An Langeweile kaum zu schlagen

Rich Cohens Debüt über die Gangster Brooklyns

Von Ramona ScherrerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Ramona Scherrer

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Rich Cohen liefert in seinem Erstlingswerk "Murder Inc. oder nicht ganz koschere Geschäfte in Brooklyn" einen romanartigen Abriss der Geschichte jüdischer Gangster in den 30er Jahren, was durchaus eine gewisse Spannung erwarten lässt. Wer allerdings ein jüdisches Pendant zu Puzos "Der Pate" erwartet, wird bitter enttäuscht: Eine Aneinanderreihung von Anekdoten und Erlebnissen der Gangster Brooklyns - mehr nicht. Keine Rahmenhandlung, kein Spannungsaufbau und schon gar kein Plot oder mitreißendes Show-Down. Nicht einmal der sprachliche Stil macht Cohens Werk lesenswert.

Schon der Anfang ist abschreckend: Ein Ahnenkalender mit den wichtigsten Gangstern der 30er läßt erahnen, daß man mit einer Fülle von Personen konfrontiert wird. Und so ist es dann auch: Ständig werden neue Personen vorgestellt, die dann allesamt irgendwann auf 'Nimmerwiederlesen' verschwinden. "Nach der Ermordung von xy ..." - das ist der Standardsatz, der mitteilt, dass wieder mal einer das Zeitliche gesegnet hat. Unter welchen Umständen, erfährt man jedoch selten. Wenn, dann im üblich nüchternen Schreibstil: "Die Killer fesselten Pretty Amberg. Dann zerlegten sie ihn mit kleinen Küchenmessern." Mehr gibt es zum Tod Ambergs (bei dem man noch nicht mal genau weiß, wer das ist) nicht zu sagen.

Herauszufinden, welche Personen zu den Protagonisten zählen und welche nur Randfiguren sind, wird dem Leser ungewöhnlich schwer gemacht. Die Handlung hat keinen größeren Zusammenhang als den, daß alles etwa zur gleichen Zeit in Brooklyn stattfindet. Dazwischen tauchen immer wieder Rich Cohen selbst oder dessen Vater oder Großvater auf, die alle jedoch zum übrigen Geschehen keinen Bezug haben, außer vielleicht, dass sich in Großvaters Kneipe ab und zu einige wenige Gangster getroffen haben.

Das Buch ist an Langeweile kaum zu schlagen. Erst nach 300 von 350 Seiten wird dem Leser klar, dass er keinen Roman vor sich hat, sondern ein ausformuliertes Geschichtsbuch. Der Aufbau des Buches aber ist so unübersichtlich, dass es auch als solches unbrauchbar ist. So endet der authentische "Roman" dann auch, wie er angefangen hat: Im Nirgendwo. Zwar weiß man dann, dass jüdische Gangster nicht besser waren als ihre italienischen Kollegen a la Puzo, ansonsten gewinnt man aber nur den Eindruck, dass Cohen mit diesem Buch nicht etwa dazu beitragen wollte, die jüdische Gangstergeschichte noch einmal aufzurollen und verständlicher zu machen, sondern vielmehr, sich selbst zu profilieren. Viel zu oft erzählt er vollkommen irrelevante Anekdoten von sich und seinem Vater, der das zweifelhafte Glück hatte, zwei Kleingangster persönlich zu kennen.

Eines muss man Cohen jedoch lassen: Er hat gründlich recherchiert. Allerdings wäre er besser beraten gewesen, vieles davon,vor allem die zahllose Kleinigkeiten, wegzulassen und sich um eine ansprechendere Darstellung zu bemühen.

Titelbild

Rich Cohen: Murder Inc. Oder Nicht ganz koschere Geschäfte in Brooklyn. Aus dem Amerikanischen von Bernhard Robben.
S. Fischer Verlag, Frankfurt a. M. 1999.
366 Seiten, 20,30 EUR.
ISBN-10: 3100102150

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