Ein beschmiertes Denkmal

Loriano Macchiavellis Krimi "Tödliches Gedenken" wurde neu aufgelegt

Von Georg PatzerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Georg Patzer

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

"Seine mehr als dreißig Bücher werden in seiner Heimat zur Zeit neu entdeckt und erstmals ins Deutsche übersetzt", hieß es vor zwei Jahren vom Verlag. Ja, wo bleiben sie denn? Statt ein neues Buch zu übersetzen, kommt ein älteres noch einmal als Taschenbuch und der Verlag tut so, als wäre es eine Neuausgabe. Dabei gab es genau dieses Buch schon einmal als Taschenbuch. Was soll denn das?

Dabei ist Loriano Macchiavellis Krimi "Tödliches Gedenken" natürlich jede Neuauflage wert. Es ist einer aus der schönen Reihe um Commissario Antonio Sarti aus Bologna. Ein Loser, einer, der wie Wolf Haas' Brenner eigentlich keine Lust mehr hat. Der eigentlich viel lieber gucken möchte, wo es in seiner Stadt den besten Espresso gibt. Wenn er ihn nicht lieber gleich selber macht.

Jetzt wurde er von seinem Vorgesetzten, den er überhaupt nicht schätzt ("Wenn ich die Zeitung aufschlage, erwarte ich jeden Morgen eine über vier Spalten gehende Überschrift: 'Kommissar erwürgt Vorgesetzen, zerlegt seine Leiche, versteckt den Penis und verstreut die malträtierten Gliedmaßen in der Gegend.'") zu einer öden Aufgabe abgestellt: Er soll nächtens ein abgelegenes Denkmal bewachen, das an eine Gruppe italienischer Partisanen erinnert, die von den Deutschen im Zweiten Weltkrieg in einem Hinterhalt gemeuchelt worden sind. Eine eminent politische Aufgabe, denn das Denkmal wurde immer wieder mit faschistischen Parolen beschmiert. Und das Gedenken an den Widerstand ist natürlich wichtig. Schließlich waren, wie in Deutschland, auch in Italien alle im Widerstand. Hinterher.

Einmal muss Sarti seinen Posten verlassen, ein natürliches Bedürfnis befriedigen. Und schon ist es geschehen: Da liegt eine Leiche mit eingeschlagenem Schädel. Hauptkommissar Raimondi ist sauer und bestraft Sarti damit, den Täter zu suchen. Was Sarti, mit der Hilfe seines linksradikalen Freundes Rosa, findet, ist nicht nur ein verschwiegenes Dörfchen mit einem Pfarrer und einer Bordell-Mutter, die ihm helfen. Es gibt auch ein zweites Opfer und eine Schwefelquelle in den Bergen, und der Fall nimmt etwas größere Dimension an, als er sich gedacht hat, an. Es geht um eine Geschichte Italiens, die so nicht vorkommt in den Büchern - und auch nicht vorkommen soll.

Wie schon in "Unter den Mauern von Bologna" unterhalten den Leser nicht nur der recht komplizierte Plot, die historischen Exkurse und die politischen Seitenhiebe, sondern auch die skurrilen Personen und die Erzählhaltung. Denn der Erzähler berichtet aus dem Off und aus der Ich-Perspektive (auch darin vergleichbar mit Haas), begleitet den Kommissar, mischt sich mit Kommentaren ein und hat fast schon ein intimes Verhältnis mit Sarti: "Mein Polizist muss immer aufgestachelt und angetrieben werden." Und einmal fährt er ihn zum Dienst und lässt ihn erst dann allein, als er sich beruhigt hat.

Solch ein liebevoll-ironischer Stil unterhält, er schafft eine freundschaftliche Nähe zum Kommissar, aber er ist auch sehr hintersinnig. Der Erzähler ist mild ironisch, er schildert Sartis Schwächen und macht ihn dadurch nur um so sympathischer. Man ist dem Komissar so nah, dass man auch seine Selbstzweifel auf sympathetische Weise mit übernimmt, man steht nie außerhalb des Geschehens, sondern man schwimmt mit ihm durch die Geschichte Italiens und die Geschichten dieser Welt.

Nicht umsonst war dieser Krimi Anfang 2006 schon auf der Krimiwelt-Bestenliste. Also, lieber Piper Verlag: Wir wollen nicht denselben Krimi immer und immer wieder, sondern wir wollen auch die anderen 28 Bücher. Auf: Übersetzen! Verlegen!


Titelbild

Loriano Macciavelli: Tödliches Gedenken. Kriminalroman.
Übersetzt aus dem Italienischen von Sylvia Höfer.
Piper Verlag, München 2007.
208 Seiten, 7,95 EUR.
ISBN-13: 9783492249683

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