„Der Grieche als solcher“?

Hansgeorg Hermanns Biografie zu Mikis Theodorakis wirkt unentschlossen

Von André SchwarzRSS-Newsfeed neuer Artikel von André Schwarz

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Dass der „FAZ“- und „NZZ“-Autor Hansgeorg Hermann seiner Biografie zu Mikis Theodorakis eine Zeittafel beigibt, ist notwendiger denn je. Denn er springt in seinem Buch im Vergleich zu anderen Lebensdarstellungen derartig oft und unvermittelt hin und her, dass man sich als Leser ständig fragt, an welchen Abschnitt er denn nun wieder anknüpfen möchte. Ein wenig mehr chronologische Ordnung hätte da gut getan, denn durch seine Art, dem Leser immer wieder ein paar Häppchen zu servieren, ohne auf größere Zusammenhänge einzugehen, wirkt das Buch beliebig. Ein Manko, das in einer Biografie über Theodorakis umso bedauerlicher anmuten muss.

Denn Theodorakis ist einer der größten Komponisten des modernen Griechenlands – auch wenn er hierzulande leider fast ausschließlich für seine Filmmusiken zu Michael Cacoyannis’ „Alexis Sorbas“, Constantin Costa-Gavras’ „Z“ oder Sidney Lumets „Serpico“ bekannt ist. Sein symphonisches Werk und seine Kammermusik stehen aber auch in Griechenland im Schatten der von ihm vertonten Liederzyklen und Hymnen, mit denen er die traditionelle Musik der griechischen Regionen neu entdeckte und maßgeblich zu einer kulturellen Einigung der Griechen gerade in den Zeiten der faschistischen Diktatur unter Georgios Papadopoulos beitrug. Seine Lieder, zum Teil unter unvorstellbaren Bedingungen im Gefangenenlager auf der Insel Makronisos komponiert, erschienen vielen als eine „kurze Rast“ (Franz-Josef Degenhardt) auf dem langen Weg zu einem freien und demokratischen Griechenland.

Im Widerstand gegen den Faschismus setzte Theodorakis mehrfach sein Leben aufs Spiel, in der griechischen Volksbefreiungsarmee kämpfte er gegen die deutschen Truppen, im Bürgerkrieg wurde der bekennende Kommunist erstmalig verhaftet, gefoltert und verbannt. Sofort nach dem Militärputsch ging er in den Untergrund, wurde erneut inhaftiert und erlitt schwerste Folterungen, erst 1970 konnte er auf Initiative von europäischen Intellektuellen nach Paris ins Exil gehen. Musik und Politik waren für ihn keine Gegensätze, sondern das musikalische Schaffen erschien ihm als das beste Mittel, um seine politischen Ideen an weite Kreise der Bevölkerung weiterzugeben. Seine eigenen Versuche als Politiker waren dagegen weitaus weniger erfolgreich. In den 1990er-Jahren war Theodorakis als unabhängiger Kandidat der Linken Minister in der Regierung Mitsotakis, blieb aber – abgesehen von seinen Bemühungen für eine Aussöhnung zwischen Griechen und Türken – ohne größere Wirkung.

Ein überaus reicher Stoff für eine Biografie also, doch Hermann macht daraus über weite Strecken eine schnöde Anekdotensammlung, in der sich zudem ein anstrengender Hang zur Generalisierung manifestiert. Hinzu kommt ein penetrant vertraulicher Ton – ein Großteil des Buches entstand, wie im Vorwort zu erfahren ist, nach Gesprächen „bei Mikis zuhause“ – der unweigerlich den Eindruck eines eher unreflektierten Fantums des Autors erweckt. Denn bei allen Verdiensten Theodorakis’: Es gibt auch hier Dinge, die man durchaus kritisch sehen kann, etwa sein bisweilen polemischer Antiamerikanismus oder seine unglücklichen, missverständlichen Äußerungen zur Siedlungspolitik Ariel Scharons. All dies wird in Hermanns Buch nicht diskutiert. Wer Näheres über den antifaschistischen Kampf Theodorakis’ und dessen Motivation erfahren möchte, der sollte besser die bewegenden Schilderungen in der bei Insel erschienenen zweibändigen Autobiografie („Die Wege des Erzengels“, deutsch 1995 und „Bis er wieder tanzt“, deutsch 2001) lesen. Eine zufriedenstellende Biografie des großen griechischen Komponisten und Politikers steht weiterhin aus.

Titelbild

Hansgeorg Hermann: Mikis Theodorakis. Der Rhythmus der Freiheit.
Eulenspiegel Verlag, Berlin 2007.
270 Seiten, 19,90 EUR.
ISBN-13: 9783355017404

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