Wissenschaftliche (Back-)Pfeifen
Martin K. W. Schweer versammelt Beiträge zum Thema Sex and Gender
Von Rolf Löchel
Besprochene Bücher / LiteraturhinweiseErklärte Absicht des von Martin K. W. Schweer herausgegebenen deutschsprachigen Sammelbandes mit dem modisch-englischsprachigen Titel „Sex and Gender“ ist es, die „theoretischen Strömungen, wissenschaftlichen Fragestellungen und empirischen Ergebnisse“ des titelstiftenden „Querschnittsthema[s]“ aus „interdisziplinärer Perspektive“ zu „bündeln“.
Ungeachtet dessen, dass Interdisziplinarität etwas anderes ist als die Summe einzelner Disziplinen, werden tatsächlich vor allem verschiedene disziplinäre Perspektiven auf diverse Aspekte des Themas aneinandergereiht. So befasst sich Karla Etschenberg mit Sexualerziehung, Astrid Kaiser plädiert für eine „geschlechtergerechte Grundschule“, Sonja Bischoff geht „Geschlechterrollen in der Wirtschaft“ nach und der Herausgeber selbst erörtert, ob „Frauen auf dem beruflichen Vormarsch“ sind.
Margrit Brückner riskiert einen „sozialwissenschaftliche[n] Blick auf häusliche Gewalt“ und referiert die Thesen und Ergebnisse einiger in- und ausländischer Studien zum Thema. Dabei hält sie einen Gewaltbegriff, der „von leichten Ohrfeigen bis zur Waffengewalt reicht“, für „sehr weit“ und Ohrfeigen überhaupt nur für eine Form „leichte[r] Gewalt“.
Hildegard Mogge-Grotjahn stellt hingegen „zwölf Personen“ vor, „in deren Migrationsbiografien die Vielfalt der Migrationsformen und -folgen in ihrer geschlechtstypischen Zuspitzung aufscheint“. Zwar handelt es sich „überwiegend um authentische Fallbeispiele“, die übrigen hat sie sich offenbar jedoch der Einfachheit halber selbst ausgedacht. Ob man jeweils einen „authentischen“ oder frei erfundenen Fall vor sich hat, macht sie nicht kenntlich. Ihr Text führt sie jedenfalls zu der Erkenntnis, dass Geschlechtszugehörigkeit zwar „eine wesentliche moderierende Variable, aber keineswegs der einzige Schlüssel zum Verständnis der Biografien und Persönlichkeiten von Menschen mit Migrationshintergrund“ ist, und der Zusammenhang von Gender und Migration überhaupt „außerordentlich komplex“. Wer hätte das gedacht? Und will man es wirklich gar so genau wissen? Nicht jedes Buch, das die Reizworte Sex und Gender im Titel trägt, muss in jeder Bibliothek stehen.
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