Plädoyer für eine Rückkehr zu alten Werten

Ilse Helbich autobiografische Suche nach dem Heimischwerden

Von Winfried StanzickRSS-Newsfeed neuer Artikel von Winfried Stanzick

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

 

Erst 1989 hat die 1923 geborene österreichische Autorin Ilse Helbich begonnen, erste Prosastücke zu schreiben. Später ist sie mit Romanen und Erzählungen einem kleinen Publikum vor allem in der Alpenrepublik bekannt geworden. Nun, hochbetagt, legt sie unter dem Titel „Das Haus“ ein stark autobiografisch geprägtes kleines Buch vor, in dem sie von einer Frau erzählt und ihren Erfahrungen im letzten Teil ihres Lebens.

Mitte sechzig ist diese namenlose Frau, als sie nach dem Tod der beiden Eltern eine nicht unbeträchtliche Erbschaft antritt. Selbst ist sie eher kränklich, doch auf einer Reise durch die wunderbare Wachau beginnt sie plötzlich einen Traum zu träumen, den viele Städter schon geträumt, den die Wenigsten allerdings wirklich wahr gemacht haben. Die Rede ist von einem Haus auf dem Land, und vom endlichen und vielleicht auch endgültigen Ankommen in so etwas wie einem Zuhause.

Ein ziemlich heruntergekommenes Anwesen am Fuß des Manhartsberges hat die Frau sich ausgesucht; dieses Haus soll ihr ersehntes Refugium für ihre letzte Lebenszeit werden. Viele praktische Dinge sind zu klären und zu erledigen, etwa wie das abgewohnte Haus renoviert und in einen bewohnbaren und gemütlichen Zustand versetzt werden kann. Ohne die Unterstützung von Einheimischen geht gar nichts. Sie freundet sich mit ihnen an, und steigt im Laufe der Zeit immer weiter in die Vergangenheit des Dorfes hinein. Sie wird mit jedem Jahr mehr zu einem Teil des Dorfes mit all seinen Festen und Gebräuchen, und wenn sie geglaubt hatte, das Haus würde zu einem trauten Rückzugsort für sie allein, so sieht sie sich zunehmend darin getäuscht.

Das Buch ist ein leidenschaftliches Plädoyer für eine Rückkehr zu alten Werten der Beständigkeit, Häuslichkeit und vor allen Dingen der Innerlichkeit. Und es ist ein philosophisches Dokument für die Erfahrung, dass wir in diesem Leben eigentlich „unbehaust“ sind. Denn kaum hat sie sich nach einigen Jahren in ihrem Haus eingelebt, da beginnen schon Gedanken hochzusteigen vom Abschiednehmen und vom Tod, und davon, dass vielleicht ihre Nachkommen dieses Haus einmal mit Leben erfüllen werden.

„Das Haus“ ist nicht nur der poetische Bericht über den gelungenen und doch begrenzten Versuch eines Heimischwerdens, sondern auch eine Ermutigung für alle Menschen, diese Suche nach einem solchen Ort in ihrem Leben, der immer auch ein existenzieller Ort ist, nicht aufzugeben. Es muss nicht für jeden bedeuten, ein altes Haus zu renovieren. Sein eigenes Leben in Ordnung zu bringen, es wohnlich zu machen und menschlich, reicht in der Regel schon aus.

Titelbild

Ilse Helbich: Das Haus.
Literaturverlag Droschl, Graz 2009.
140 Seiten, 18,00 EUR.
ISBN-13: 9783854207627

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