Leben im Norden

Mooses Mentulas Roman „Nordlicht – Südlicht“ berichtet über die Unterschiede des Stadt- und Landlebens in Finnland

Von Elisabeth BökerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Elisabeth Böker

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Rentierzüchter versus Büroarbeiter. Natur versus Zivilisation. Norden versus Süden. Der Unterschied zwischen dem Leben in Finnlands einsamen Wäldern im hohen Norden und den Städten im Süden ist extrem. Vor allem kann er zu starken Konflikten führen, wie Mooses Mentual in „Nordlicht – Südlicht“ zeigt.

Als Lehrer kommt Jyri aus dem Süden des Landes in den Norden. Hier soll er die Kinder unterrichten. Gleich nach der Ankunft bei einem Kneipenbesuch wird ihm deutlich gesagt, dass er nicht willkommen ist: „’Hör mal, du Südlicht, beantworte mir eine Frage! Wenn ein Mann allein im Wald ist, ohne daß Frauen in der Nähe sind, hat er dann trotzdem in allem unrecht?‘ Ein bärtiger, noch rechter junger Mann lehnte sich über den Tisch. Er versuchte Jyri mit seinen braunen Augen zu fixieren, aber die blieben nicht fokussiert. Jyri lachte über den Scherz und nickte. Der Mann lachte nicht, sondern packte ihn am Kragen. Speichel flog Jyri ins Gesicht. ‚Antworte schon, ihr nehmt uns doch die Frauen weg!‘“

Mit der Szene eröffnet der 1976 geborene Mooses Mentula, der selbst lange Zeit als Lehrer in Nordfinnland und Lappland gearbeitet hat, seinen Roman. Letztlich steckt in diesen wenigen Sätzen die gesamte Problemsituation des Roman: Jyri, der Neue aus dem Süden, wird von den Männern des Nordens als Eindringling gesehen. Der Mann in der Kneipe ist sich sicher, dass Jyri es hier im Norden nicht lange aushalten wird, dass er eines Tages wieder in den Süden, in die Zivilisation zurückkehren wird. Und er wird nicht alleine gehen, er wird eine Frau aus dem Norden mitnehmen, vielleicht gar eine verheiratete Frau, die es als ihre Chance sieht, der Weite des Nordens zu entfliehen und in den pulsierenden Süden zu gehen.

Ob der Mann Recht behalten wird? Lassen wir es offen, um die Handlung des Romans nicht zu verraten. Wichtiger zu sagen ist, dass es Mooses Mentula gelingt, diesen Konflikt sehr bildreich und vor allem aus vielen Facetten heraus zu erzählen. Es erzählt ein allwissender Erzähler die Handlung, dabei blickt er in den 37 Kapiteln des Romans auf die Perspektive vier verschiedener Personen, deren Leben miteinander verwoben ist.

Da ist zum einen der Lehrer Jyri, der nicht nur eine neue Stelle antritt, sondern auch an einen für ihn ganz fremden Ort zieht. Gelockt hat ihn die Suche nach der eigenen Identität, denn es stammte sein ihm unbekannter Vater aus dem Norden. Zum anderen ist da Lenne, ein Schüler von Jyri, der in der Schule immer wieder negativ auffällt. Schließlich vertraut sich Lenne seinem Lehrer an: Zu Hause gibt es Probleme, die Eltern streiten fast jede Nacht.

Lennes Mutter Marianne kam als junge Frau in den Norden, entfloh den Zwängen ihrer gutsituierten Familie, um hier im Norden auf eigenen Füßen zu stehen. Ihr Glück meinte sie bei Jouni, einem Rentierzüchter gefunden zu haben, mit dem sie eine Familie gründete. Doch mit der Zeit reicht es Marianne nicht aus, Schweine zu züchten und in der leeren Landschaft zu leben. Das Leben im Norden hat für die Frau aus dem Süden seinen Reiz verloren. Vater Jouni merkt es, doch hat er erstens materielle Sorgen und ist zweitens zugleich doch so im Norden zu Hause, dass für ihn ein anderes Leben nicht in Frage kommt.

Die Schlüsselfigur im Roman ist der neue Lehrer, er ist es, der hier mit seinem Kommen die Situation verändert, dem sich Lenne anvertraut, dem sich Marianne anvertraut und dem Jouni ein paar Überlebenstipps im Norden verrät. Mooses Mentula hat einen hochinteressanten Roman geschrieben. Das Bild vom Leben in Lappland ist besonders dadurch, dass es uns so fremd erscheint, so interessant. Angeblich sei dieses Leben auch vielen Finnen aus dem Süden unbekannt, heißt es im Buch. Die Konflikte stellt der Autor sehr unaufdringlich dar, stets aber mit einem humorreichen Unterton.

Titelbild

Mooses Mentula: Nordlicht – Südlicht. Roman.
Übersetzt aus dem Finnischen von Antje Mortzfeldt.
Weidle Verlag, Bonn 2014.
264 Seiten, 23,00 EUR.
ISBN-13: 9783938803677

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