„Bedenkt, mit wem ihr euch zu messen habt“
Shakespeare-Anthologien im Jubiläumsjahr: 1864 und 2014
Von Christa Jansohn
Besprochene Bücher / LiteraturhinweiseEin Schwarm Landläufer, Schelme, Vagabunden,
Bretagner Abschaum, niedre Bauerknechte,
Die ausgespien ihr übersättigt Land
Zu tollen Abenteuern, sicherm Untergang.
1. Deutsche Shakespeare-Anthologien: 1864 und 2014
Bereits zu Lebzeiten William Shakespeares (1564-1616) wurden in England Textauszüge aus seinen Dramen und Gedichten in Anthologien aufgenommen, so etwa in The Passionate Pilgrime (1599, 1612 usw.), Belvedére, or Garden of the Muses (1600, 1610, repr. 1875), Englands Parnassus (1600, repr. 1814, 1867; 1913 ed. Charles Crawford) oder Robert Chesters Loves Martyr, or, Rosalins Complaint (1601, 1611), so dass schon sehr früh durch die selektive Präsentation „das Vergleichbare, das Kategorische“ des Textauszugs im Mittelpunkt stand und nicht etwa „der Autonomieanspruch des einzelnen Werkes, die Komplexität seiner Bedeutsamkeit […]“.[1]
In deutschen Anthologien ab dem 19. Jahrhundert stand dieses auswählende Sammeln ebenfalls im Zentrum der Anthologisten, obgleich diese Blütenlesen und Mustersammlungen häufig und kräftig als „Schmarotzergewächs am Baum unserer Literatur“[2] beschimpft wurden, so etwa besonders von Robert Eduard Prutz (1816-1872), Herausgeber der Zeitschrift Deutsches Museum. Sie verführe, so Prutz, besonders die „(weibliche) Jugend“ und die „Halbgebildeten“ und führe zudem zu falschen Lesegewohnheiten:
Indem das Publikum sich aus diesen Sammlungen gewöhnt, alles nur stückweis, in mundgerechten Bissen zu genießen, verlernt es mehr und mehr, sich größere Dichtwerke mit jenem Ernst und jener geistigen Anstrengung anzueignen, ohne die auch das Schöne der Kunst nicht wahrhaft genossen und empfunden werden kann; das Publikum nascht und nascht so viel, daß es darüber zuletzt den Appetit verliert. […]
Dieser nachtheilige Einfluß, den die Blumenlesen und Mustersammlungen ausüben, wenigstens wo sie in solchem Übermaß verbreitet werden wie jetzt bei uns, erscheint nun aber um so gefährlicher, wenn wir uns erinnern, wer es denn eigenthlich ist, für den diese Sammlungen hauptsächlich veranstaltet werden. Nämlich die heranwachsende Jugend, insbesondere die weibliche, und dann jene Halbgebildeten, die sich absichtlich und aus freiem Antrieb immer nur mit den Flittern der Bildung begnügen und deren Zahl bei uns ebenfalls in wahrhaft erschreckender Weise zunimmt.[3]
Anthologisten und Verlage scheinen sich freilich von dieser und ähnlicher Kritik nicht zu scheuen und so kann man auf eine beträchtliche Anzahl von Shakespeare-Florilegien vom 19. bis in unsere Zeit schauen. Oftmals wollte man mit der bunten Blütenlese den Kern von Shakespeares „Welt- und Lebensanschauung, wie sie in seinen Werken zerstreut liegt, hervorheben“ und gleichzeitig mit dieser „Perlenschnur“ einen „liebe[n] Wegweiser durch das Leben“ bieten, so etwa der Anthologist Alberti in seinem Shakspeare Album. Des Dichters Welt- und Lebensanschauung aus seinen Werken, welches pünktlich zum dreihundertsten Geburtstag des Barden auf dem Markt erschien.[4] Wie die vielen anderen Gelegenheitssammlungen und Gedichte anlässlich dieses Jubiläums stammte auch dieses kleine (10 x14 cm), in feinem grün, mit Goldprägung ausgestatteten Leinenbändchen von einem Dilettanten, nämlich Carl Edmund Robert Alberti (1801-1870), der als Geistlicher, Musikliebhaber und Direktor der höheren Bildungsanstalt für die weibliche Jugend in Marienwerder wirkte. Seine Auswahl diente ausschließlich der ästhetischen sowie religiös und emotional-sittlichen Unterweisung seines Publikums, wie dies auch die neun gewählten Rubriken suggerieren, etwa die zu: „Sittliche Würde“, „Der Staat“, „Die Frauen“, „Shakespeares Patriotismus“ usw. Die Kritik bestätigte ihm gründliche Kenntnis aller Werke Shakespeares sowie einen sicheren Griff für die richtige Auswahl.[5]
Auch die Anthologie des Schriftstellers, Journalisten und Literaturkritikers, Herrmann Marggraff (1809-1864), nimmt ausschließlich die „Lichtstrahlen“ aus Shakespeares Werken auf[6] und vereinigt diese in alphabetischer Reihenfolge unter den unterschiedlichsten Rubriken, die von „Adel“ bis „Zweifel“ reichen. Sie soll dem Publikum als Nachschlagewerk dienen, um „einerseits die umfassende Mannichfaltigkeit des Shakspeare’schen Gedankenschatzes“ zu demonstrieren und andererseits „das Nachschlagen und schnelle Auffinden der Stellen dem Leser möglichst [zu] erleichter[n].“ Marggraffs Anthologie, William Shakspeare als Lehrer der Menschheit, versteht sich so als „Führer auf den verworrenen Wegen des Lebens […], an dessen Hand sicher jeder, der ihn zu Rathe zieht, sicher wird orientieren können.“[7]
