Allerlei Engel

Laurence Démonios gelungenes Krimidebüt

Von Torsten GellnerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Torsten Gellner

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Er sieht nicht nur aus wie ein Engel, er heißt auch so: Ange, sechzehn, Strichjunge. Er arbeitet für den Kinder- und Drogenhändler Weiss und verliebt sich in seine drogenabhängige Kollegin Dara. Er will aussteigen, schnappt sich Dara, einen Koffer voll mit 500-Franc-Scheinen und haut ab. Sie aber verrät ihn. Er wird gefasst und landet halb tot geprügelt - und tot geglaubt - in einer Baugrube. Doch er hat einen Schutzengel: Die einsame, alternde Maria Concepción findet ihn zufällig im Schlamm der Baugrube und pflegt ihn in ihrer kleinen Wohnung gesund. Als Ange wieder bei vollen Kräften ist, macht er sich - ganz Racheengel - auf den Weg, um mit seinem Peiniger Weiss abzurechnen.

Dass das Buch ausgerechnet zur Weihnachtszeit spielt und allerlei Engel das Personal bilden, mag irritieren. Und dann noch das heikle Thema Kinderprostitution und Drogenhandel! Doch, um es vorwegzunehmen: vom Zeigefinger schwenkenden Sozialkitsch mit religiösem Verweischarakter ist "Eine Art Engel", das Romandebüt der französischen Juristin Laurence Démonio, glücklicherweise weit entfernt. Démonio begreift sich nicht als moralisierende Betroffenheits- oder Enthüllungsliteratin, sondern weist sich als betont zurückhaltende Erzählerin einer einfachen, spannenden Geschichte aus.

In klarer, direkter Sprache und mit äußerst knapp umrissenen, doch plastischen Charakteren entfaltet sich die ebenso simple wie fesselnde Handlung. Was Démonios kleines Buch dabei so sympathisch macht, ist ihr spielerischer Umgang mit den Konventionen des Krimigenres. Erwartungen werden geweckt, die dann pointiert über den Haufen geworfen werden. Da droht ein unüberlegter Bankraub zu scheitern, weil der Filialleiter die vermeintliche Waffe als Spielzeuggewehr seines Sohnes erkennt. Da wird ein hoffnungslos sentimentaler Dialog zwischen "Racheengel" Ange und "Schutzengel" Maria, die sich gegenseitig mit allegorischen Binsenweisheiten überbieten, erst kurz vor dem völligen Absturz ins Klischee unterbrochen und das Gesagte treffsicher ironisiert: "Das sind bloß Sprüche, mehr nicht."

"Eine Art Engel" ist unspektakulär und schnörkellos erzählt, gut strukturiert und spannend inszeniert. Zwar läuft alles etwas zu glatt ab, und hier und da klaffen im Nachhinein noch einige Plausibilitätslücken, aber dafür verzichtet die Autorin auf übliche Schwarz-Weiß-Schemata und versöhnt am Ende mit einem gelungenen, offenen Schluss.

Titelbild

Laurence Démonio: Eine Art Engel. Aus d. Franz. v. Ayche, Karin.
Distel Verlag, Heilbronn 2000.
143 Seiten, 9,20 EUR.
ISBN-10: 3923208405

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch