Euphorisierender Führerkontakt mit eiserner Lady
Über die jüngst veröffentlichte große Alan-Clark-Biografie von Ion Trewin
Von Peter Münder
Besprochene Bücher / LiteraturhinweiseEinen so schillernden und umstrittenen Paradiesvogel wie Alan Clark (1928-99) hat selbst das an exotische Exzentriker gewöhnte britische Establishment selten erlebt. Clark war konservativer Parlamentsabgeordneter und Staatssekretär im Handels- und Verteidigungs-Ministerium, Militärhistoriker und Autor kontroverser Studien über inkompetente britische Generäle im Ersten Weltkrieg („The Donkeys“) sowie über den deutschen „Barbarossa“-Feldzug gegen die Sowjetunion. Der Sohn des berühmten Kunsthistorikers und Oxford-Professors Kenneth Clark (1903-83) fühlte sich zwar immer zu Höherem berufen. Er war jedoch eher undiszipliniert und konnte sich nur phasenweise zu harter Arbeit oder zu mühseligen Recherchen aufraffen. Den Vorschuss für geplante Buchprojekte kassierte er zwar gern, aber das Anfertigen vertraglich zugesicherter Manuskripte hatte er dann oft genug schnell vergessen, was zu vielen juristischen Querelen führte. Clark genoß das Playboy-Dasein eines modernen Medici-Prinzen: Sein millionenschwerer Vater, von dem er auch das grandiose Schloß Salthill erbte, sorgte für den Ausgleich seiner überzogenen Konten, wenn der autobesessene Junior mit einem Fuhrpark von rund dreißig Oldtimern sich mal wieder einen Rolls Royce, Jaguar, Porsche oder Cadillac gekauft hatte und sich neben dem Schweizer Chalet unbedingt noch einen ruhigen englischen Landsitz zulegen musste.
Vom schottischen Großvater Kenneth McKenzie Clark, einem Textil-Unternehmer, stammte das immense Familienerbe von rund 150 Millionen Pfund. Vom berühmten Vater, der sich mit seinen brillanten Vorlesungen in Oxford und mit einer großen BBC-TV-Serie über die moderne Zivilisation einen unvergleichlichen Nimbus als populärer akademischer Star erwarb, wollte der Sohn zwar immer anerkannt werden. Doch Clark junior wollte sich auch unbedingt gegen diese unumstrittene, anerkannte Vaterfigur profilieren, was er mit der Fixierung auf einen kritischen Gegenpol tat: Ihn faszinierte eher die Barbarei. Er sympathisierte mit Führerkult und nazistischen Ideologien und arrangierte sogar während einer Polenreise eine Exkursion zur Wolfschanze, um am Schauplatz des Stauffenberg’schen Hitler-Attentats eine Gedenkminute für den Führer einzulegen. In seinem sonst so offenherzigen Tagebuch, den brillanten, unterhaltsamen „Diaries“ von 1993, weist er extra darauf hin, dass er lieber nicht beschreiben möchte, was ihm damals durch den Kopf ging –wahrscheinlich war es eine vernichtende Kritik am Attentäter. Da kann es auch nicht überraschen, dass er in seinem „Barbarossa“-Buch (1964) Winston Churchill als fanatischen Kriegstreiber darstellte: Warum sonst hatte der „Blut, Schweiß und Tränen“-Premier 1940 die einmalige Chance für ein Friedensabkommen mit Hitler vertan? Diese umstrittenen Ansichten führten zu heftigen, von Historikern und Medien schnell aufgegriffenen Kontroversen. Kein Wunder also, dass der skeptische Vater seinen talentierten, aber unberechenbaren Sohn sehr kritisch und eher ablehnend beurteilte: „Alan hat zwar ein großes Potential, doch man kann von ihm nicht sehr viel erwarten, weil er eigentlich ein Faschist ist“.