Die von W. A. Ahne betreute Sammlung Shakspeare-Blüthen, welche ebenfalls 1864 „als Festgabe zur dreihundertjährigen Gedächtnissfeier des grossen brittischen Dichters“ beim Prager F.A. Credner-Verlag angeboten wurde, setzt wiederum ganz auf eine didaktische Zielsetzung, in dem der Anthologist mit seiner Blüthenlese, „Jung‘ und Alt erquicken“ möchte, während sie gleichzeitig aber auch „der heranwachsenden Jugend zur Belehrung dienen“ möge.[8] Anstößliche Stellen werden daher nicht aufgenommen, „z.B. über die geschlechtliche Neigung, über die Eifersucht, über die Rachsucht .. Flüche, Verwünschungen u.s.w“.[9] Mit diesem leidenschaftlichen Tugenddiskurs steht W. A. Ahne ganz in der Tradition der didaktischen Familien-Anthologien, die sich u. a. dem Horazschen Prinzip des „delectare und prodesse“ verschreiben und so konsequenterweise nicht den ganzen Zitatenschatz nutzbar machen, sondern vielmehr durch zensierte Selektion einen „gereinigten Shakespeare“ für erzieherische Zwecke kreieren. Dazu gehört auch ein ausführlicher Kommentarteil im Anhang, der weitere hilfreiche Informationen anbietet. Diese fromme Textauswahl des aus Teschen (Schlesien) stammenden katholischen Geistlichen entspricht auch Ahnes anderen Werken, wo der Verfasser „nach Art und Weise einer Biene die kernvollen Sentenzen“ fleißig sammelt und ordnet,[10] etwa in seiner Das Familienleben in seiner christlichen Würde und Heiligkeit. Beiträge zur Beförderung häuslicher Glückseligkeit. Für Gebildetere (Prag: Bellmann’s Verlag, 1862), oder Maria, unsere liebe Frau, zu verehren durch würdige und fromme Weih- und Opfergaben. Mit Gebeten der Heiligen zur Verehrung der seligsten Jungfrau Maria. Für Gebildetere (Prag: Nikolaus Lehmann, 1867). Es wäre sicherlich eine lohnende Aufgabe, diese Florilegien einmal vergleichend zu untersuchen und zwar nicht nur in ihrem nationalen Kontext, sondern auch im internationalen.
Dass Jubiläen und Gedenkjahre gute Anlässe bieten, besonders durch Anthologien an diese zu erinnern und so das Ereignis bzw. den Jubilar, seine Werke und Ereignisse in unserem kulturellen Gedächtnis weiter zu festigen, liegt auf der Hand und lässt sich auch für das Jahr 2014 konstatieren. Sie scheinen nach wie vor aus verlegerischer Sicht erfolgsversprechend zu sein, auch wenn der potentielle Käuferkreis – das sogenannte Bildungsbürgertum – stetig schrumpft, wie Horst Lauinger, der Leiter des Manesse-Verlag in einem Interview deutlich macht:
Das Interesse an Klassikern ist nach wie vor gegeben, allerdings merken wir, dass dieses verstärkt durch unmittelbare Anlässe wie Jubiläen oder Neuübersetzungen geweckt werden muss. Die Selbstverständlichkeit, mit der ein bildungsbürgerliches Publikum seinerzeit regelmäßig einen Goethe, einen Fontane, einen Balzac oder auch einen Homer zur Hand genommen hat, ist doch deutlich im Schwinden begriffen. [11]
Dieses Phänomen lässt sich auch an den deutlich rückläufigen Mitgliederzahlen bei literarischen Gesellschaften feststellen, wo nicht nur die globale Finanzkrise als Begründung, sondern vielmehr auch das intellektuelle Desinteresse einer der vielen Gründe für den Rückgang sein dürfte. So hat zum Beispiel die Deutsche Shakespeare-Gesellschaft in den letzten drei Jahren pro Jahr zirka 100 Mitglieder verloren und zählt derzeit lediglich 1.402 Mitglieder (Stand: April 2014), von denen die Shakespeare-Tage nur noch sehr wenige besuchen.
Die Verlage (aber auch die Gesellschaften) müssen demnach versuchen, andere Wege einzuschlagen, um wieder „Lust auf Shakespeare“ zu machen. Chrestomathische, ausschließlich auf moralisch-ethische Unterweisungen abzielende Sammlungen, wie es vornehmlich das 19. Jahrhundert produzierte, weichen nun oftmals heiteren und unterhaltsamen Zitatenschätzen von und über Shakespeare, die meist Amüsant-Kurioses, Witziges und Wissenswertes von der Hoch- bis einschließlich der Populärkultur bieten, nicht nur um den Bedürfnissen der heutigen Spaß-Gesellschaft entgegenzukommen, sondern vielleicht auch die „Generation Hamlet“ – die „ratlosen Kinder der deutschen Einheit“ – ein wenig zum Lachen zu bringen.[12] Dass dieses Ziel offenbar auch verfehlt werden kann, hat Frank Müller am Beispiel der von Dietrich Klose herausgegebenen Reclam-Anthologie Habt ihr auch Schnupftücher genug bei euch? Shakespeare zum Vergnügen (Stuttgart: Philipp Reclam Verlag, 2000) gezeigt:
Sicherlich ist es ein lohnenswertes Unterfangen, hinter der Maske des der menschlichen Normalität fast entrückten Klassikers den leichtfüßigen Shakespeare wieder zu entdecken. Weniger plausibel mutet jedoch an, dass der Herausgeber in einer Art vorauseilendem Gehorsam ausschließlich Texte ausgewählt haben will, in denen der englische Dichter als Frohnatur und Schöpfer burlesker Bühnenstücke vernehmbar wird: „Shakespeare ‚zum Vergnügen‘ der Titel dieser kleinen Anthologie ist […] fast tautologisch.[13]
Wesentlich breiter ist Katrin Fischers 2014 im selben Verlag erschienenes zweisprachiges, vierhundert Seiten umfangreiches Reclams Lexikon der Shakespeare-Zitate angelegt. Hier finden sich in alphabetischer Reihenfolge unter zirka 400 Stichworten (von „Abschied“ bis „Zwietracht“) zirka 2000 Zitate aus allen Dramen Shakespeares (nicht aber den Gedichten) im Original und in der Schlegel-Tieckschen Übersetzung. Mit dieser Sammlung ist Fischers Wunsch verbunden, „die Lust zum Weiterlesen [zu] wecken und den Leser [zu] ermuntern, den ein oder anderen Originaltext zur Hand zu nehmen und das jeweilige Zitat zu seinen Wurzeln zurückzuverfolgen.“ („Vorwort“, S. 7). Hierfür wäre es freilich sinnvoll gewesen, die genauen Stellenangaben mitzuliefern und nicht nur die Akt- und Szenenangabe des Dramas.
