Die Fans von Spock

Christian Wenger untersucht Gemeinschaft und Identität in Fankulturen am Beispiel des Star-Trek-Fandoms

Von Rolf LöchelRSS-Newsfeed neuer Artikel von Rolf Löchel

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Mit zehn Spielfilmen und fünf TV-Serien, die es auf etliche hundert Episoden gebracht haben, haben die Macher und Macherinnen von "Star Trek" zweifellos das umfassendste Zukunftsszenarium der Film- und Fernsehgeschichte geschaffen, auch wenn es zur Zeit der Erstausstrahlung der "Original Series" in den 1960er-Jahren zunächst gar nicht so aussah. Möglich war dies nur aufgrund einer seit den 1970er-Jahren bis in das neue Jahrhundert hinein stetig wachsenden Zahl von Fans. So ist es nicht erstaunlich, dass sich die Forschung nicht nur immer wieder der Science-Fiction-Serie selbst zugewandt hat, sondern verschiedentlich auch der Fankultur, wie zuletzt Christian Wenger mit seiner von der - man höre und staune - Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Augsburg als Dissertation angenommen Untersuchung von "Gemeinschaft und Identität in Fankulturen", der er beispielhaft anhand der "Konstitution des Star-Trek-Fandoms" nachgeht.

Die Ergebnisse seiner Arbeit liegen nun unter dem einer Episode aus der Serie "Deep Space Nine" entnommenem Titel "Jenseits der Sterne" vor. Wenger unternimmt es mit dem vorliegenden Buch anhand eines "prominenten Beispiel[s]", "die typischen Sinnstrukturen einer Medienfankultur als Antwort auf typische Probleme in einer spätmodernen Gesellschaft" herauszuarbeiten.

Als Ethnografie populärer Kultur erörtert die vorliegende Arbeit, "welche Potentiale und Chancen sowie Grenzen und Probleme Medienfankulturen für die Konstitution von Gemeinschaft und Identität in der späten Moderne bieten können, und welche Einflussfaktoren einer Fankultur dabei eine Rolle spielen". Ihren Fokus richtet Wengers empirische Analyse auf die "Star Trek"-Fankultur, nicht also auf den sozialen und persönlichen Hintergrund der einzelnen Fans. So unterlässt es der Autor etwa, deren Alter oder Geschlecht im Sinne einer Hypothesen- oder Theoriebildung zu analysieren.

Bevor er sich in den Hauptteilen seiner Untersuchung der sozialen Welt der "Star Trek"-Fans und der sozialen Konstruktion ihres Fandoms zuwendet, legt Wenger ausführlich die methodischen Grundlagen seiner Arbeit dar und geht kurz - man muss sagen: denkbar kurz - auf das "Star Trek"-Universum ein. Die "zentrale[n] Inhalte" der einzelnen Serien und die "zeitgeschichtlichen Kontextbedingungen" ihrer Entstehung reißt er nur soweit auf, wie dies für das eigentliche Anliegen seiner Arbeit - die Untersuchung der Fankultur - notwendig ist. Da die empirische Feldarbeit nur Bezüge bis zur sechsten Staffel der vierten Serie ("Voyager") einbeziehen konnte und die Grundlagen des "Star Trek"-Universums Wenger zufolge in den ersten beiden Serien "The Original Series" und "The Next Generation" gelegt wurden, stellt er die beiden letztgenannten Serien ein wenig ausführlicher vor. Allerdings ist hierzu anzumerken, dass sich nach dem Tod des 'Erfinders' von "Star Trek" Gene Roddenberry (also ab der dritten Serie "Deep Space Nine") doch einige nicht ganz unwesentliche Akzentverschiebungen in der Konzeption des "Star Trek"-Universums ergaben.

In Wengers Analyse fanden etwa 20 zwischen Mai 2000 und April 2001 durchgeführte Interviews mit Fans Eingang, außerdem wurden mehr als achthundert Fragebögen von beeindruckendem Umfang ausgewertet. Ebenso wie die kulturelle Bedeutung populärer Texte sei auch eine Fankultur das Ergebnis eines diskursiven und sozialen Konstitutionsprozesses, resümiert Wenger das Ergebnis seiner Fan-Befragungen. Dieser Prozess finde "im Kontext einer soziohistorischen Bedingungskonstellation aus äußeren (Beschaffenheit und Verfügbarkeit des Angebots, gesellschaftliche Wahrnehmungen und Strategien der Produktionssphäre) und inneren Einflüssen (Verhältnis kultureller und sozialer Praxis)" statt. Wie erfolgreich eine bestimmte Fankultur sei, ließe sich an der Breite des Spektrums ihrer "Partizipationsmöglichkeiten" und den "unterschiedlichen Graden der Selbstverpflichtung" der Fans ablesen. Bei Fankulturen handele es sich somit um "mehr oder weniger institutionalisierte Lösung[en] für die individuellen und kollektiven Problemstellungen der späten Moderne". Je geringer "die Möglichkeit sozialer Milieus zur Selbst- und Fremdwahrnehmung" sei, umso größer werde die "gesamtgesellschaftliche Bedeutung" solcher "posttraditionale[r] Gemeinschaften".

Wie immer es um die gesellschaftliche Relevanz des "Stark Trek"-Fandoms und vergleichbarer Fankulturen auch bestellt sein mag, so ist jedenfalls festzuhalten, dass der Autor eine gründliche Arbeit mit umfangreichen Interviews und wohldurchdachten Fragebögen vorgelegt hat, deren Ergebnisse er (meist in etwas trockener tabellarischer Form) ausführlich darstellt und sorgfältig auswertet.


Titelbild

Christian Wenger: Jenseits der Sterne. Gemeinschaft und Identität in Fankulturen.
Transcript Verlag, Bielefeld 2006.
400 Seiten, 32,80 EUR.
ISBN-10: 3899426002

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