Nach mehreren erfolglosen Versuchen, als Tory-Parlamentskandidat aufgestellt zu werden, gelang es Clark zwar 1974 in Portsmouth, gewählt zu werden. Aber seinen Wahlkreis hasste er ebenso wie die aufreibende Sprechstunden-Fron seiner „Surgery“: Mit den Alltagsproblemen der Mühseligen und Beladenen oder mit den spießigen Ideen der Lokalpolitiker wollte der elitäre Clark nie behelligt werden. Auch wenn man seine ätzende Kritik an anonymen Bürokratien und seine Aversion gegenüber angepassten grauen Beamtenmäusen anerkennen muss, so kann dies doch nicht darüber hinwegtäuschen, dass er die perfekte Inkarnation des britischen Snobs war und direkt aus einem Roman von Evelyn Waugh zu entspringen schien: Kaum jemand hat Kellner so ekelhaft behandelt („kamen sie etwa aus einem rumänischen Aids-Hostel“?), war so geizig (keinen Penny für eine gemeinsame Kollegen-Kollekte) und selbstgefällig („ich kann alle Fragen aus dem Handgelenk beantworten und brauche für ,Question Time‘ keine Notizen“). Den Tiefpunkt seines fehlenden Realitätsbezugs markiert sein Krisenmanagement nach der aberwitzigen Einführung des Poll Tax, was nach militanten Massenprotesten umgehend zur Agonie der Thatcher-Regierung und zum Rücktritt der Eisernen Lady führte. Doch Clarks Verehrung für die Premierminsiterin war so extrem, dass er sich hingebungsvoll am „Führerkontakt“ mit der Lady berauschte und die durch die Straßen ziehenden Demonstranten als ekelhaften „Abschaum“ beschimpfte. Eine kritische Einschätzung des unsinnigen Poll Tax (den sowieso niemand bezahlen würde) findet bei ihm einfach nicht statt – hier konnte man bei Clark selbst das von ihm bei anderen konservativen Abgeordneten diagnostizierte „Bunker-Syndrom“ feststellen. Noch in den letzten Tagen vor Thatchers Sturz erhofft er sich von ihr einen „Ritterschlag“, grübelt er darüber nach, ob sie ihn vielleicht doch noch zum Außen- oder Verteidigungsminister ernennt oder ihn mit einer Peerage als Lord ins Oberhaus schickt.
Deutsche Fragen, vor allem die Beschäftigung mit der Nazi-Ära, die Reduzierung der britischen Truppen in der BRD und das Ende der DDR führten während seiner Zeit als Juniorminister immer wieder zu Kontroversen, selbst mit der von ihm verehrten Eisernen Lady. Als Margaret Thatcher in der turbulenten Glasnost-Phase nach dem Fall der Mauer und der Auflösung der Sowjetunion jede Form der Unterstützung einer deutschen Wiedervereinigung ablehnte, widersprach ihr Clark entschieden und kanzelte sie sogar im größeren Kreis während einer Grundsatzdebatte über neue Strategien nach dem Ende des Kalten Krieges mit dem Kommentar ab: „You are wrong. You’re just wrong“. Dieses aufmüpfige Gebaren konnte die Lady wohl nie verzeihen. Jedenfalls wurde nichts aus Clarks Traum von der Ernennung zum Außenminister – trotz eines Strategiepapiers, das er innerhalb kurzer Zeit ausgearbeitet und mit überzeugenden Vorschlägen für milliardenschwere Einsparungen im Rüstungsetat garniert hatte. Alan Clark war der einsame, verkannte Rufer in der Wüste, der mit analytischem Scharfblick ein Umdenken und einen Strategiewechsel nach dem Verlust alter, liebgewonnener Feindbilder propagierte und umsetzen wollte. Doch die verkrusteten Strukturen des Whitehall-Establishments, der auf Ostblock-Attacken fixierte Blick militanter Altvorderer unterminierten Clarks „New Think“-Avancen und blockierten – neben seinen skandalösen privaten Eskapaden – seine weiteren Aufstiegschancen im Tory-Establishment.