Ähnlich wie Fischers Lexikon der Shakespeare-Zitate ist auch die handliche Anthologie von Frank Günthers Shakespeares WortSchätze (München: DTV, 2014) konzipiert, die man aufgrund ihrer Größe (10 x 15 cm) bequem als treuen Begleiter mitführen kann. Sein Zitaten-Kaleidoskop ist freilich keineswegs das Resultat eines emsigen Jäger- und Sammlers, und auch keine „Fundgrube für sinnige Poesie-alben-Einträge“; vielmehr möchte die zweisprachige Sammlung „mehr von William Shakespeare und seiner besonderen Dichtergabe vermitteln“ [14] und zum „Entdecken und Genießen“– so der Klappentext – einladen. Dies gelingt dem preisgekrönten Übersetzer vorzüglich, wozu auch seine eigene virtuose und stets wortgewandte deutsche Version, welche auf der recto-Seite dem Original gegenübergestellt ist, beiträgt. So wurde dieses wohlfeile Bändchen – es kostet lediglich 9.90 € (das Reclam Lexikon 9.80 €) – von den Medien als richtige „‚Einstiegsdroge‘ ins Shakespeare-Jahr“ euphorisch gefeiert, denn Frank Günther plündere „auf lustvolle Weise Shakespeares Dramen und Sonette“ und stelle
eine amüsante und zugleich zutiefst nachdenkliche Zitaten-Collage zusammen, die nicht nur Edles, Erhabenes und Poetisches versammelt, sondern auch Boshaftes und Zotiges, Politisches und Philosophisches. Günther ordnet seine Shakespeare-Fundstücke ebenfalls nach bestimmten Themen – Liebe, Theater, Tod und Trauer, Mord und Blut, Recht und Gesetz, Träume und Alpträume. Die eigenwillige Kette aus Versatzstücken und Assoziationen lässt im Kopf des Lesers ein neues und noch unausgegorenes Shakespeare-Stück entstehen.[15]
Dieser Dialog der Texte schafft es zudem, das wissbegierige Publikum zur intensiveren Lektüre einzelner Werk zu motivieren, entweder im Original oder in Günthers eigener Übersetzung. Somit ist dieses schmucke rote Leinenbändchen quasi auch hervorragende Werbung für dessen eigene deutsche Übertragung, die ursprünglich vom DTV-Verlag initiiert, dann aber vom kleinen ars vivendi-Verlag im mittelfränkischen Cadolzburg übernommen wurde und zum nächsten Jubiläumsjahr 2016, dem 400sten Todesjahr Shakespeares, vollständig (inklusive der Sonette und der beiden epischen Gedichte „Venus and Adonis“ und „Rape of Lucrece“ ) in 39 hochwertigen, fadengehefteten Leinenbänden vorliegen wird, von denen Ende 2014 bereits 34 erhältlich waren. [16]
Dass der ars vivendi-Verlag mit Günthers Übersetzungen besonders bekannter Shakespeare-Passagen und Zitate überaus kreativ und originell den Barden zu vermarkten weiß, zeigt ferner dessen breite Palette an originellen Geschenkideen, die von roten Julia- und blauen Romeo-Frühstückbrettchen sowie entsprechenden Trinkbechern mit dem passenden Zitat „Es war die Nachtigall und nicht die Lerche …“ , einem Jahreskalender, einem Memory- und Quiz-Spiel bis hin zu Klappkarten und Shakespeare-Zitaten in einer Dose reichen. In dieser stabilen Pappdose (10,3 x 8 cm) befinden sich unter einem Metalldeckel auf blauen, 16 x 8 cm sorgsam zusammengeklebten Schriftrollen Sonett 18 und weitere 19 längere Zitate aus den in Deutschland besonders beliebten Dramen, nämlich Hamlet, Macbeth, Romeo und Julia, und von den Komödien Ein Sommernachtstraum, Komödie der Irrungen, Maß für Maß, Der Sturm, Viel Lärm um Nichts, Was Ihr Wollt und Wie Es Euch Gefällt. Es versteht sich fast von selbst, dass als Textgrundlage wieder Frank Günthers Fassung genommen wurde und dass dieser auch redaktionell an diesen non-books mitarbeitete.
