Aus "Forzheim" kam ihr Vater

Ein biografischer Bildband erzählt von Frida Kahlo und Diego Rivera

Von Georg PatzerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Georg Patzer

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Viele Legenden umspinnen die Malerin Frida Kahlo, einige davon hat sie selbst in die Welt gesetzt: Dass ihr Vater "von ungarisch-deutscher Herkunft" sei, dass er gegen Hitler gekämpft habe. So steht es auf einem Porträt aus dem Jahr 1941. Bei anderen weiß man nicht genau, wie sie entstanden sind. Ein Biograf ihres Lebensgefährten Diego Rivera kolportierte, die Familie sei jüdischer Herkunft. Sie selbst habe es gesagt, oder es sei allgemein bekannt Stilisiert hat sie sich immer. Auf manchen Bildern ist sie wie eine Heilige drapiert, auf anderen wie eine Schmerzensfrau hingestreckt. Selbst ihr Geburtsdatum wurde von ihr verschoben, damit sie 1910, im Jahr der mexikanischen Revolution, das Licht der Welt erblickt.

Wie auch immer: Die Faszination an dieser Ausnahmegestalt der modernen Malerei ist ungebrochen. Zu ihrem hundertjährigen Geburtstag ist jetzt ein sehr schöner Band erschienen, der sich auf ihre Beziehung zum mexikanischen Maler Diego Rivera konzentriert. Aber da sie ihn fast ihr ganzes Leben lang kannte, mit Ausnahme der Kinder- und Jugendjahre, die auch kurz referiert werden, ist der Band eine opulent bebilderte Biografie.

Es sind wirklich die Bilder, die dieses für eine Biografie etwas zu dünne Buch aufwerten. Viele schöne Fotos, viele Gemälde von beiden Künstlern sind zu sehen. Biografisch ist das Buch nicht auf dem neuesten Stand, die Autorinnen wiederholen die vor zwei Jahren entlarvte Legende, der Großvater sei "ungarisch-jüdischer Abstammung". Wie man inzwischen weiß, schrieb Frida schon 1949 an Hans-Joachim Kahlo aus Hannover, dass ihr Großvater aus Baden-Baden stammt und ihre Großmutter "aus Forzheim war." Dort wurde auch ihr Vater Carl Wilhelm "Guillermo" Kahlo geboren, in einer bürgerlichen Familie lutheranischen Glaubens, Sohn eines Bijouterie-Fabrikanten. Ihre Großmutter väterlicherseits starb bei der Geburt des zweiten Kindes, und der Großvater heiratete erneut. Da sich Carl Wilhelm mit seiner Stiefmutter nicht verstand, wanderte er im Jahr 1890 als 18-Jähriger mit dem Dampfschiff "Borussia" über Hamburg nach Veracruz, Mexiko, aus. Er ließ sich in Mexiko-Stadt nieder, heiratete die Mexikanerin María Cárdena und ließ sich nach nur vier Jahren einbürgern. 1897 starb María jedoch. Er heiratete Matilde Calderón y Gonzalez aus Oaxaca und wurde ein berühmter Fotograf.

Auch über Kahlos Werk wurde lange gestritten. Viele Kritiker meinen, ihre skandalträchtige Person sei viel interessanter als ihre Bilder und sie habe mehr sich inszeniert als gute Bilder gemalt. Immerhin - sie hat wirklich viel erlebt und viel erlitten. Mit 17 hatte sie einen schweren Busunfall: Eine Stange bohrte sich durch ihren Rücken, ihre Wirbelsäule brach mehrfach, ein Fuß wurde zerschmettert. Nur knapp überlebte sie, musste 32 Operationen über sich ergehen lassen, lag monatelang in einem Gipskorsett und hatte bis zu ihrem Tod Schmerzen. "Es hängt mir zum Hals heraus, so gebrechlich zu sein wie eine alte Frau. Ich führe ein Leben als Blumentopf und komme nicht über den Balkon hinaus; mir ist sooooo langweilig!" schrieb sie.