Alan Clark war zwar mit einem silbernen Löffel im Mund geboren, aber wann war der passionierte Hypochonder und Schürzenjäger schon wirklich glücklich? Er habe sich als Kind immer ungeliebt gefühlt, bekannte er in einem Interview: „Meine Eltern haben mich niemals umarmt oder liebkost“. Außerdem war sein Glamour-Status als verwöhntes Einzelkind nach der Geburt seiner beiden Geschwister, den Zwillingen Colin und Colette, beendet, was in Trewins reich bebilderter Biografie auch auf den Fotos zu erkennen ist: Neben den nun im Mittelpunkt stehenden strahlenden Zwillingen fällt der abseits stehende, übelgelaunte, Grimassen schneidende Alan sofort ins Auge.
Ion Trewin, bis 1979 Literatur-Redakteur der „Times“, seither Verleger und Organisator des Cheltenham-Literaturfestivals, hatte sich mit der Edition der drei ebenso unterhaltsamen wie faszinierenden Tagebuchbände von Alan Clark einen Namen gemacht und war von der Clark-Witwe zu dieser autorisierten Biografie angeregt worden. Er konnte im Familiensitz der Clarks, dem Normannen-Schloss Salthill in Kent, Tausende von Briefen, Manuskripten und offiziellen Dokumenten sichten, die dort eingelagert waren. Seine Biografie ist zwar mit großer Sympathie für den eigenwilligen Clark geschrieben, sie betreibt jedoch keine schönfärberische Denkmalpflege. Trewin hat ein sehr einfühlsames, spannendes und amüsantes Buch geschrieben, das auch unangenehme Details im facettenreichen Leben dieses Egomanen nicht ausspart. Einige Fragen bleiben allerdings unbeantwortet: Was hatte es mit Clarks überraschendem Rücktritt von 1992 auf sich, wenige Monate vor den Wahlen, den er dann kurz darauf so heftig bedauerte? Damals musste er sich als Staatssekretär im Handelsministerium während der Anhörungen zum „Irak-Gate“ unangenehmen Fragen stellen, weil er britischen Rüstungsfirmen Tipps zum Unterlaufen des Waffenembargo gegen den Irak gegeben hatte, was er dann jedoch gegenüber offiziellen Instanzen heftig bestritt und zur Verurteilung der betroffenen Firmenchefs führte. Seine Einstellung hatte er so umschrieben: „Je mehr Waffen in das Nahost-Krisengebiet geliefert werden, desto besser – wenn der Iran und der Irak sich gegenseitig vernichten, kann uns das doch nur recht sein“.
Hochmotivierte Zielstrebigkeit war seine Sache nie gewesen, auch wenn sein Ehrgeiz maßlos und seine Egomanie grotesk übersteigert war. Er wuchs zwar in einem elitären, millionenschweren Elternhaus auf, in dem auch das zum Dinner eingeladene Königspaar (Georg VI. und Elizabeth) oder ein befreundeter Premierminister wie Harold MacMillan keineswegs ungewöhnlich waren. Doch nach den üblichen Upper-Class-Ausbildungsetappen Eton und Oxford, wo er am Christ Church College ziemlich lustlos Geschichte studierte, gönnte sich Clark nach einem nur drittklassigen Abschluss eine kreative Auszeit, die er mit dem An- und Verkauf exklusiver Oldtimer-Autos verbrachte. Eine literarische Karriere hatte er zwar früh ins Auge gefasst, doch dann spekulierte er vorübergehend an der Börse, gab schließlich dem Druck der Eltern nach und studierte etwas „Handfestes“ – nämlich Jura – und bestand das Examen tatsächlich im dritten Anlauf. Seinen Ruf als skrupelloser „womanizer“ hatte sich Alan Clark schon als Student in Oxford erworben, wo er in der entbehrungsreichen Nachkriegszeit Ende der 1940er-Jahre mit seinem weißen Jaguar XK 120-Cabrio für großes Aufsehen sorgte und bei den Kommilitoninnen großen Anklang fand. Ähnlich wie Evelyn Waugh betrachtete der Lebemann das Studium als nebensächlich, auch wenn er sich mit seinem Tutor, dem bekannten Historiker Hugh Trevor-Roper anfreundete und sich vorübergehend auf ernsthafte Studien einließ.