Auch wenn hier Shakespeare-Zitate geschickt als Werbeträger benutzt werden, wird es vermutlich aufgrund des nachlassenden Interesses an klassischem Bildungsgut immer schwieriger werden, für Shakespeare-Anthologien, aber auch für Shakespeare-Ausgaben einen gewinnbringenden Absatz zu erzielen. Diese Entwicklung hängt u. a. mit dem Wandel des schulischen und universitären Lektürekanons zusammen, der sich vielerorts seit längerem auf andere oft nicht-literarische Themen konzentriert und den Klassikern nur noch eine Nischenexistenz gewährt. Erstaunlicherweise kümmern sich sowohl die Filmindustrie wie auch die Theater derzeit mehr um die Stücke Shakespeares als die klassischen Ausbildungsstätten, wobei freilich auch auf der Leinwand und den Bühnen eine deutliche Fokussierung auf nur wenige Dramen und Gedichte Shakespeares festzustellen ist, ein Phänomen, das auch der englische Lyriker Ted Hughes (1930-1998) bei seinen Bekannten feststellte: So schreibt er am 10. April 1992 an den Times-Journalisten Derwent May:
How many of Shakespeare’s plays have you read? How many more than once? Have you ever read the two long poems? Just try it sneakily and casually. Among ordinary folk, who tell you more or less the truth, I have yet to find anybody – other than English Professors and Peter Redgrove – who have read more than twelve more than twice. The average – read even once – I find to be eight. (I’ve been popping the question now and again for years. I know lots of my friends are not very literate, but I ask writers too). Sylvia Plath had read six.[17]
Besonders die Sammlungen von Frank Günther und Kathrin Fischer zeigen aber auch, dass gerade mit einer Anthologie die Möglichkeit besonders gut genutzt werden kann, aus dem Gesamtwerk eines Dichters zu schöpfen und Bekanntes sowie weniger Bekanntes gleichwertig nebeneinander wirken zu lassen und so Shakespeares Oeuvre zumindest fragmentarisch in unserem kulturellen Gedächtnis wachzuhalten. Freilich funktioniert eine Anthologie als Kanonisierungsmedium nur, wenn ein wohlüberlegtes Selektions- und Ordnungsprinzip verfolgt wird und beim Publikum nicht der Eindruck des Zufälligen entsteht.
2. Anthologien über Shakespeare und seine Werke
Bei einer anderen Variante der Shakespeare-Anthologie – nämlich der Sammlung von Texten und Textauszügen über Shakespeare und seine Werke – sollte die Legitimation dieser Auswahl sicherlich noch transparenter als die bunte Blütenlese shakespearescher Zitate sein, zumal gerade diese Sammlungen oft zeitlich, politisch und kulturell eng an bestimmte Epochen, Ereignisse und Persönlichkeiten geknüpft sind und dem Lesepublikum eine Kontextualisierung dieser Texte noch schwerer fallen wird als die Einordnung eines Shakespeare-Zitates, welches es freilich mithilfe der Angaben recht schnell nachlesen könnte. Zudem sollte sich bei diesen Anthologien nicht der Eindruck des Zufälligen einschleichen und auch nicht der der „Cliquenwirtschaft“, wo „einer […] den anderen in eine Anthologie hinein[schaukelt]“ und die Sammlung dadurch ihren repräsentativen Charakter einbüßt.[18]
Oft sind diese Anthologien anlässlich diverser Shakespeare-Jubiläen entstanden und weisen einen entsprechenden panegyrischen Charakter auf, der oftmals bereits im Titel zum Ausdruck gebracht wird, wie dies zum Beispiel die 345-seitige, chronologisch angelegte Sammlung The Praise of Shakespeare. An English Anthology. Compiled by C.E. Hughes with a Preface by Sidney Lee (London: Methuen, 1904) suggeriert, die mit Frances Meres’ bekannter Passage aus Palladis Tamia (1596) beginnt und einem anonymen Gedicht „To my very good Friend, Mr. William Shakespeare“ (S. 329) endet, wo der Dichter – offensichtlich der Herausgeber selbst – noch einmal seine starke emotionale Bindung zum Barden hervorhebt.
Bereits im 19. Jahrhundert sind diese Anthologien recht diverser Natur und richten sich oft auch an verschiedene Leserkreise (z. B. speziell an Kinder). Sie konzentrieren sich teils ganz auf die Rezeption Shakespeares und seine Werke oder sind reine Zitatenschätze aus Shakespeares Oeuvre bzw. bilden eine Mischform, also mit Zitaten aus seinen Werken bzw. über sie oder über den Dichterfürsten selbst. Darüber hinaus werden Auszüge aus Shakespeares Werken gerne auch in Überblicksanthologien oder speziellen Lyrikanthologien verwendet. So werden die Sonette oft und gerne berücksichtigt, zuerst in veränderter Form in John Bensons Poems: Written by Wil. Shaks-peare. Gent. (Printed at London by The. Cotes […] 1640).[19] Nachdem diese textlich und konzeptionell recht fragwürdige Sammlung bis ins 18. Jahrhundert die Standard-Ausgabe war, konnten Anfang des 19. Jahrhunderts die Leser eine recht üppige Auswahl an Sonetten Shakespeares und anderer englischer Dichter in zahlreichen Sammlungen genießen, etwa in William Hazlitts Select Poets of Great Britain (1825), der mit der Aufnahme von 37 Shakespeare-Sonetten einen deutlichen Wandel in ihrer Rezeption einleitete, die sich bis in unser Jahrhundert äußerst lebendig fortsetzt,[20] wie die von Friedhelm Kemp und Werner von Koppenfels betreute zweisprachige Sammlung Englische Dichtung: Von Chaucer bis Milton belegt, die neben kurzen Ausschnitten aus Shakespeares Venus und Adonis sowieaus einigen Dramen insgesamt 22 Sonette auswählt, und zwar in der Übersetzung von Dorothea Tieck, Stefan George, Lion Feuchtwanger, Paul Celan, Hanno Helbling und Christa Schuenke.[21]
So unterschiedlich die bisher kurz vorgestellten Sammlungen aus dem 19. Jahrhundert in ihrer Konzeption und der Zielgruppe auch sein mögen, so lässt sich dennoch ein gemeinsamer Nenner herausstellen, den Anne Christine Isherwood am Beispiel ihrer detaillierten Analyse zahlreicher Anthologien prägnant zusammenfasst: „Whatever their aims, most anthologies shared the belief that whatever the topic Shakespeare had the last word on it.“[22] Freilich bestimmt die Zielsetzung einer Anthologie auch die Auswahl der Texte, die wiederum – wie bereits erwähnt – durch den „Zeitgeist“, die kulturellen und politischen Umstände, aber auch durch sehr persönliche Beweggründe eines Dichters, Denkers und Sammlers geleitet werden. Das Resultat einer jeden Anthologie reflektiert aber auch den Wissensstand des Anthologisten, verrät seine persönlichen Neigungen bzw. Abneigungen und schließlich geben sie uns Auskunft über verlegerische Strategien, wie dies auch die beiden Sammlungen an und über Shakespeare für das Jubiläumsjahr 2014 indizieren: Während die eine aus dem Hause Philipp Reclam für den wohlfeilen Preis von 4.80 € mehr für den schulischen und universitären Unterricht konzipiert ist, richtet sich die andere, vom Manesse-Verlag betreute Jubiläumsausgabe schon allein wegen ihres Preises – sie kostet 24.25 € –, ihrer bibliophilen Ausstattung und Konzeption vermutlich mehr an Vertreter/innen des „Bildungsbürgertums“.
