ihr gewaltsam aufdrängen muss und sie natürlich am Schluss rettet. Und natürlich geht es nicht einfach gut aus mit den beiden, und wenn sie nicht gestorben sind... - denn schließlich ist dies der sechste Band einer Serie, die doch noch weitergehen soll.

Leider ist so gar nichts dran an McKnight, was man nicht aus vielen anderen amerikanischen Allerweltskrimis kennt. Der Held ist hart, aber gerecht, kann einstecken und austeilen, ist sensibel und verletzt, hat eine harte Zeit hinter sich und treue Freunde, und er versteckt seine Gefühle hinter seiner schnoddrigen Art.

Höchst vorhersehbar ist die ganze Geschichte von Anfang bis Ende, nicht mehr als solide aus dem Lehrbuch für kreatives Schreiben und deswegen bald ziemlich langweilig. Die Charaktere agieren allesamt wie Abziehbilder aus dem letzten guten Noir-Krimi und sind höchstens als anspruchslose TV-Serienhelden vorstellbar (aber auch da würde man nach einer halben Stunde den Aus-Knopf drücken). Am Schluss wird es noch einmal ganz schlimm, als die Verästelungen der Geschichte in einer quälend langen Passage erzählt und erklärt werden müssen.

Steve Hamilton wurde schon einmal mit dem Edgar Allan Poe Award ausgezeichnet, aber das muss wohl ein Irrtum gewesen sein. Oder er hat schon mal gut geschrieben. Von diesem Roman kann man jedenfalls nur dringend abraten.


Titelbild

Steve Hamilton: Blind River. Roman.
Übersetzt aus dem Amerikanischen von Volker Neuhaus.
DuMont Buchverlag, Köln 2007.
380 Seiten, 19,90 EUR.
ISBN-13: 9783832183486

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