Vor dem Tod des Enthusiasmus

Georg Forsters "Reise um die Welt" - zum ersten Mal mit originalen Illustrationen

Von Gerhart PickerodtRSS-Newsfeed neuer Artikel von Gerhart Pickerodt

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Am Ende der Darstellung seiner Weltreise, die er mit Kapitän Cook 1772 bis 1775 im Alter von 17 bis 20 Jahren als Begleiter seines Vaters unternahm, schreibt Georg Forster, voller Optimismus in die Zukunft blickend, als hätte er bereits Weltraumfahrten im Auge: "Jahrhunderte hindurch werden sich noch neue, unbeschränkte Aussichten eröfnen, wobey wir unsere Geisteskräfte in ihrer eigenthümlichen Größe anzuwenden, und in dem herrlichsten Glanze zu offenbaren Gelegenheit finden werden."

Angesichts des Ertrags der Reise, welche die Erforschung bisher unbekannter Länder (Neukaledonien), mancher Tiere und vieler Pflanzen erbracht hatte, ist solcher Entdecker-Optimismus gewiss nicht übertrieben. Wenngleich der junge Gelehrte, Schriftsteller und Zeichner in den Folgejahren aufgrund seiner persönlichen Lebensumstände und der politischen Erfahrungen Welt und Menschen eher skeptischer betrachten wird. Am Ende seines nicht einmal vierzigjährigen Lebens muss er bekennen, dass sein "Enthusiasmus de sa belle mort gestorben ist" und dass er "schreibe, was er nicht mehr glaube."

Von solcher Resignation ist der junge Weltreisende nach seiner Rückkehr indessen weit entfernt. In kurzer Zeit entwirft er anstelle seines Vaters, dem das Schreiben aus mannigfaltigen Gründen versagt war, die englische Version des Reiseberichts unter dem Titel "A voyage round the world", publiziert bereits 1777. Wenig später (1778) erscheint seine deutsche Übersetzung, deren Titel "Johann Reinhold Forster's Reise um die Welt... beschrieben und herausgegeben von dessen Sohn und Reisegefährten George Forster" dem ihn überlebenden Vater ein Denkmal setzt.

Was die frühen Ausgaben der Reiseschrift ebenso wenig wie die Akademie-Ausgabe der "Sämtliche[n] Schriften..." Forsters (1958f.) enthalten konnten, waren die über fünfhundert, teils kolorierten Tier- und Pflanzenzeichnungen Georg Forsters, die der Vater aus Geldnot an den britischen Forscher Sir Joseph Banks verkaufte und die später, lange Zeit unbearbeitet, im Natural History Museum in London aufbewahrt wurden und werden.

Der Reiz der vorliegenden Neuausgabe der "Reise um die Welt" besteht nun insbesondere in der technisch und ästhetisch überaus faszinierenden Wiedergabe der Zeichnungen, die den jungen Forster nicht nur als tier- und pflanzenkundlich höchst gebildeten Wissenschaftler, sondern auch als wahrhafte Artefakte erzeugenden Künstler ausweisen. Die Auswahl der Bilder - man möchte sie aufgrund ihrer zum Teil farbigen, zum Teil jedoch auch in der monochromen Version schattierten Ausprägung nicht nur Zeichnungen nennen - darf als sensationell gelten, zumal sie den textlichen Elementen des Buches vollkommen entsprechen.

Forster selbst spricht in der Vorrede von einer "philosophischen" Reisebeschreibung und erläutert seinen Authentizitätsanspruch damit, dass er sowohl die exakte Beschreibung des Einzelnen als auch die verbindende, kommentierende Darstellung von Zusammenhängen im Blick hat. Weder Positivismus noch abstrahierende Imagination sollen die Darstellung leiten, sondern die Verknüpfung von Detailansicht und Wesen der Sache. Das bedeutet, dass die Subjektivität des Darstellenden beileibe nicht weggestrichen werden darf, sie sich jedoch mit sachlichen Details gleichsam vollgesogen haben muss, um dem Prinzip der Authentizität zu genügen. Auch die Zeichnungen dokumentieren den Zusammenhang von Detailgenauigkeit und Verallgemeinerung, um das Wesen und Charakteristikum dieses Vogels oder Fischs oder jener Pflanze zur Erscheinung kommen zu lassen.

War Forsters Weltreise-Beschreibung bislang bedeutend insbesondere kraft ihrer ethnologischen Beobachtungen und ihrer Kulturvergleiche zwischen 'wilden' und 'zivilisierten' Gesellschaften, so rückt die vorliegende Neuausgabe den Naturforscher der Flora und Fauna südlicher Länder ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Für den Leser ist darüber hinaus ein sehr schönes Buch entstanden, das gelesen und mit Genuss betrachtet werden will. Gleichwohl sollen Einwände nicht verschwiegen werden. Der Titel "Reise um die Welt. Illustriert von eigener Hand" klingt, als wäre er original, ist es aber nicht bezüglich des Untertitels, der dem Ton der Entstehungszeit lediglich anempfunden ist.

Der einleitende biografische Essay von Klaus Harpprecht weist Ungenauigkeiten und sprachliche Schwächen auf. Im Bestreben, locker-unangestrengt zu schreiben, rückt der Verfasser den historischen Personen auf den Leib, nennt sie beim Vornamen, den Vater Reinhold bisweilen "der Papa". Junge Frauen aus Forsters Umgebung werden mit Klischees wie "blutjung" oder "blitzgescheit" (mehrfach) belegt, eine gilt dem Verfasser sogar als "auf zigeunerhafte Weise attraktiv", und der Göttinger Physiker und Autor Lichtenberg erscheint ihm als "genialer Zwerg", während es von Therese Forsters zweitem Ehemann Huber heißt, dass er "richtungslos durchs Leben hampelte".

Dass mehrfach Schriften Forsters falsch zitiert werden ("Über die Beziehung der Staatskunst auf das Glück der Völker" statt "Über die Beziehung der Staatskunst auf das Glück der Menschheit" oder "Pariser Umrisse" statt "Parisische Umrisse") ist für ein Buch mit solchem Anspruch ärgerlich. Dagegen hebt sich das informative, sachlich geschriebene Nachwort von Frank Vorpahl sehr positiv ab.

Trotz der genannten Schwächen im Eingangsessay liegt eine ungemein attraktive, schöne, interessante, ja spannende Neuedition von Georg Forsters Weltreise-Schrift vor, der man viele Leser wünschen möchte, zumal ältere Ausgaben zumeist nicht mehr greifbar sind.


Titelbild

Georg Forster: Reise um die Welt.
Eichborn Verlag, Frankfurt a. M. 2007.
608 Seiten, 79,00 EUR.
ISBN-13: 9783821862033

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