Zu dieser Ausgabe

„Sie haben keine Formel. Sie haben kein Programm. Sie haben keine Aesthetik. Sie wiederholen nur immer, dass sie modern sein wollen. Dieses Wort lieben sie sehr, wie eine mystische Kraft, die Wunder wirkt und heilen kann. Es ist ihre Antwort auf jede Frage“, schrieb Hermann Bahr 1894 in seinen „Studien zur Kritik der Moderne“. Was die Moderne genau ist, darauf wollte sich selbst Bahr, der „Mann von übermorgen“ (Maximilian Harden), nicht festlegen.

Heute bezeichnet man mit dem Begriff der Moderne die dynamischen gesellschaftlichen Umwälzungen der Zeit um 1900, die zur sogenannten zivilisatorischen Moderne führen. Die ästhetische Moderne in Kunst, Literatur, Architektur und Musik geht mit diesen gesellschaftlichen Entwicklungen Hand in Hand, reflektiert diese, integriert manches, setzt aber auch bewusst auf Gegenentwürfe.

Wie umkämpft und wie ambivalent der Begriff der Moderne jedoch schon immer war, zeigte sich etwa exemplarisch an den Reaktionen auf Max Nordaus Buch „Entartung“ Darin unterschied er scharf die „echten Modernen“ von den „Schwindlern, die sich Moderne nennen“. Ebenso vielgestaltig wie die Moderne selbst war und ist aber auch die Auseinandersetzung innerhalb der Literaturwissenschaft – und dies bis heute.

Bereits in den Jahren 2002 (Ausgabe 2/2002 und 3/2002) und 2009 (1/2009) widmete sich literaturkritik.de der literarischen Moderne. Die Juli-Ausgabe nimmt die anhaltende Beschäftigung mit der Kunst und Kultur seit der Jahrhundertwende erneut zum Anlass, sich mit Essays und Rezensionen zu Themen wie der Kanonisierung moderner Literatur, der Literatur Jung Wiens, der Darstellung von Nacktheit und Sexualität sowie weiteren philosophischen und kulturwissenschaftlichen Fragestellungen zu beschäftigen.

Herzlich grüßt

André Schwarz