Das Richtige tun

Malla Nunns Krimi taucht in die südafrikanische Nachkriegsgeschichte ein

Von Walter DelabarRSS-Newsfeed neuer Artikel von Walter Delabar

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

In der Regel kennen wir die Geschichte der Apartheid in Südafrika nur aus der Position nach ihrem Zerfall. Ihre Entstehung und ihr Kontext sind hingegen weitgehend vergessen, Teile einer Nachkriegsgeschichte, die aus heutiger Sicht so absurde Züge hat, dass sich niemand vernunftbegabte Wesen, wie es Menschen eigentlich sein sollten, darin als treibende Akteure vorstellen kann. Und dennoch: Ein System wie die Apartheid ist nicht vom Himmel gefallen, sondern hat intellektuelle Väter und mehr oder weniger selbständige Gefolgsleute.

Die Idee jedenfalls, dass eine nach Südafrika aus den Niederlanden eingewanderte Bevölkerungsgruppe, die vor allem aus Bauern besteht, für sich selbst beansprucht, das auserwählte Volk Gottes zu sein, ist absurd. Wenn es so wäre, würde das sowieso massiv gegen IHN sprechen und ER würde damit jede Gefolgschaft verwirken.

Anders gewendet: Man ist ja aus der Geschichte des Kolonialismus daran gewöhnt, dass irgendeine Gruppe einer anderen vorhält, sie müssten noch kräftig erzogen und zivilisiert werden – vorausgesetzt dass das möglich ist.

Die darauf aufbauende Idee, dass dieses auserwählte Volk die Vermischung mit anderen Bevölkerungsgruppen unterbindet, um das eigene Erbgut, die eigene Intelligenz, die eigenen Qualitäten zu erhalten (was soll das sein, Herr Sarrazin?), ist gleichfalls nicht unbekannt. Intelligenter wird das dadurch keineswegs. Und schlimm genug, dass solches Gedankengut immer wieder einmal auftaucht.

Mit Malla Nunn jedoch tauchen wir in die Abgründe der 1950er-Jahre in Südafrika ein. Ein englischer Ermittler wird zu einem spektakulären Mordfall in der tiefsten Buren-Provinz gerufen. Der Polizeichef der Gegend wird erschlagen in einem Fluss gefunden. Sein schwarzer Adlatus, die beiden Jungen, die ihn gefunden haben, und drei der Söhne des Opfers – prächtige Exemplare ihres Genpools, echtes Volk, sagt eine der Figuren – stehen um den Tatort herum.

Kaum angekommen, ist der Ermittler, Emmanuel Cooper, schon unter Druck. Die Söhne sind gewohnt, dass alles nach ihrer Facon läuft, und die ist weiß. Der schwarze Constable Shabalala, scheint der einzige zu sein, der nicht ausschließlich von Macht und Gewohnheit getrieben ist, der weiße Kollege Hansie Hepple hat anscheinend außer Auto fahren im Leben nichts gelernt. Eine Szenerie, wie man sie sich wünscht, wenn man denn einigermaßen frisch aus dem Zweiten Weltkrieg gekommen ist und sich in einer Welt wiederfindet, die aus dem Untergang des Nazi-Reichs nichts gelernt zu haben scheint. Vor allem nicht, was die Dämlichkeit von rassistischem Gedankengut angeht.

Denn wenn auch am Ende alles zusammenhängt, und Opfer und Täter sich sehr nahe stehen, für die Jungen des Captains ist von Anfang an klar, um was es sich hier handelt. Und wozu ermitteln, wenn niemand anders als irgendein Kaffer oder Kommunist als Täter in Frage kommt? All das Herumgefrage und Herumgestochere dieses englischen Ermittlers dient doch sowieso nur dazu, eine gute Familie in den Dreck zu ziehen und sich dabei mit den Schwarzen gemein zu machen.

Komplizierter wird das Ganze noch dadurch, dass eine Anti-Terror-Einheit aus Johannisburg den Fall an sich reißt und aus dem Mord ein kommunistisches Attentat machen will. Das gefällt Coopers Chef nicht, aber er kann es nicht verhindern. Und so gerät der Ermittler guten Willens auch noch in ein politisch kompliziertes Gezerre.

Dass Cooper in seinen Ermittlungen aus dem Opfer, dem großen weißen Captain, einen sexgierigen, machthungrigen Provinzpotentaten macht, wird ihm beinahe zu Verhängnis. Und es ist am Ende sehr sehr knapp, dass er nicht selbst das Opfer seiner Ermittlungen wird. Hinzu kommt, dass er keinerlei Distanz zu den Schwarzen des Dorfes hält. Den Constable Shabalala, der sich als enger Begleiter des weißen Captains entpuppt, schätzt er wegen seiner Kompetenz und Verlässlichkeit. Und im Unterschied zu den machtgewohnten Weißen des Dorfes werden die Schwarzen menschlicher (wenn auch nicht weniger zerrüttet) gezeichnet.

Man mag das für ein realistisches Bild der südafrikanischen Provinz in den frühen 1950er-Jahren halten oder auch nicht. Als Entwurf passt Nunns Plot jedenfalls. Nunn ist zudem in ihrer Schilderung – trotz ihrer Sympathie für ihren weißen Helden und für die farbige Urbevölkerung – nicht parteiisch oder tendenziös. Selbst die weißen Herren werden mit jener Empathie beschrieben, die ein gutes Porträt voraussetzt.

Vor allem aber zeigt sich Nunn als kompetente Krimischreiberin. Ihr Roman ist dicht geschrieben, der Plot ist gediegen, die Handlung komplex genug, um spannend zu sein, aber immerhin noch so einfach gehalten, dass der Überblick erhalten bleibt. Nunn treibt ihren Krimi so souverän voran, dass Leser stets den Anschluss behalten und die Lektüre nicht abreißen lassen. Was eine besondere Qualität ist. Umso schöner auch, dass sie ihren Protagonisten schließlich die richtige Entscheidung treffen lässt – eine mutige nämlich.

Titelbild

Malla Nunn: Ein schöner Ort zu sterben. Roman.
Übersetzt aus dem Englischen von Armin Gontermann.
Rütten & Loening Verlag, Berlin 2009.
407 Seiten, 19,95 EUR.
ISBN-13: 9783352007712

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