Reiseberichte aus dem Pazifik

Mark Twain offenbart in „Port aus Hawaii“ schon die wache Beobachtungsgabe und den Humor, die seine späteren Bücher auszeichnen sollten

Von Manfred OrlickRSS-Newsfeed neuer Artikel von Manfred Orlick

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Reisende Amerikaner findet man heute nahezu in jeder Weltstadt, sie sind überall anzutreffen, wo es Naturschönheiten oder Sehenswürdigkeiten zu bestaunen gibt. Diese Bildungsreisen haben ihren Ursprung im 19. Jahrhundert, als die Schiffsreisen für wohlhabende Amerikaner immer sicherer und komfortabler wurden. Diese Entdeckungen fremder Länder führten auch zur Entstehung einer umfangreichen Reiseliteratur, die meist ein Gemisch aus persönlichen Erlebnissen und Eindrücken mit laienhaften Erörterungen über Kunst und Kultur waren.

Auch der amerikanische Schriftsteller Mark Twain verspürte diesen Drang, die Welt zu durchstreifen, auf Ozeanen zu kreuzen und fremdartige Völker zu besuchen. Im Laufe seines Lebens hat er zahlreiche Reisen unternommen, um von Anfang an Erlebtes und Beobachtetes schriftlich festzuhalten. Seine späteren Reisebücher „Die Arglosen im Ausland“, „Durch Dick und Dünn“, „Bummel durch Europa“ und „Reise um die Welt“ sind auch heute noch überaus erfolgreich und werden immer wieder veröffentlicht.

Bereits im Jahre 1866, lange vor dem Erscheinen seiner berühmten Romane und Reiseberichte, verbrachte Mark Twain (damals noch nicht unter seinem späteren Pseudonym, sondern unter seinem bürgerlichen Namen Samuel Langhorne Clemens) mehrere Monate als Korrespondent auf den Inseln von Hawaii, das seinerzeit noch ein unabhängiges Königreich war.

Seine Artikel in Briefform, die er für die kalifornische Tageszeitung „Sacramento Daily Union“ schrieb, begründeten seinen Ruf als Journalist und waren gleichzeitig der Beginn seiner schriftstellerischen Karriere. Mark Twain hat diese Reisenotizen auch in spätere Werke einfließen lassen und nutzte so ein Drittel dieser frühen Texte als Füllmaterial. Obwohl er sich bereits 1866 mit dem Gedanken trug, die Briefe aus Hawaii in Buchform zu veröffentlichen, kam dieses Projekt zu seinen Lebzeiten nie zustande. Nun liegen diese einzigartigen Reiseberichte zum 100. Todestag des Autors erstmals vollständig in deutscher Sprache vor, übersetzt, herausgegeben und mit einem Nachwort versehen von Alexander Pechmann.

Mark Twain bekam 1866 die Gelegenheit, an der Jungfernfahrt des Ozeandampfers „Ajax“ nach Honolulu teilzunehmen. Zehn Tage dauerte die Überfahrt. Zunächst wollte er nur vier Wochen bleiben, aber dann wurden daraus fast fünf Monate. Mit unermüdlichem Interesse und seinem typischen Humor schrieb Mark Twain über die Sitten und Unsitten der Eingeborenen, die noch von Aberglaube und feudaler Gewalt beherrscht wurden.

Der Pazifik-Archipel („Sandwich-Inseln“) war für ihn nicht nur ein exotisches Paradies, sondern auch ein wirtschaftlicher Faktor. Diesen wichtigen Handelsposten sollten die USA nicht Europa überlassen, meinte er. Kritisch setzte er sich auch mit der Rolle der puritanischen Missionare und den kolonialistischen Machenschaften der Engländer auseinander. Twains politische Haltung war jedoch mitunter zwiespältig: auf der einen Seite lobte er die demokratischen Anstrengungen, während er andererseits das Wahlrecht nur für die besitzende Klasse forderte.

Daneben erläuterte Twain seinen Lesern auch die Geschichte Hawaiis. So berücksichtigte seine Beschreibung der Ermordung von Kapitän James Cook, der für ihn ein betrügerischer Ausbeuter war, auch die Lebens-Hintergründe der Eingeborenen. Mit seinen Reiseberichten tourte Mark Twain anschließend zu zahlreichen Vortragsreisen quer durch die USA. Damit verdiente er auch später mehr Geld als mit der Veröffentlichung seiner Bücher.

Mark Twains „Briefe aus Hawaii“ sind unterhaltsame Geschichten und Episoden, vermischt mit kritischen Betrachtungen und informativen Fakten, die alle kaleidoskopartig am Leser vorbeihuschen. Sie zeigen neben der großen Neugier eines Zeitungsreporters bereits die große Meisterschaft des späteren Schriftstellers. Mit seinen scharfsinnigen und humorvollen Beobachtungen versteht es Mark Twain, auch noch die Leser des 21. Jahrhunderts zum Lachen zu bringen und zu informieren.

Titelbild

Mark Twain: Post aus Hawaii.
Herausgegeben von Alexander Pechmann.
Übersetzt aus dem Amerikanischen von Alexander Pechmann.
Mare Verlag, Hamburg 2010.
355 Seiten, 24,00 EUR.
ISBN-13: 9783866481305

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