Die Angst vor den Schmerzen

Paula Fox' Psychogramm einer amerikanischen Ehe

Von Christoph Schmitt-MaaßRSS-Newsfeed neuer Artikel von Christoph Schmitt-Maaß

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Die moderne amerikanische Kultur lässt sich nicht mehr auf Comics und Kaugummi reduzieren, seit die Klassiker der neueren amerikanischen Literatur ins Deutsche übertragen wurden; nach Raymond Carver nun auch Paula Fox. Deren inzwischen weltberühmter Roman "Was am Ende bleibt", 1971 mit Shirley MacLaine erfolgreich verfilmt, kam in den USA und in Deutschland neu heraus. Ob es sich dabei um eine grundlegende Neuübersetzung handelt, bleibt unklar.

Dabei wäre eine solche dringend notwendig. Zumindest die vorliegende Version erfüllt allein den Zweck einer Übertragung ins Deutsche. Künstlerische und sprachlich-gestalterische Kriterien bleiben vernachlässigt. Die detaillierten Beschreibungen verlieren an Stringenz, die Sätze verknoten sich. Dies ist sehr bedauerlich, denn die Autorin versteht es in ihrer Muttersprache meisterhaft, Stimmungen und Seelenlandschaften zu erfassen.

Bereits auf der zweiten Seite des Romans kommt der einschneidende Wendepunkt zur Sprache: Sophie Bentwood, Drehbuchschreiberin und Übersetzerin, wird von einer streunenden Katze in die Hand gebissen. Ihre Angst vor der möglichen Unwirksamkeit der Spritzen verzögert die ärztliche Untersuchung der Wunde, so dass sich Missgeschicke und -verständnisse aneinanderreihen. Zu allem Überfluss trennt sich ihr Mann, ein erfolgreicher Mittelschichts-Anwalt, von seinem Partner. Die beiden beginnen über sich selbst und ihr Leben nachzudenken.

Hauptkritikpunkt an dem Roman ist seine Tendenz zur Vordergründigkeit. Während Raymond Carver nüchtern beobachtend protokolliert, sieht sich Fox gezwungen, jedes Wort mit Bedeutung aufzuladen. Dabei opfert sie gelegentlich Zusammenhänge und Entwicklungen einer undifferenzierten und allzu offensichtlichen Psychologisierung. Was bei Carver authentisch wirkt, ist bei Fox nurmehr grobschlächtiges Bemühen um Authentizität.

Erst in der zweiten Hälfte des Romans zeigen sich die Stärken der Autorin. Hier endlich weicht routinierte Abwechslung und bemühte Spannung einem fokussierten Umgang mit den beiden Hauptfiguren. Und erst hier erhält der Leser versteckte Hinweise auf die brüchige Oberfläche des scheinbar perfekten Zusammenlebens.

Das Gefühls- und Seelenleben des Ehepaars Bentwood wird überzeugend entwickelt. Dort aber, wo Carver sich als Meister bei der Erfassung von Umschwüngen und Brechungen erweist, an denen die Normalität abdriftet und das Alltägliche zum Beklemmenden wird, versagt Fox. Ihre Stärke liegt vielmehr in der lange vorbereiteten Darstellung von Innenansichten und Handlungsschemata.

Sophies Angst vor dem Schmerz prägt den Roman. Diese Angst ist scheinbar schlimmer als der Schmerz selbst. Das Unausgesprochene rückt in den Mittelpunkt; Verwahrlosung und Elend sind die von außen hereindrängenden Turbulenzen, die die Umbrüche in der Gesellschaft und das soziale Elend markieren. Beharrlich und mit einer Mischung aus Lethargie und stiller Verzweiflung stehen die Bentwoods diese Krisen jedoch ebenso durch wie ihre eigene innere Krise.

Die gedrängte Erzählweise, die den Beginn des Romans prägt und an den Erzählmodus der Short Story erinnert, liegt Fox nicht. Erst im Verlauf der Geschichte gelingen ihr großflächigere Panoramen jener Vorstadtidylle, die das Denken und Fühlen ihrer Figuren prägt. Auch bei der Suche nach einem Vokabular zur Beschreibung der Mittelmäßigkeit tut sich Fox anfangs schwer; erst nach Zurücklegen der halben Strecke findet sie ihren Stil - den sie daraufhin um so gekonnter variiert.

Die Autorin offeriert keine Lösung. Am Schluss scheint alles wieder so zu sein, wie es vorher war. Und dennoch hat das Ehepaar Bentwood einige entscheidende Veränderungen durchgemacht. Was am Ende bleibt, ist ein starker, wenngleich unspektakulärer Schluss und eine Fülle von Momenten und Szenen, die im Rückblick unvergessen bleiben.

Titelbild

Paula Fox: Was am Ende bleibt.
Verlag C.H.Beck, München 2000.
201 Seiten, 19,40 EUR.
ISBN-10: 3406460607

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