Ion Trewin breitet einige Details der unglücklichen Clark-Ehe mit all den Seitensprüngen und den für die junge Ehefrau erniedrigenden Aspekten vor dem Leser aus. Er beschreibt Clarks erste Begegnung mit der 14jährigen Jane, die der damals 29-Jährige unbedingt verführen wollte und dann zwei Jahre später tatsächlich heiratete. Trewin zitiert Passagen aus dem Tagebuch, in denen sich Clark über dieses „ideale Opfer“ auslässt, das er ganz nach seinem Willen formen wollte. Doch zahlreiche, allzu peinliche Affären werden vom Biografen übergangen oder verharmlost. Selbst die skandalöse Harkess-Affäre, die den britischen Massenblättern einen Festtag bescherten, veranlasst Trewin nur dazu, die Raffgier der drei Frauen – nämlich der Mutter und ihrer beiden Töchter – zu kritisieren, die im Verlauf von vierzehn Jahren alle von Clark verführt worden waren. Clark hatte das zwar nie bestritten, aber diese Publicity war natürlich ebenso unerwünscht wie unappetitlich. Die Schlagzeile der „News of the World“ vom 29. Mai 1994 lautete: „Millionärs-Tory Alan Clark verführte Richtergattin und dann ihre beiden jungfräulichen Töchter“. Valerie Harkess war damals mit ihren beiden Töchtern und ihrem indignierten Ehemann unter großem Medienrummel an die Öffentlichkeit getreten, um sich über den lüsternen Clark zu beklagen – und sie soll von dem Skandalblatt „News of the World“ dafür 100.000 Pfund kassiert haben. Es ist sicher nicht abwegig, diesen peinlichen Auftritt für das Ende von Clarks politischer Karriere verantwortlich zu machen. Er konnte zwar einige Jahre später für den konservativen Wahlkreis Kensington & Chelsea noch einmal erfolgreich kandidieren, aber in höhere Ämter wurde er nicht mehr berufen. Der taktvolle Trewin unterschlägt übrigens auch – wohl aus Rücksicht auf Clarks Gattin – dessen Absicht, noch in seinen letzten Lebensjahren mit seiner Sekretärin einen Neuanfang zu wagen und sich von seiner Ehefrau zu trennen.
Was viele seiner politischen Freunde – und sicher auch große Teile der Öffentlichkeit – an Clark bewunderten, war die unglaubliche Chuzpe, mit der er sich gegen den Mainstream, eine gängige Political Correctness und gegen ein blauäugiges Gutmenschentum stellte. Er war immer für eine Überraschung oder für eine skandalöse Meinung gut, die liberalen Geistern vor Empörung den Atem stocken ließ. So ergriff er etwa während des Kosovo-Konflikts Partei für Serbien und kritiserte die NATO-Bombardements auf dem Balkan. In seinem „Barbarossa“ sind Passagen, die als pure Nazi-Glorifizierung und Verherrlichung des deutschen ,Kampfgeistes‘ verstanden werden müssen. Clark sympathisierte vorübergehend mit den britischen Neonazis von der BNF, was ihm in einem von den Tories geführten Geheimdossier zwar vorgeworfen wurde, aber seiner Ernennung zum Junior Minister doch nicht im Wege stand
Dem aufmüpfigen, gegen ein selbstzufriedenes Establishment polemisierenden Clark wurden etliche ketzerische Meinungen und Analysen von vielen Experten aber auch als erhellende analytische Gedankenblitze zugute gehalten. Dazu gehörten seine Thesen über einen inkompetenten, überforderten britischen Generalstab, der im Ersten Weltkrieg Millionen Soldaten in den Tod schickte: „Die Löwen wurden von Eseln geführt“ hatte Clark in seinem 1961 veröffentlichten Buch „The Donkeys“ behauptet. Und das war keineswegs abwegig, wie seine Hinweise auf unflexible, in Europa eingesetzte ehemalige Kolonialoffiziere belegen: Diese aus Übersee abgezogenen Offiziere konnten sich weder an die mörderischen Stellungskriege in unübersichtlichem Gelände noch an neuartige Massenvernichtungswaffen gewöhnen und gingen von abwegigen Prämissen aus.