Als Schülerin lernte sie den damals schon berühmten Diego Rivera kennen, den sie bewunderte. Als sie 22 Jahre alt ist, heiratet sie ihn zum ersten Mal: "Diegos Gestalt ist die eines liebenswerten Monsters. Sieht man ihn nackt, so denkt man sofort an ein Froschkind. Ich liebe ihn mehr als mein Leben." Mit ihm reist sie nach New York und erregt Aufsehen durch ihr unkonventionelles Benehmen. Aber in Amerika wird sie nicht glücklich, die "Gringos sind furchtbar fade und haben Gesichter wie ungebackene Brötchen. Ich interessiere mich zwar für den industriellen Fortschritt, aber ich finde, dass die Leute keinerlei Geschmack haben." 1953 wird Frida Kahlo ein Bein amputiert, ein Jahr später stirbt sie, erst 47 Jahre alt: "Es lohnt sich nicht, von dieser Erde zu gehen, ohne das Leben ein bisschen genossen zu haben."

Das Buch von Isabel Alcántara und Sandra Egnolff erzählt diese Episoden nach und bebildert sie mit wahren Schätzen von Fotos und Gemälden. Da sieht man immer wieder die schmale, zerbrechliche und bettlägerige Kahlo und den stämmigen, selbstbewussten, sehr viel älteren und größeren Rivera nebeneinander stehen. Sie hängt an seinem Hals, er legt beschützend seinen Arm um sie. Auf einem Bild anlässlich ihrer zweiten Hochzeit im Dezember 1940 sitzt er feist in einem Stuhl, einen großen Hut in der Hand, und sie legt sanft die Hand auf seine Schulter. Man sieht das "Blaue Haus", in dem sie gewohnt hat, wunderschöne Farbaufnahmen von Kahlo beim Malen, uralte Familienfotos, die Kahlo als Vorlage für manche Gemälde benutzt hat, die großen Wandgemälde von Diego Rivera, die von einem mythischen und politisierten Mexiko erzählen. Man sieht sie rauchend und zweifelnd und bei einer Vernissage in Mexiko 1953, bei ihrer ersten Einzelausstellung, zu der sie in ihrem Bett getragen werden musste. Man sieht sie mit offenem Haar und ein paar sehr ergreifende Blätter aus ihrem Tagebuch, das sie teilweise gemalt hat, gepeinigte Füße und unter einem Bild ein Gedicht: "Füße wozu brauche ich sie - Wenn ich Flügel habe zu fliegen" - kurz darauf folgte die Amputation.

Das Buch ist allerdings nur wegen der Bilder eine gute Einführung in das Leben von Frida Kahlo und teils auch in ihr Werk, bei dem man Diego Rivera nie vergessen sollte. Es zeigt, dass Kahlo eine bessere Malerin war, als man ihr lange Zeit nachsagte. Denn nicht nur die Schmerzensbilder, nicht nur die Selbststilisierungen, sondern auch die stillen Bilder, die Selbstporträts, auf denen sie streng, abweisend, verletzt wirkt, scheinen durch ihre pastose Technik und die schimmernde Glätte zu glühen. Manche Gemälde erzählen von einer bebenden Zärtlichkeit zwischen den Menschen, einer Sehnsucht nach Ruhe und einem nie nachlassenden Zweifel. An sich, an der Kunst, an den Menschen. Leider kommen die beiden Autorinnen stilistisch mit dem Leben Kahlos überhaupt nicht zurecht. Je weiter man liest, desto langweiliger und gestelzter wird es, oberflächlicher und schlechter geschrieben, und man verlöre schnell die Lust am Lesen, wären die Bilder nicht, denn die sprechen immer noch für sich.


Titelbild

Isabel Alcantara / Sandra Egnolff: Frida Kahlo und Diego Rivera.
Prestel Verlag, Berlin 2001.
128 Seiten, 9,95 EUR.
ISBN-10: 3791325655
ISBN-13: 9783791337982

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