In dem knapp 150-seitigen Bändchen Shakespeare for Fun aus der roten Reihe „Reclam Fremdsprachentexte“ gelingt es Andrew Williamsinnerhalb der folgenden sehr gut ausgewählten Rubriken kurze Ausschnitte und Illustrationen aus verschiedenen englischen Werken (von Ben Crystal, Stephen Fry and Hugh Laurie bis hin zu James Thurber) mit den üblichen Sach- und Vokabelhilfen zu versammeln. Der Leser begegnet kurzen Texten zu den „Myths about Shakespeareʼs Life“, „Shakespeare’s True Nationality“, „Shakespeare’s Words“, „Insulting with Shakespeare“, „Cooking with Shakespeare“, „Shakespeare in Advertising“, und schließlich einer Anleitung „How to Draw Shakespeare“, eine kecke und originelle Anspielung auf verschiedene, oftmals falsch zugeschriebene Shakespeare-Porträts (S. 138-139).
Vom Aufwand bedeutungsvoller ist die von Tobias Döring beim Manesse-Verlag publizierte Jubiläumsanthologie „Wie er uns gefällt“. Gedichte an und auf William Shakespeare. Mit dieser 336-seitigen Ausgabe – fadengeheftet, in hellgrünem Leinen mit Folienprägung, rosa Lesebändchen sowie zweifarbigem Innenteil und hochwertigem, alterungsbeständigem Papier – möchte man gleich mehrere Anniversarien zwischen 2014 und 2016 feiern, und zwar für das Jahr 2014 den 70. Geburtstag des 1944 in Zürich gegründeten Manesse-Verlags, den 150. Jahrestag der in Weimar im April 1864 anlässlich des 300. Geburtstags Wilhelm Shakespeares gegründeten Deutschen Shakespeare-Gesellschaft und schließlich den 450. Geburtstag William Shakespeares. Darüber hinaus wird auch schon der 400. Todestag William Shakespeares am 23. April 2016 aufgeführt, was zu der Vermutung Anlass gibt, dass der Verlag für das nächste Shakespeare-Gedenkjahr kein ähnlich groß angelegtes Projekt in der Planung hat und die vorliegende Anthologie offensichtlich als „Longseller“ gedacht ist.
Es wäre freilich mehr als wünschenswert – wenn nicht sogar notwendig –, bei weiteren Auflagen von dem „Porträt mit allegorischer Umrahmung“ (Stahlstich, 19. Jahrhundert) nach „zeitgenössischem Bildnis“[23] auf dem Cover Abstand zu nehmen. Bei dieser 1588 geschaffenen Porträtminiatur des bekannten englischen Künstlers Nicholas Hilliard (1547-1619) handelt es sich nämlich keinesfalls – wie die Buchdecke suggeriert – um William Shakespeare, so wie Leslie Hodson vor fast vierzig Jahren in seiner seit langem nicht mehr von der Forschung akzeptierten Studie Shakespeare by Hilliard: A Portrait Deciphered (London: Chatto & Windus, 1977) spekulierte. Seitdem wurden immer wieder Kandidaten genannt, wobei heute Lord Thomas Howard (1511-1537) vor allem durch die Studien von Roy Strong als wahrscheinlichste Möglichkeit akzeptiert wird, während die Identifizierung des Jünglings mit Edward de Vere, 17. Earl of Oxford, nur in bestimmten Kreisen auf Zuspruch stößt,[24] gegen die Tobias Döring, von 2011 bis 23. April 2014 Präsident der Deutschen Shakespeare-Gesellschaft und Herausgeber der vorliegenden Anthologie, mehrfach ebenso beherzt wie eloquent opponiert hat.[25] Ob Shakespeare an diesem peinlichen Fauxpas Freude gehabt hätte, mögen diejenigen entscheiden, die diesem Missgeschick vermutlich mit Genugtuung begegnen. Wenden wir uns lieber dem Buch zu, so wie es einst Ben Jonson in seinem Gedicht „To the Reader“ in Shakespeares Gesamtausgabe, der First Folio (1623), formulierte: „Reader, looke / Not on his picture, but his Booke.“
Die Ausgabe Wie er uns Gefällt. Gedichte an und auf William Shakespeare ist zweisprachig konzipiert, wobei die knapp 30 Übersetzer/innen,[26] die teilweise sogar neue Versionen beisteuerten, sehr stiefmütterlich behandelt werden. So fehlen ein Übersetzerregister sowie jegliche biographische Angaben. Ob in einer mehrsprachigen Anthologie von immerhin zehn Sprachen ebenfalls die Originale mitgeliefert werden müssen, sollte eventuell noch einmal überlegt werden. Ihr Nutzen scheint mir im vorliegenden Fall eher gering zu sein, die drucktechnische Gestaltung weniger gelungen. So werden die Originale aus Platzgründen als Fließtext am Ende einer jeden Seite abgedruckt, wobei das Zeilenende durch einen Spiegelstrich, das Strophenende mit einem doppelten Spiegelstrich gekennzeichnet ist. Die allzu kleine Schriftgröße und blassgrüne Farbe laden kaum zur Lektüre bzw. zum Vergleich mit dem Original ein. Zudem wirkt das Layout sehr unruhig, vor allem wenn sich auf der gegenüberliegenden Seite nur deutsche Gedichte befinden. Wichtiger als diese Äußerlichkeiten ist die Tatsache, dass durch diese Übersetzungen Einblicke in fremde Kulturen gewährt werden, die mangels Sprachkenntnisse ansonsten unmöglich wären. Selbstlos werden so für uns Türen geöffnet, wovon freilich auch der Dichter und sein Werk profitieren, oder wie die renommierte Übersetzerin, Christa Schuenke, formuliert:
Übersetzer sind Sprachkünstler von eigenem Rang, ohne deren Neuerschaffungsarbeit das Werk, ob seichter Schmachtfetzen oder sogenannte Höhenkammliteratur, die Grenze der eigenen Nationalliteratur nicht überschreiten und kein globales Kultur- oder Bildungsgut werden kann. Wir Übersetzer sind Urheber von Übersetzungen, aber wir sind noch viel mehr: Wir sind die Urheber der Weltliteratur.[27]
