Von Sokrates bis zur Romantik
Vladimir Jankélévitch befasst sich mit der Philosophiegeschichte der Ironie
Von Jens Zwernemann
Fast ein halbes Jahrhundert dauerte es, bis Vladimir Jankélévitchs 1964 erstmals veröffentlichte Abhandlung über das Wesen der Ironie in Jürgen Brankels eleganter Übersetzung auch auf Deutsch erschien. Darin bestimmt der französische Philosoph und Musikwissenschaftler Jankélévitch sowohl das „Genus“ der Ironie, deren Raum er dort ansiedelt, „wo die vitale Dringlichkeit nachlässt“, als auch ihre „spezifische Differenz“, indem er sie abgrenzt, etwa gegen den Zynismus und die Satire. Für den Autor ist die Ironie, die stets auch mit der „Gefahr“ spiele, etwas zutiefst Subversives, wie er anhand der sokratischen Ironie darlegt, da sie vermeintliche Sicherheiten und „falsche[] Evidenzen“ enttarne und der Ironiker – gemeint ist hierbei Sokrates – als „lebender Gewissensbiss“ und „Spielverderber“ der Gesellschaft fungiere.
Von Sokrates schlägt der Autor den historischen Bogen bis zur romantischen Ironie, wobei für ihn „der Fortschritt der Ironie“ einhergeht mit dem „Fortschritt des Bewusststeins“: „Man muss nicht nur von der Welt erwachen, sondern auch von sich selbst. Das Bewusstsein ist nicht ganz seiner selbst bewusst, solange es von sich selbst getäuscht wird, solange seine lächerliche Würde es der fremden Ironie aussetzt; denn die Würde, ein Symptom der Bewusstlosigkeit, macht verletzbar.“
Jankélévitchs Ausführungen sind ebenso espritreich wie gelehrt. Scheinbar mühelos erzeugt er ein dichtes Netz aus philosophischen und literarischen, aber auch musikalischen Verweisen und Anspielungen, die zuweilen – ebenso wie die Vielzahl allgemeiner Reflexionen („Ein definitiver Schwur ist definitiv immer nur bis Ostern. Welche Kreatur auf Erden kann IMMER sagen?“) – auf faszinierende Art über das eigentliche Thema hinausweisen.
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