Weiter im Bibeltext

Nachdem im letzten Herbst Ralf Königs Version der Schöpfungsgeschichte unter dem Titel „Prototyp“ erschien, liegt nun der zweite Teil der Trilogie vor

Von Thomas HummitzschRSS-Newsfeed neuer Artikel von Thomas Hummitzsch

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Wo Licht ist, will Schatten sein. Und wo Schöpfung ist, darf auch Zerstörung nicht fehlen. Dies sieht auch der deutsche Comickünstler Ralf König so und lässt seinem Schöpfungscomic „Prototyp“ nun seine Interpretation der biblischen Saga um die göttliche Sintflut und Noahs Archebau folgen. Und da Ralf König nicht nur einer von Deutschlands besten Zeichnern ist, sondern seine Kunst auch stets mit Sprachwitz zu verbinden weiß, trägt der zweite Teil seiner biblischen Trilogie den Titel „Archetyp“.

Der erste Teil seiner Schöpfungsgeschichte hatte empörte Reaktionen hervorgerufen. Als Sommervertretung veröffentlichte Ralf König die in „Prototyp“ versammelten religionskritischen Strips vorab in der FAZ, was dazu führte, dass einige Leser dem Traditionsblatt nicht nur die Freundschaft, sondern auch gleich das Abonnement kündigten. Das hinderte König (und übrigens auch die FAZ) nicht, die Fortsetzung ebenfalls vorab in Teilen zu drucken.

König schrecken solche Reaktionen aber auch grundsätzlich nicht davon ab, seiner Meinung in einem demokratischen Staat Ausdruck zu verleihen. Dies bewies er zuletzt während des Karikaturenstreits, auf den er nicht, wie viele seiner Kollegen, mit Rückzug reagierte. Er setzte den radikalen Reaktionen aus der muslimischen Welt eigene Zeichnungen entgegen. „Wenn der Westen da nicht gegenhält und seine demokratischen Werte ohne Wenn und Aber und Entschuldigungen verteidigt, ist’s bald vorbei mit Presse- und Meinungsfreiheit“, formulierte König der „FAZ“ ins Feuilleton. 2006 erhielt er auf dem Comicsalon in Erlangen dafür einen Spezialpreis.

Mit der Archetyp-Geschichte wird König den religiösen Fanatikern die Zornesröte wohl noch stärker ins Gesicht treiben als mit seinem Vorgängerwerk. Denn Königs Hauptfigur, der biblische Noah, ist nicht der Idealtypus eines friedfertigen Gläubigen, sondern eher ein Abbild des religiös-missionarischen Fundamentalisten. Ob Evangelikale, Islamisten, orthodoxe jüdische Siedler oder Scientologen – König vereint die Klischees dieser Übereifrigen in seiner Noah-Figur. Er entwirft Noah als einen frommen Griesgram, der jede Abweichung von der lebensfeindlichen und angeblich gottgewollten Askese als Gotteslästerung und Schande empfindet. Mit dieser Haltung tyrannisiert er sein gesamtes Umfeld, den Allmächtigen inklusive. Von dem fordert er angesichts des allgegenwärtigen Verderbens nichts anderes als den Weltuntergang.

Gott, der wie schon im Vorgängerband in der Form einer Drohgebärde in gotischen Lettern aus dem Off spricht, berät sich mit der paradiesischen Schlange (Luz[-ifer]) und gemeinsam beschließen sie, Noah seinen Weltuntergang zu liefern. Doch vorher wird er selbst noch einmal in Versuchung geführt und erliegt in Sodom den weltlichen und fleischlichen Verlockungen. Die weitere Geschichte handelt von Noahs Zwist mit Gott und den wahren Platzproblemen auf der Arche.

König übernimmt in „Archetyp“ die erzählerischen Strukturen aus dem Vorgängerband. Seine Zeichnungen sind gewohnt naiv gehalten, seine Charaktere wie immer überzeichnet. Die Erzähltexte sind in Reimen gehalten, die Dialoge mit pseudoerotischen Anspielungen aufgeladen.

Insbesondere Letzteres ist nicht verwunderlich, denn der Durchbruch gelang König mit seinen Comics über die homosexuelle Subkultur, die nicht selten nackte Tatsachen lieferten. „Der bewegte Mann“ ist sein international größter Erfolg. In nahezu allen Ländern, in denen Comics Teil des kulturellen Kanons sind, feiert König seit Jahren beachtliche Erfolge. In Barcelona erhielt er die Auszeichnung als „Bester internationaler Comic-Zeichner“, im französischen Angoulême bekam er den Prix Alph’Art und in Italien den Preis für das beste Szenario.

Mit „Archetyp“ ist König nun ein würdiger zweiter Teil seiner auf drei Teile ausgelegten Bibel-Persiflage gelungen. Allerdings schlägt dieser auf den letzten Seiten eine etwas zu moralinsaure Brücke ins Heute. „Die Sintflut ist ein Mythos, klar! Und in ’nem Staat, der säkular, darf man es gottlob ja sagen: Sie hat sich niemals zugetragen. Es ist der Mensch, der ungeniert derzeit die Schöpfung ausradiert, ob gläubig oder Atheist, bis wenig davon übrig ist.“

Von der ironischen Religionskritik hin zur wenig witzigen Umwelt- und Klimadebatte – das ist schon ein harter Wechsel. Ein solcher Schluss ärgert und entwaffnet die Kritiker in gleichem Maße. Denn wer will dieser Tage schon einen Autor kritisieren, der gegen Umweltzerstörung und Klimawandel anschreibt. Aber dieser Ton will nicht zur überspitzten Ironie der vorhergehenden Seiten passen.

Bleibt am Schluss nur die Frage, welcher „-typ“ im dritten Band folgt. Antityp? Genotyp? Stereotyp? Und welche Geschichte steckt dann dahinter? Lassen wir uns überraschen.

Titelbild

Ralf König: Archetyp.
Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 2009.
112 Seiten, 16,90 EUR.
ISBN-13: 9783498035495

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