Auch Iren trinken zu viel

Ken Bruens rasanter Krimi in der nicht minder rasanten Übersetzung von Harry Rowohlt

Von Walter DelabarRSS-Newsfeed neuer Artikel von Walter Delabar

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Im Grunde genommen ist es ein Klassiker: Polizist trinkt zu viel, vor allem wenn er im Vereinigten Königreich oder in Irland tätig ist, und wie es der Zufall oder die göttliche Vorsehung will, gerät er irgendwann an den Falschen und fliegt raus. Zum Beispiel weil man Regierungsmitgliedern keine Knolle verpasst, egal wie schnell sie gefahren sind, und weil man ihnen auch nicht, wenn sie darauf hinweisen, keine aufs Maul gibt. Hält man sich an solche Basisregeln der zivilisierten Länder nicht, muss man die Konsequenzen fürchten und Privatdetektiv werden, oder – was in Irland besser zu sein scheint –, sich damit beschäftigen, Verlorengegangenes wiederzufinden. Das bedeutet, dass man weiter trinken kann und hin und wieder das Geld dafür auftreibt, um das auch bezahlen zu können.

Ken Bruens irischer Held namens Jack Taylor ist entsprechend kein Privatdetektiv, sondern ein Finder, weil Privatdetektive in Irland als Polizeiinformanten gelten, und wer will schon als Informant gelten?

Als sich also dieser Jack Taylor wieder einmal dem widmet, was er ernsthaftes Trinken nennt, wird er von einer Frau, Ann Henderson, angesprochen, die ihn um Hilfe bittet. Ihre Tochter hat sich kurz vorher umgebracht, aber die Frau glaubt, dass das Ganze Mord war. Da er in der Tat kaum etwas Besseres vorhat, als den Auftrag anzunehmen, macht sich Taylor auf die Suche. Und wie es der Teufel, der ja in der Geschichte steckt, will, stößt er dabei auf deutlich mehr als nur den bedauerlichen Selbstmord einer 16-Jährigen.

Zur Seite stehen ihm dabei eine junge Frau, die er vor einem brutalen Schläger gerettet hat, Catherine, und ein Maler namens Sutton, der auch noch einigen Erfolg hat. Die Suche nach dem wahren Grund für den Tod der Tochter führt nun in Abgründe, die jede Gesellschaft anscheinend im Krimileben hat und eben auch die irische. Taylor muss sich mit den merkwürdigen Aktivitäten seines Freundes Suttons widmen, der anfängt, sich als Vollstrecker der Gerechtigkeit zu gerieren. Das ist im Grundsatz eigentlich auch für Taylor in Ordnung, aber im Laufe seiner Suche muss er sich derart vielen Nachstellungen und Anschlägen erwehren, dass er sich zu besinnen beginnt (freilich mit einem widersprüchlichen Ende).

Taylor wird zusammengeschlagen, die Finger werden ihm gebrochen, er lässt das Saufen sein, um es umso heftiger wieder zu beginnen, gerät in eine Entzugsanstalt und wieder hinaus, und er findet heraus, was wie und wann passiert ist – was für einen Finderroman ja nicht unbedingt außergewöhnlich ist. Nur beim Finden allein bleibt es nicht. Es muss auch heftig gestraft werden – und dabei entwickelt sich eine Szenerie, die es keineswegs mehr zulässt, sauber zwischen den Guten und den Bösen zu unterscheiden.

Dass Privatermittler moralisch nicht unbedingt die sauberste Weste haben, ist dabei kaum neu oder bemerkenswert. Die zwielichtige Ermittlergestalt lebt ja gerade von ihren Brüchen und Widersprüchen. Das gesellschaftlich Vernünftige zu vertreten und zur Geltung zu bringen, obwohl der Ermittler, was seine eigene Person angeht, keineswegs solchen Imperativen gehorchen würde, macht nicht zuletzt den Reiz solcher Krimis aus. Wenn sie dabei auch noch in einem derart anregenden Ambiente spielen – Galways Kneipen, in denen vor allem gesoffen wird, sind anscheinend die Lieblingsorte Bruens –, dann sind solche Widersprüche immerhin vertretbar.

Allerdings ist das Ganze in einer überaus amüsanten und unterhaltsamen Sprache geschrieben, die dem Hauptakteur nach dem Maule schaut. Schnell erzählt, mit knappen Abschnitten und harten Schnitten bewegt sich die Handlung auf ihre zahlreichen Klippen zu und darüber hinaus. Keine Bange: Der Plot ist zweifelsohne sauber gebaut, aber im Laufe der Handlung sieht sich Taylor stets wieder neuen unangenehmen Entscheidungen ausgesetzt, deren Konsequenzen immer zu eigenen Verlusten führen. Freunde sterben oder müssen getötet werden, die Auftraggeberin, die kurze Zeit Taylors Geliebte wird, verlässt ihn schnell wieder. Und am Ende steht nicht einmal eine Auflösung, die alle Fragen behandelt. Stattdessen werden neue Fragen aufgeworfen, etwa die nach der moralischen Integrität des Helden, und sie werden nicht einmal ansatzweise befriedigend beantwortet. Ob das jedoch für die Lektüre des Romans zentral ist, sei an dieser Stelle vehement bestritten.

Titelbild

Ken Bruen: Jack Taylor fliegt raus.
Übersetzt aus dem Englischen von Harry Rowohlt.
Atrium Verlag, Zürich 2009.
302 Seiten, 16,00 EUR.
ISBN-13: 9783855350445

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