Everlasting Love

David Nicholls Roman „Zwei an einem Tag“

Von Thomas NeumannRSS-Newsfeed neuer Artikel von Thomas Neumann

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

David Nicholls hat einen bezaubernden Roman über zwei Menschen geschrieben. Nicholls beschreibt die Beziehung zwischen Emma und Dexter, Em und Dex, die einen Tag nach ihrem Hochschulabschluss vierundzwanzig Stunden miteinander verbringen. Der Tag ihres Treffens ist der 15. Juli 1988. Die Beschreibung dieses Tages wird der Leser aber erst auf den letzten Seiten des Buches miterleben dürfen. Zunächst scheint es nur ein One-Night-Stand gewesen zu sein: „Sie stand an der eindrucksvollen Kreuzung von George Street und Hanover Street, während um sie herum die Menschen von der Arbeit nach Hause eilten oder auf dem Weg zu Freunden und Geliebten waren, und alle hatten ein Ziel, eine Richtung vor Augen. Aber sie stand hier mit ihren 22 Jahren, ratlos, auf dem Weg zurück in eine schäbige Wohnung, wieder einmal gescheitert. / […] Sie ging weiter. Als das Schloss in Sicht kam, hörte sie Schritte hinter sich, das Geräusch von schicken Schuhen, die hart auf das Pflaster trommelten, und noch bevor sie ihren Namen hörte und sich umdrehte, lächelte sie, weil sie wusste, wer es war. / ‚Ich dachte schon, ich hätte dich verloren!‘ sagte er, ging langsamer, und versuchte keuchend und mit hochrotem Kopf, seine Lässigkeit wiederzugewinnen. / ‚Nein, ich bin hier.‘ / […] Hier begann alles. Hier, an diesem Tag, fing alles an.“

 

 

Der Erzählstrang setzt für ein Jahr aus und am 15. Juli des folgenden Jahres wieder ein. Dabei wird die Entwicklung von Emma und Dexter und ihre Beziehung beziehungsweise „Nicht-Beziehung“ beschrieben. Dies geschieht in Gesprächen und Monologen der beiden Protagonisten. Dieses Prozedere setzt sich in den folgenden Jahren fort. Jeweils zum 15. Juli, zum Jahrestag ihrer ersten Begegnung, wird eine Bestandsaufnahme gemacht. Man hat zwischenzeitlich andere Beziehungen, beide sind aber immer mehr oder weniger in Kontakt: „Sie vermisst ihn und will ihn wiederhaben. Ich will meinen besten Freund zurück, denkt sie, weil ohne ihn nichts gut und richtig ist. Ich rufe ihn an, denkt sie, als sie einschläft.“ Krisen begleiten die Freundschaft und jeder versucht, irgendwie zurecht zu kommen, mit mehr oder weniger Erfolg: „Doch in Ermangelung flippiger Freunde gibt es zum Glück einen Spirituosenladen, der den schrägen und deprimierenden Namen Beer’R’Us trägt.“

Man bemerkt von Anfang an, wie sehr der Autor seine Figuren schätzt. Beide Protagonisten werden mit einem oft widersprüchlichen, verletzlichen, vor allem aber liebenswerten Charakter skizziert. Beide sind auf der Suche und sehen das nahe liegende Ziel nicht. Der Leser atmet auf, als beide irgendwann im Laufe der Zeit zusammen kommen. Man hat den Eindruck einer gut ausgehenden Geschichte. Emma ist eine erfolgreiche Autorin, Dexter hat sich aus seiner Orientierungslosigkeit befreit und unterhält einen gut gehenden Feinkostladen. Aber der Bruch dieser nahezu an Harmonie erinnernden Lebenssituation wird an einem ganz gewöhnlichen Tag auf einer ganz gewöhnlichen Fahrradfahrt beendet. Emma wird in einen Unfall verstrickt, von einem Auto angefahren. In der Geschichte trifft es den Leser ebenso hart wie Emma: „Dann stirbt Emma Mayhew, und all ihre Gedanken und Gefühle sterben mit ihr.“

Nicholls schafft es, den Leser emotional an seine Protagonisten zu binden. Man ist geschockt, als Emma so weit vor dem Ende des Romans stirbt. Aber man begreift schnell, das zu der Beziehung zwischen den beiden Personen nicht nur die vorhergehende lange Freundschaft gehört, sondern auch ein Umgang mit dem Tod des Partners. Nicholls stellt die Fragen, die man auch schon während einer Beziehung stellt. Was passiert, wenn der Partner stirbt? Trauert man? Gibt es eine neue Möglichkeit für Glück? Was passiert im Roman an den folgenden Jahrestagen? Hier liegt eine ganz große Stärke des Romans. Dem Zauber des Originals wird die sprachliche Sensibilität der deutschen Übersetzung von Simone Jakob mehr als nur gerecht. Nicholls schafft es in kleinen Prosabildern ein Panorama einer Beziehung über die Ränder einer Partnerschaft zu Zweit hinaus zu zeichnen. Sicherlich ist es nur ein Roman, aber wenn man nur ein wenig zur Sentimentalität neigt, wird man sich am Ende der Geschichte wünschen, es wäre die Wirklichkeit, der man gerade über die Schulter geschaut hat. So liest sich gute Literatur.

Titelbild

David Nicholls: Zwei an einem Tag. Roman.
Übersetzt aus dem Englischen von Simone Jakob.
Kein & Aber Verlag, Zürich 2009.
560 Seiten, 22,90 EUR.
ISBN-13: 9783036955421

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