Juhuuuh! Juchz aber auch! Ach nee!

Eckhard Henscheid legt mit "auweia" einen schwierigen "Infantil-" und damit Antiroman vor

Von Lino WiragRSS-Newsfeed neuer Artikel von Lino Wirag

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Wie soll man einem der großen Polemiker der deutschen Sprache gerecht werden, einem Mann, der "Die Trilogie des laufenden Schwachsinns" in seiner Bibliografie stehen hat, einem, dessen Büchern man ein "Gescheiter geht's nimmer" (Thomas Kapielski) nachsagt, und dessen Prozess gegen Böll-Sohn René die deutsche Mediengeschichte geprägt hat? Nicht dass er es nicht kommentiert und wieder konterkommentiert hätte, der sprachmächtige Alles-Besserwisser zwischen Amberg, Arosa und Frankfurt, der lange von der Kritik verkannte oder abqualifizierte und schließlich dann doch "entdeckte" und recht zügig kanonisierte Eckhard Henscheid. Nun droht oder lockt schon die Werkausgabe bei Zweitausendeins und wirkt in ihrer Monumentalität ein bisschen wie ein verfrüht gemeißelter Grabstein. Und auch seine Epigonen hat er herangezüchtet (oder zumindest deren Schulen mitbegründet), die seine perniziös-perikulösen Invektiven weitersingen (schon wieder so eine Henscheid-Phrase), unterlegt vom kritischen Generalbass des Frankfurter Denkapparats. Henscheid weiß es eh besser, der Verweis auf die "Kulturgeschichte der Missverständnisse" genügt, in der er zusammen mit Gerhard Henschel und Brigitte Kronauer die Schaumschlägerei gleich des ganzen Wissenschafts-, Kultur-, (Edel-)Feuilleton- und sonstigen Geistesbetriebs erledigt. Nichts lässt er durchgehen, alles hat er gelesen.

Was also tun, wenn solch ein Sprachschützer und -schätzer sich anschickt, Medienlogorrhöe, Aftergerede und Simpelsprech nicht mehr zu geißeln, sondern zu benutzen; auszunutzen, auszureizen gar? Das fängt dann so an: "Aua! Heidis erster Trainingstag! Der erste Trainingstag mit Kindertrainer Jupp Kuschel. Alle Wetter! Auf dem Kindertennistrainigsgelände des TC Leimen am Schänzle", geht dann weiter: "Juhuuuh! Juchz aber auch! Was ein Festschmaus auch und sogar für verwöhnte Augen! Oha, der Exminister Caspar Weinberger ist auch gekommen! Und da - Martin Bangemann!", um schließlich so aufzuhören: "Über Gräber vorwärts! Wie ein goldenes Wetterleuchten allerdings geht gleichzeitig immerhin die späte Abendsonne dort am Horizont, hallihallo, hinter Ron und Heidi straff zur Neige".

Dazwischen passiert eigentlich nichts. Jedenfalls nichts, was bedeutungsvoll zu nennen wäre: Natürlich bekommt die Leserin oder der Leser mit, dass hier die Vitae von Steffi Graf respektive Heidi Klum samt Heirat, Fortpflanzung et cetera verbraten, verarscht, verwoben werden; und natürlich warnt der Klappentext rechtens, dass Romane "in der Regel Freude machen sollen, Vergnügen, sogar Behagen herstellen wollen", und dies eo ipso für den vorliegenden Fall "nur sehr bedingt" gelte.

Henscheid will sich partout einen Schnitzer nach dem anderen leisten. Die Übermäßigkeit von Imperativ, Interjektion, Invektive und Invokation, die toten Topoi, die hier wahrlich "gnadenlosen" Klischees, Anglizismen, Erikative, Ausrufungszeichen zermürben Ohr, Herz und Hirn. Rainer Barbey spricht im "titel-forum" von "abgedroschenen Kalauern, hohlen Sprichwörtern und ausgelutschten Redensarten, [...] Marketingjargon, Anglizismen, Sportreporterdeutsch, People-Journalismen sowie [einem aus] phrasenhaften Zitaten der Hoch- und Populärkultur zusammengesetzte[n] Rotwelsch". Und Henscheid-Adorant Jürgen Roth zitiert in der "Jungen Welt" erst Barbey und setzt dann noch einen drauf: "Falsche adverbiale Superlative und falsche Relativpronomen, falsche Bezüge zwischen Ideolekten und Personen, zwischen Stillage und sozialem Rang der Figuren, zwischen Örtlichkeiten und Geschehnissen wuchern durch ein Gewebe, das von den Gesetzen einer grauenhaft zerraspelten Alltagsgrammatik zusammengehalten wird".

Als ästhetisches Experiment also mutig, als "episches Novum in der neuigkeitsreichen zweieinhalbtausendjährigen Geschichte des abendländischen Romans" (Verlagswerbung) sogar ein bisschen sensationell; als Roman folgerichtig und leider unerträglich. Wer also nicht wie Jürgen Roth dem Meister eisern und auch lexikalisch die Treue hält ("Henscheid gelingt es wundergleich und wie durch eine eschatologische Fügung, den entsetzlichen Wortschrott, in den er bisweilen unscheinbar idyllisch schlummernde Formulierungen einflicht, in schwebend hochkomische Perioden zu verwandeln"), wird sich schnell geschlagen geben und das Buch in der zweiten Schrankreihe verstecken. Denn die "Inferiorität, ja Scheußlichkeit" der Sprache, die uns hier vorgeführt wird, sind unerträglich, wenn nicht Grund für einen "Wut- oder wenigstens Tobsuchtsanfall", wie es im Buch selbst heißt.

Nun bleibt die Frage offen, ob man so etwas nur tun darf, wenn man Eckhard Henscheid ist; oder ob man auch (und gerade), wenn man Eckhard Henscheid ist, darauf verzichten sollte zum Nutzen einer Leserschaft, die schlechtes Deutsch erkennt, wenn sie es täglich um die Ohren gehauen bekommt, und von einem Sprachkritiker erwartet, dagegen anzuschreiben, anstatt selbst den Präzedenzfall der Präzedenzfälle bereitzustellen. Experiment gelungen, Rezensent enttäuscht, aber belehrt. Hat er also mal wieder Recht behalten, der Henscheid.


Titelbild

Eckhard Henscheid: auweia. Infantilroman.
Verlag Antje Kunstmann, München 2007.
144 Seiten, 14,90 EUR.
ISBN-13: 9783888974830

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