Obgleich diese ästhetisch sehr ansprechende Anthologie auch als Festgabe für das 150-jährige Bestehen der Deutschen Shakespeare-Gesellschaft konzipiert war,[28] erhielt sie aus Weimar keine Gelder, und die Sammlung konnte nur durch „großzügige finanzielle Unterstützung des Centre for Advanced Studies sowie der LMU München“[29] realisiert werden. Dieses aus der Exzellenzinitiative hervorgegangene Zentrum offeriert ihren Mitgliedern „Anregung und Unterstützung für die Durchführung innovativer Kooperationsprojekte“; es vermittelt den „Charakter als Volluniversität, als einer alle Fächer verbindenden ‚Universitas‘“. Ob freilich die Zusammenstellung einer Anthologie unter „innovative Projekte“ zu zählen ist, mag jeder selbst entscheiden, lobenswert ist sicherlich, dass durch solche Projekte Einblicke in die Elfenbeintürme der Wissenschaft gewährt werden und auch der „Normalbürger“ erkennen und einschätzen kann, wofür die zusätzlichen finanziellen Ressourcen genutzt werden. Das Logo des Zentrums, der „Wissensbaum“, passt zudem sehr hübsch zu dem Florilegium an und auf Shakespeare, denn ähnlich wie eine Anthologie die Gemeinschaft verschiedener Dichter und Denker repräsentiert, so soll der Baum die Universitas versinnbildlichen,[30] denn er habe „in der abendländischen Ikonographie eine beherrschende Figur, und seine Form erlaubt es, die unterschiedlichsten Arten von zeitlichen oder kausalen Zusammenhängen bildhaft darzustellen. ‚Abstammungsbäume ordneten die Weltʼ, so schreibt der Kulturhistoriker Thomas Macho, ‚indem sie ihr einerseits ein temporales Rückgrat verliehen, andererseits die Gattungen und Arten des Seins hierarchisch zu differenzieren versuchten.ʼ“ [31]
Eine Ordnung ganz anderer Art nimmt indes der Herausgeber von „Wie er uns gefällt“. Gedichte an und auf William Shakespeare vor. Mit dieser Anthologie – so der Klappentext – will er über „alle Epochen und Kulturkreise hinweg eine vielstimmige Wechselrede mit dem ‚Stern der schönsten Höhe‘ (Goethe)“ kreieren; sie stelle „so etwas wie den Speiseplan der langen und verzweigten kulturellen Nahrungskette, die Shakespeares Werk weltweit verwertet [dar], ein reiches Festmahl für sein großes Jubiläum, das längst kein Ende zu erkennen gibt, ein mächtiger Metabolismus, der noch auf absehbare Zeit Wirkstoffe der Weltliteratur umsetzt.“ (S. 293) Dass an diesem Speiseplan „maßgeblich die Lyriker beteiligt“ seien, da „ihr Medium doch seit Langem eine Bühne [stellt], um Shakespeares Werke und Figuren zu vergegenwärtigen“ (S. 290), stimmt in dieser Form freilich nicht, wenn man z. B. an die Shakespeare-Rezeption in China denkt, wo der Barde in Gedichten nicht nachwirkt. Der fehlende Bezug auf einen toten Dichter ist aber auch mit Blick auf die ältere chinesische Literaturgeschichte nicht ungewöhnlich und so gibt es offensichtlich auch keine bedeutenden Gedichte auf chinesische Dichterkollegen bzw. auf deren Figuren. Lediglich in der 1916 publizierten Anthologie A Book of Homage to Shakespeare, welche die erste internationale Anthologie zu Kriegszeiten war, gibt es neben einer Großzahl panegyrischer Texte auch eine Reihe von Werken zu und über Shakespeare, darunter auch ein kurzes, mittelmäßiges Auftragsgedicht „Chinese Homage“ von Liu Po Tuan.[32]
Dörings These von der singulären Bedeutung der Lyrik für das Nachleben trifft aber auch für andere Kulturkreise nur mit Einschränkungen zu, wie dies diverse andere Anthologien bestätigen, die verschiedene Textsorten berücksichtigen, etwa die kleine Sammlung In Possession of Shakespeare. Writing into Nothing,[33]John Grossʼ Sammlung, After Shakespeare. Writing Inspired by the World’s Greatest Author (New York: Oxford University Press, 2002) oder James Shapiros Shakespeare in America: An Anthology from the Revolution to Now mit einem Vorwort von Bill Clinton und über 71 Texten aus den Jahren 1776 bis 2004, darunter zahlreiche Prosatexte und einige Gedichte.[34] Weitere aktuelle Beispiele wie diese amerikanische Ausgabe zum Jubiläumsjahr liefert das vom British Council in Berlin organisierte Literaturseminar zum Thema „Shakespeare – Our Contemporary?“, welches vom 30. Januar bis 1. Februar 2014 anlässlich des 450. Geburtstags von Shakespeare mit britischen Autoren und Autorinnen (Naomi Alderman, A. S. Byatt, Howard Jacobson, Tom McCarthy, Alice Oswald, Mark Ravenhill und Polly Stenham) über Shakespeares Nachleben in der englischen Gegenwartsliteratur reflektierte. Besonders persönlich äußerte sich zum Beispiel A. S. Byatt, die in ihrem Romanen vielfach auf Shakespeare und seine Werke anspielt (z. B. in The Virgin in the Garden), und deren Äußerungen ebenso interessant und wichtig sind wie in Form gegossene Lyrik. So sagt Byatt in einem Interview:
Ich möchte bei Shakespeare nicht an die Person denken, ich bin nicht an ihm als Person interessiert, sondern als Autor. Mich interessiert das, was er geschrieben hat.
