Ein Sammelband über Bibliotheken in der Frühen Neuzeit

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Die Kasseler Tagung „Frühneuzeitliche Bibliotheken als Zentren des europäischen Kulturtransfers“ und der darauf zurückgehende Tagungsband gewähren an der Schnittstelle von Literatur, Geschichte, Kunst, Hofkultur, Musik, Politik und Staatskunst Einblicke in die Facetten des Kulturtransfers und der Kulturentwicklung in und durch die Bibliothek. Im Kreise der Gelehrten wusste in der Frühen Neuzeit jeder um die Orte der Bücherschätze, wusste um die Musenhöfe, die literarischen Gesellschaften, Zirkel, Vereinigungen und natürlich um die großen Gelehrten, Künstler und Mäzene. Auch war jeder kulturell Interessierte über alle Standesgrenzen hinweg mit jedem vernetzt, entweder direkt über Verwandtschaft, Freundschaft und Korrespondenz, oder er wusste wenigstens, wer die entsprechenden Kontakte, das entsprechende Wissen hatte beziehungsweise über die relevanten Materialien – Bibliotheken, Sammlungen – verfügte. Und diese Vernetzung erweist sich letztlich als Grundprinzip der frühneuzeitlichen Gesellschaft insgesamt.

Gleichsam en miniature spiegelt eine solche Vernetzung die kleinfürstliche Welt des Fürstentums Waldeck. Erschlossen hat diese Beispielwelt das DFG-Forschungsprojekt „Die Fürstenbibliothek Arolsen als Kultur- und Wissensraum vom 16. bis zum frühen 19. Jahrhundert und ihre Einflüsse auf Genese, Formung und Identität des Fürstenstaats“. Eine Projektskizze eröffnet denn auch den Band, ehe ein europaweites Netz entsprechender Muster gespannt wird. So nimmt William Eisler (Lausanne) die Dassiers von Genf in den Blick und zeigt, wie die berühmten Genfer Münzmeister für nahezu den gesamten europäischen Hochadel arbeiten. Im Fokus von Andreas Erb (Dessau) steht die 1761 von Fürst Viktor Friedrich von Anhalt-Bernburg bestätigte Fürstlich Anhaltische Deutsche Gesellschaft zu Bernburg, deren Gründer Johann Ludwig Anton Rust über mehrere Jahrzehnte einen beinahe internationalen Kreis von Mitgliedern um sich schart. Sven Externbrink (Heidelberg) untersucht die Bibliothek Ezechiel Spanheims. Seine Privatbibliothek, aber auch deren Besitzer avancieren im ausgehenden 17. und beginnenden 18. Jahrhundert zu einem Mittelpunkt der res publica literaria. Petra Feuerstein-Herz (Wolfenbüttel) entführt den Leser nach ‚Afrika in Wolfenbüttel‛. Im Zentrum der Ausführungen von Britta Klosterberg (Halle) stehen die Franckeschen Stiftungen. Am Beispiel der Wittelsbacher und ihrer Residenz in München zeigt Eva-Bettina Krems (Münster), wie Repräsentations- und Sammlungsinteresse in der Ausgestaltung einer Residenz zusammenfließen. In die Welt von Adel, aber auch Bürgertum blickt York-Gothart Mix (Marburg). Der Almanac de Gotha lässt wie überhaupt die Almanache eine Idee der gesellschaftlichen Eliten transparent werden. Um die Grundlagen einer solchen Weltwahrnehmung kümmert sich Nikola Roßbach (Kassel), wenn sie nach den Grundlagen der Gelehrtengeschichte(n) im 18. Jahrhundert fragt. Den zentralen Wissensspeichern dieser und aller anderen Epochen widmet sich schließlich Ulrich Johannes Schneider (Leipzig): den Bibliotheken. In der Mitte einer solchen Sammlung verortet ist der Beitrag von Diana Stört (Berlin) zum freundschaftlichen Netzwerk Johann Wilhelm Ludwig Gleims.

Anmerkung der Redaktion: literaturkritik.de rezensiert grundsätzlich nicht die Bücher von regelmäßigen Mitarbeitern der Zeitschrift sowie Angehörigen der eigenen Universität. Deren Publikationen können hier jedoch gesondert vorgestellt werden.

Ein Beitrag aus der Mittelalter-Redaktion der Universität Marburg

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Claudia Brinker-von der Heyde / Annekatrin Inder / Marie Isabelle Vogel / Jürgen Wolf (Hg.): Frühneuzeitliche Bibliotheken als Zentren des europäischen Kulturtransfers.
Hirzel Verlag, Stuttgart 2014.
284 Seiten, 49,00 EUR.
ISBN-13: 9783777622514

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