Winnegans Fake – Friedhelm Rathjen versammelt Übersetzungen aus den Spätwerken von James Joyce

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Dieser Band versammelt Passagen aus „Finnegans Wake“ und zwei kleinere Texte im Stil des „Wake“, präsentiert im Original und in deutscher Übersetzung. Die Ausgabe ist limitiert auf 111 numerierte und vom Übersetzer signierte Exemplare.

Nach dem Erscheinen des „Ulysses“ am 2. Februar 1922 widmete James Joyce seine schriftstellerische Schaffenskraft siebzehn Jahre lang fast ausschließlich einem einzigen Werk, nämlich „Finnegans Wake“; das Buch erschien schließlich im Mai 1939. Die Übersetzungsgeschichte von „Finnegans Wake“ beginnt lange vor dem Erscheinen des Romans in Buchform. 1929 erstellen Samuel Beckett und Alfred Péron, angestiftet durch Joyce, die erste Fassung einer französischen Übersetzung des auch separat publizierten Kapitels „Anna Livia Plurabelle“; diese Fassung wird später von einem größeren Kommittee unter Leitung von Joyce überarbeitet und 1931 in der „Nouvelle Revue Française“ publiziert; an einer Übersetzung desselben Kapitels ins Italienische arbeitet Joyce 1937 gemeinsam mit Nino Frank. Auch seinen deutschen Übersetzer Georg Goyert stiftet Joyce früh – vermutlich schon 1929 – zum Versuch einer Übersetzung der „Anna Livia Plurabelle“ an. Zu einer Reihe meist kürzerer Eindeutschungen aus „Finnegans Wake“ durch unterschiedliche Übersetzer kommt es nach der Wiederentdeckung des Werks von Joyce im deutschen Sprachraum ab ungefähr 1960. Bis heute gibt es allerdings nur eine einzige deutsche Komplettfassung, wobei die quantitative Komplettität durch eine eher dürftige Qualität der Übersetzung erkauft wurde.

Die Behauptung, „Finnegans Wake“ sei unübersetzbar, ist gewiss nicht zu widerlegen – wobei allerdings darauf hinzuweisen wäre, dass letztlich jeder literarische Text unübersetzbar ist, wenn unter Übersetzung die Überführung in eine andere Sprache unter Wahrung schlechthin aller ästhetisch relevanten Merkmale begriffen wird. Jedoch ist der unumgängliche Verlust an ästhetischer Gestalt nirgendwo so groß wie bei der „Wake“-Übersetzung, da in diesem babylonischen Buch sprachlich immer so immens viel gleichzeitig geschieht, dass der Übersetzer, der das eine im Blick zu behalten versucht, dafür alles andere zu verlieren droht. Wo Verlust mithin unumgänglich ist, sollte dies allerdings kein Freibrief sein, freiwillig gleich alles fahrenzulassen und „Finnegans Wake“ von vornherein auf ein reduktionistisches „Lesemodell“ hin zu übersetzen, wie Arno Schmidt dies gefordert hat. Vielmehr muss es darum gehen, das Prinzip der „Wake“-Textur sichtbar (und erfahrbar) zu machen, so gut es eben geht, und das Prinzip ist das der ständigen Vielfalt. Ziel des Übersetzens kann es nur sein, den permanenten sprachlichen Überlagerungsprozess abzubilden; dies lässt sich nur erreichen, indem man die verwobenen Partikel des Originals allesamt identifiziert, Partikel für Partikel in die Zielsprache übersetzt und die erhaltenen zielsprachlichen Partikel nun wieder übereinanderlegt. Dass das in der Praxis so einfach nicht ist, lässt sich denken; wer aber nicht bereit ist, es zumindest zu versuchen, braucht mit der Übersetzungsarbeit an „Finnegans Wake“ gar nicht erst zu beginnen.

Mit Ausnahme dreier Fabeln, die in dem Band „Geschichten von Shem und Shaun“ der Bibliothek Suhrkamp zugänglich gemacht werden, enthält die Kompilation „Winnegans Fake“ alle während der vergangenen drei Jahrzehnte von Friedhelm Rathjen erstellten Eindeutschungen aus dem Joyce’schen Spätwerk einschließlich zweier im Stil des „Wake“ verfasster Nebenwerke. Aufnahme finden auch Splitterübersetzungen, die im Laufe der Zeit für unterschiedliche Anlässe erstellt und für die vorliegende Publikation noch einmal durchgesehen und erweitert wurden. Um bei diesen Splitterübersetzungen ein Mindestmaß an Orientierung zu ermöglichen, werden im Paralleldruck des Originaltextes zum Teil weitere Kontexte aufgeboten; über weitergehende Zusammenhänge informiert gegebenenfalls der editorische Anhang.

Anmerkung der Redaktion: literaturkritik.de rezensiert grundsätzlich nicht die Bücher von regelmäßigen Mitarbeiter / innen der Zeitschrift sowie Angehörigen der Universität Marburg. Deren Publikationen können hier jedoch gesondert vorgestellt werden.

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James Joyce: Winnegans Fake. Aus dem Spätwerk.
Herausgegeben von Friedhelm Rathjen.
Übersetzt aus dem Englischen von Friedhelm Rathjen.
Edition ReJOYCE, Emmelsbüll-Horsbüll 2012.
304 Seiten, 50,00 EUR.
ISBN-13: 9783000373596

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