Nach dem Hinfallen auch wieder aufstehen

Über David Foenkinos’ neuen Roman „Zurück auf Los“

Von Martin GaiserRSS-Newsfeed neuer Artikel von Martin Gaiser

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

David Foenkinos ist ein Schelm. Während manch einer seiner Kollegen die großen Fragen des Lebens stellt, die beispielsweise „Was wäre geschehen, hätte ich statt dieser jene Frau geheiratet?“ oder „Wie wäre mein Leben verlaufen, wenn ich statt diesem jenes Fach studiert hätte?“ lauten, lässt er den, nun ja, Helden seines neuen Buches schlicht am eigenen Vornamen verzweifeln. Doch verzweifeln ist für diesen Autor und seine Art des Schreibens ein zu gewichtiger Begriff, vielmehr sät der in seinen Augen so banale, so nichtssagende Name – Bernard – Zweifel in ihm. Zweifel, dass man es mit diesem Namen eben nicht weit bringen wird. Doch das war nicht immer so, denn Bernard, der recht behütet als Einzelkind bei etwas steifen Eltern aufwuchs, ist mit Nathalie verheiratet, einer Frau, die er ob ihrer Schönheit und vor allem ob ihrer wunderbaren Haare noch immer heftig liebt – doch wann hat er ihr das zuletzt gesagt und gezeigt? Sie haben eine wohl geratene Tochter und Bernard hat es in seiner Bank zu einer respektablen Position und entsprechendem Ansehen gebracht.

Doch wir wissen, was zu Beginn des 21. Jahrhunderts gerade in der Finanzbranche so alles passiert ist; diese Entwicklungen haben auch Frankreich erfasst und Bernards Posten wackelt. Um ihn, den Posten, noch eine Weile halten zu können, muss er ein paar Stufen abwärts auf der Hierarchieleiter klettern, was an seinem Selbstwertgefühl und seinem Konto nagt – vom Kundenberater mit eigenem Büro zum Kassierer, kein ganz einfacher Weg. Das wäre ja noch zu verkraften, wenn sonst alles zum Besten bestellt wäre. Doch nach vielen Ehejahren knirscht es im Bernard-Nathalie-Gebälk, außerdem zieht auch noch die mittlerweile 20-jährige Tochter aus, geht gar nach Brasilien. Schließlich ist der Job vollends weg, Bernards Nerven haben ihn auch noch die Kassierertätigkeit gekostet, und Nathalie eröffnet ihm, es einmal für eine geraume Zeit ohne ihn probieren zu wollen. Fertig ist die Krise. Nach einem kurzen Intermezzo im Hotel muss unser geknickter Held auch aus Geldmangel das tun, was der Buchtitel nahelegt: Er muss zurück auf Los, was bedeutet, zurück zu seinen Eltern. Kaum hat er die Straßenschuhe gegen die Pantoffeln getauscht, fällt er in die Mechanismen des Kindseins zurück. Ein Mann von 50 Jahren ordnet sich sofort unter, erkennt die elterlichen Regeln bei Tisch widerspruchslos an, er regrediert. Bis dahin lässt David Foenkinos seinen Helden ganz schön leiden und bürdet ihm Einiges auf.

Dann allerdings gönnt er ihm einen Ausbruch. Als nämlich seine Eltern einen Verkupplungsabend mit einem ebenfalls alten Paar mit alleinstehender Tochter arrangieren, flippt er regelrecht aus, was ihm und dem Leser richtig gut tut. Und dieser Abend, dieses Ereignis wird zum Wendepunkt. Nein, Foenkinos’ Buch ist kein Ratgeber, auch keine Weisheitenschatulle, er redet nicht davon, das Leben gestalten zu müssen. Trotzdem zeigt er an der Figur seines Bernard, dass es gut ist, nach dem Fallen eine Weile liegen zu bleiben, um möglicherweise eine andere, neue Perspektive auf das Bisherige zu erhalten. Nur: Aufstehen sollte man zu gegebener Zeit eben auch wieder. Und genau das macht Bernard. Auf einmal gibt es wieder Hoffnung, neue Ideen, eine andere Frau.

David Foenkinos ist ein klarer Vertreter der leichten Literatur, doch man sollte nicht den Fehler begehen, ihn in die Kitsch- und Kuschelecke zu schieben, zu den anspruchslosen Wohlfühlbüchern, deren simple Strickmuster allzu leicht durchschaubar sind. Vielmehr findet der auch als Filmemacher arbeitende 40-jährige Autor, der sich als obsessiv bezeichnet und stundenlanges Haareföhnen liebt, einen Mittelweg, auf dem er verschmitzt die Schwere seiner Themen ausbreitet, dabei jedoch nie in depressive Bitternis verfällt, sondern mit der melancholischen Leichtigkeit französischer Kinokomödien besticht. Sprachlich stehen ihm nicht allzu viele Mittel zur Verfügung (oder er hat sie in „Zurück auf Los“ nicht eingesetzt), das Buch ist konventionell erzählt, die griffigen Dialoge sitzen perfekt, die gut beobachteten Phänomene des Alltags zeigen einen klug reflektierenden Schriftsteller. Ein gelungener zeitgenössischer und zeitgemäßer Roman, bei dessen Lektüre Tiefsinniges und Unterhaltung zu ihrem Recht kommen. Très bien.

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David Foenkinos: Zurück auf Los. Roman.
Übersetzt aus dem Französischen von Christian Kolb.
Verlag C.H.Beck, München 2014.
240 Seiten, 16,95 EUR.
ISBN-13: 9783406903946

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