Und es gibt auch durchaus Stücke von ihm, die ich als ärgerlich empfinde, wo mich etwas stört, Passagen in Stücken, die ich nicht mag. Ich werde über das „Wintermärchen“ sprechen, ich finde zum Beispiel, dass der Erzählbogen dieser Geschichte oft mehr als ärgerlich ist, dass das gar nicht kongruent ist, und das werde ich auch erwähnen. Ich muss sagen, dass die Lehre über Shakespeare oft sehr ermüdend ist. Die Freude, die ich als Kind hatte, allein den Text zu entdecken, ich denke, die könnte dadurch verloren gehen, weil er jetzt in diesen Studien oft endlos auseinandergenommen wird, jedes einzelne Teilchen wird betrachtet und einzeln untersucht. Und das große Ganze droht dabei verlorenzugehen. Wenn ich zum Beispiel die „Times“ sehe in ihrer Literaturbeilage, eine ganze Seite von Artikeln über Shakespeares Bücher, das ist irgendwie traurig. Er ist für mich nicht da. Das ist vielleicht übertrieben, es gibt auch viele großartige Texte darüber, aber so sehe ich das.[35]
Auch Theaterschaffende, Musiker, Komponisten u. v. m. werden durch dieses Auswahlprinzip exkludiert,[36] obgleich sie mit ihren oft provokanten Äußerungen eine wohltuende Alternative zum Lobpreis auf „Shakespeare, wie er uns gefällt: Fixstern am Dichterhimmel – Weltenschöpfer und Provokateur – ewiger Zeitgenosse!“ (so der Klappentext der Manesse-Anthologie) darstellen. So bekannte sich erst kürzlich der junge Autor und Theaterregisseur Nis-Momme Stockmann (geb. 1981) in der Dezembernummer der Zeitschrift Die deutsche Bühne offen zu seiner Abneigung gegen den Dichter und sein Werk:
Ich finde Shakespeare scheiße, weil er mir nichts sagt, und er sagt mir nichts, weil ich ihn nicht verstehe. […] Was mich zudem an dieser Shakespeare-Sache gründlich nervt: dieser Anspruch, eine hohe Meinung zu Dingen haben zu müssen, über deren Wichtigkeit es einen Konsens gibt, weil sie im Grunde erhaben sind – Goethe, Mauerfall, Weltmeisterschaft 1954, das dämonische Innere des Josef Fritzl. Egal ob Leitkultur oder Subkultur. Links oder rechts, alt oder jung – da stimmen alle mit ein.[37]
Durch die ausschließliche Konzentration auf die lyrische Spezies werden in Dörings Florilegium freilich die Artenvielfalt und damit die Variabilität stark eingeschränkt. Das weiß auch der Herausgeber, dennoch klingen seine Ausführungen im Nachwort unnötig großspurig:
In zwölf Dutzend Spielarten zeigt unser weltpoetisches Kabinett, welchen Reim sich Lyriker auf Shakespeare und sein Werk gemacht haben – in vier Jahrhunderten, zehn Sprachen und mehr als zwanzig Ländern. Weit entfernt vom Anspruch auf Repräsentativität oder gar Vollständigkeit, will unsere Sammlung einen möglichst vielstimmigen und vielgestaltigen Eindruck davon vermitteln, wie das Bühnenwerk in Gedichten aufgegriffen, verwandelt, neu akzentuiert, fort- und umgeschrieben worden ist.[38]
In der Tat werden 22 Länder berücksichtigt, aber schon ein statistischer Überblick, der die Anzahl der Gedichte nach Ländern auflistet, [39] zeigt, dass Dörings „weltpoetisches Kabinett“ keine Prädikatsauszeichnung verdient, wenngleich es den ein oder anderen wertvollen Smaragd bietet. Die Anzahl der Gedichte auf die einzelnen 22 Länder ist wie folgt:
1. Deutschland: 69
2. Großbritannien: 21
3. Österreich: 13
4. Frankreich: 11
5. Russland: 6
6. Schweiz: 3
7. Finnland: 2
8. Guyana: 2
9. Italien: 2
10. Sierra Leone: 2
11. Irland: 1
12. Japan: 1
13. Kanada: 1
14. Nigeria: 1
15. Norwegen: 1
16. Polen: 1
17. Schweden: 1
18. Simbabwe: 1
19. Spanien: 1
20. St. Lucia 1
21. Tschechien: 1
22. Uganda: 1