Geradezu kindisch war Clarks übersteigertes, profilneurotisches Geltungsbedürfnis im parlamentarischen Jahrmarkt der Eitelkeiten. Kindisch waren aber auch die Verhaltensmuster vieler Top-Politiker, die Clark in seinen Tagebüchern beschreibt. Da werden Geheimdossiers für die Premierministerin fabriziert, die den Rivalen im eigenen Ressort unterschlagen und noch spät nachts zugestellt werden, damit die Eiserne Lady diese vorgeblich wichtigen Thesen auch am nächsten Morgen vor allen anderen Verlautbarungen zu Gesicht bekommt – so wollte sich Clark als Musterschüler von der strengen Klassenlehrerin ein Extralob und den Sonderstatus als „Rising Star“ einheimsen. Über Kollegen, Freunde, Eurokraten und die Ärmelschoner aus dem Foreign Office verbreitete er sich meistens mit einer ätzenden Häme, doch die „eiserne Lady“ Thatcher imponiert ihm so sehr, dass er regelrecht um ihre Gunst buhlte. Diese Sucht nach Anerkennung war so ausgeprägt, dass seine eigene ungeschminkte Darstellung dieses Charakterzugs in den „Diaries“ (von 1993) wie eine kabarettistische Realsatire anmutet. Ein Beispiel: Als sein Vorgesetzter Tom King während des ersten Golfkriegs einen Kurzurlaub in Schottland macht und auf einem entlegenen Hochmoor nicht erreichbar ist, übernimmt Clark selbst das Verteidigungsressort, kommuniziert mit den US-Militärs und fabriziert diverse Dossiers und Bulletins, mit denen er Margaret Thatcher seine Führungsstärke demonstrieren will. Als er schließlich den Auftrag erhält, sofort zu Koordinierungsaktionen an den Golf zu fliegen, drehen sich seine Überlegungen nur um die eigene Selbstdarstellung, er bastelt sofort an einer Image-Kampagne, die seinen Hang zum Größenwahn widerspiegelt: Pressemeldungen sollen lanciert werden mit dem Hinweis auf den „ausdrücklichen Wunsch der Premierministerin“, Clark als britischen Emissär an den Golf zu entsenden.
War Clark eine tragische Figur? Zweifellos hatte er die Fähigkeit, Problembereiche präzise analysieren und weltpolitische Veränderungsprozesse (wie etwa Glasnost oder den Fall der Mauer) im größeren Kontext beurteilen zu können. Außerdem war er mit seinem Fachwissen über Ausrüstung und Bewaffnung der Streitkräfte allen anderen Politikern überlegen gewesen. Ion Trewin verweist in seiner brillanten, wenn auch teilweise etwas lückenhaften Biografie auf all die menschlichen Schwächen, die Alan Clark dennoch zu einer umstrittenen Figur werden ließen: Seine egomanische Eitelkeit, sein Faible für Intrigen, seine Unfähigkeit, das Erkenntnisinteresse auch einmal auf Problemfelder zu lenken, die gesellschaftspolitisch relevant waren und deren Bewältigung breiten Bevölkerungsschichten zugute gekommen wären. Faszinierend sind Trewins Exkurse über Clarks militärhistorische Bücher: Hier diagnostiziert er nämlich das in England gern verdrängte Symptom einer unterschwelligen Upperclass-Nazi-Sympathie und eines Unbehagens, das sich auf Churchills vermeintliche allzu persönliche Hitler-Phobie konzentriert. Diesen revisionistischen Nachkriegs- Stimmen, die durch das Herbeiführen eines moderaten Appeasements schon für 1940 einen Waffenstillstand für möglich hielten, hatte Clark mit seinen Studien einen neuen Stellenwert verliehen. Er hatte sich damit aber auch bei den meisten etablierten britischen Entscheidungsträgern unglaubwürdig gemacht.
So wird Alan Clark, dieser vor zehn Jahren verstorbene eigenwillige Außenseiter des britischen Establishments, nicht als verdienter Politiker oder Militärhistoriker in Erinnerung bleiben, sondern wohl so, wie es die „Times“ bereits 1994 befand: Als genialer Tagebuchschreiber, dessen skandalträchtige Indiskretionen sogar die des brillanten, aber skrupellosen Samuel Pepys übertreffen.