Zu dieser Ausgabe

Spricht man Bob-Dylan-Fans auf die christliche Phase ihres Idols an, runzeln sie in der Regel die Stirn und winken ab. Ab Juli 1978, als der jüdische Folksänger ausgerechnet während eines Massenkonzerts auf dem ehemaligen NS-Reichsparteitagsgelände in Nürnberg ein religiöses Erweckungserlebnis hatte, veröffentlichte Dylan bis 1981 drei geradezu missionarisch gestimmte LPs ("Slow Train Coming", "Saved" und "Shot of Love"). Von dieser Musik mochte lange kaum noch jemand etwas wissen, obwohl auf "Slow Train Coming" der damalige Dire-Straits-Newcomer und spätere Weltstar-Gitarrist Mark Knopfler die Fender- Stratocaster-Parts übernommen hatte.

Vielleicht ändert sich daran ja bald wieder etwas. Schließlich ist Religion wieder "in". Alle finden den Dalai Lama toll, die meisten Akademiker lesen längst Josef Ratzinger lieber als Karl Marx - und wenn es so weiter geht, werden die Bibelkreise demnächst wieder zu richtigen Straßenfegern.

Nachdem literaturkritik.de bereits im Dezember 2005 einen ersten Schwerpunkt zum Thema präsentiert hatte, hat sich an diesem Trend nichts geändert. Im Gegenteil. Und er wird uns wohl auch noch weiter beschäftigen. In der April-Ausgabe bieten wir unseren Lesern schon einmal mehrere neue Essays und eine Reihe von Rezensionen, die sich unter anderem den Beziehungen zwischen Theologie und (Literatur-)Wissenschaft, den ersten Publikationen des "Verlags der Weltreligionen" und Karl Gutzkows großem Papstroman "Der Zauberer von Rom" widmen.

Herzlich,
Ihr
Jan Süselbeck