Will man dem Publikum mit einer Anthologie tatsächlich eine „kultur- und epochenübergreifende Vielfalt“ bieten – so eine weitere Phrase Dörings (S. 323) –, so müsste die Artenvielfalt viel nachhaltiger gepflegt und weitergegeben werden als in dieser Jubiläumsausgabe, in der die Hälfte der Länder nur mit einem Gedicht vertreten ist und dieses – bis auf das kanadische – ausschließlich aus der Feder eines Mannes stammt. Schmerzlich vermisst man Gedichte aus den USA, Australien, Indien, aber auch viele Dichter/innen aus den europäischen Nachbarländern sind nicht vertreten, etwa aus den Niederlanden Hugo Claus mit seinen kreativen Sonettverarbeitungen oder Werke aus Ungarn, wo man sich ab 1770/80 ebenso intensiv mit Shakespeare auseinandersetzte wie die Deutschen und sogar vor Gründung der Deutschen Shakespeare-Gesellschaft am 27. September 1860 eine eigene Gesellschaft etablierte, die allerdings nicht von Dauer war.[40] Ebenfalls wurde schon sehr früh der Dichter und sein Werk in eigenen literarischen Werken verarbeitet, so dass man aus dem reichhaltigen Fundus für die vorliegende Anthologie leicht etwas passendes hätte finden können, etwa aus dem 1968 veröffentlichten Erstlingswerk Töredék Hamletnek (Fragment für Hamlet) des renommierten Lyrikers Dezső Tandori (geb. 1938 in Budapest) oder aus den lyrischen Werken von László Kálnoky, István Kormos oder des Shakespeare-Forschers István Géher bzw. bei Ádám Nádasdy, Dániel Varró oder György Somlyós, der ein hervorragendes Sonett auf Shakespeare verfasste. Ebenso könnte man aus einer ähnlich großen Auswahl bulgarischer Gedichte schöpfen: In Frage kämen zum Beispiel das Gedicht von Ivan Tsanev (geb. 1941) „Almost an Epitaph“ oder „Hamlet XX“ von Stefan Tsanev (geb. 1936) , „Lady Macbeth” von Marko Ganchev (geb. 1932) und ein weiteres Hamlet-Gedicht von Miryana Basheva (geb. 1947).
Aber auch populäre Texte sind in der Manesse-Anthologie nicht vertreten, wenngleich der Herausgeber richtig konstatiert:
Shakespeares Erbe widersetzt sich jeder Einteilung in Hochkultur und Populärkultur, jedem Urteil, das Kunst im Unterschied zu Unterhaltung und Kommerz versteht – seit jeher lebt es von der Überschreitung solcher Gegensätze und von der kreativen Spannung, die sich einstellt, wenn gänzlich Unterschiedliches ins Spiel kommt. (S. 298-290)
Bedauerlicherweise wird die einmalige Chance verpasst, den Worten auch Taten folgen zu lassen und Texte aufzunehmen, die man nicht unbedingt mit der Hochkultur in Verbindung bringt. Denkbar wäre eine stärkere Berücksichtigung der Pop-Musik gewesen,[41] wo nicht nur die amerikanische bzw. englische Szene (Bob Dylan usw.), sondern auch die deutsche einige Texte bietet, etwa den „Hamlet Song“ der Kölner Gruppe „Wise Boys“, die mit diesem und den anderen Liedern auf der CD „Klassenfahrt“ (2009), „positive Aspekte einer Klassenfahrt – Ungezwungenheit, Spaß, Lebensfreude, Ausbruch aus dem Alltag – auch bei den Zuschauern in unseren Konzerten erzeugen“ wollten, „perfekt für jede Form von Aufbruch“.[42] Hier die ersten Strophen des Songs „Hamlet“:
Hamlet ist zum Studium in Wittenberg,
da vollzieht sein Onkel hier sein böses Teufelswerk:
Vergiftet Hamlets Vater – böse, aber schlau – und nimmt sich Hamlets
Mutter, die Königin, zur Frau.
Hamlet kommt nach Hause – das ganze Land weint.
Man munkelt, dass am Hofe nachts ein Geist erscheint.
Der Geist ist Hamlets Vater. Der sagt: „Ich muss dich sprechen.
Dein Onkel hat mich umgebracht. Kannst du mich mal rächen?“
Der Fall ist klar: Der Geist will Rache.
Doch dem armen Hamlet ist nicht wohl bei der Sache.
Er windet sich und zögert. Der sitzt in der Patsche.
Deshalb tut er so, als hätt er einen an der Klatsche.
Dieser Plan hat vor allem diesen einen Sinn:
Hamlet will ganz einfach etwas Zeit gewinn’n.
Bald schon tappen Freund und Feind in seine Falle:
Der ganze Hof sagt: „Hamlet hat sie nicht mehr alle!“
Ein weiteres Charakteristikum der Auswahl ist die auffällige Unterrepräsentation von Lyrikerinnen, wo von den insgesamt 143 (nicht 144) Gedichten lediglich 19 von Frauen stammen, die restlichen 124 von Männern, die oft mehrfach vertreten sind, etwa Theodor Fontane mit vier Gedichten. Dieses Ungleichgewicht wird zumindest bei der Wahl der zehn eigens für den Band angeforderten Originalbeiträge deutschsprachiger Lyriker/innen wieder gut gemacht und so stammen jeweils fünf Gedichte von Frauen, nämlich von Nora Bossong (geb. 1982), Ulrike Draesner (geb. 1962), Ursula Krechel (geb. 1947), Friederike Mayröcker (geb. 1924 in Wien), Marion Poschmann (geb. 1969) und fünf von Männern, und zwar von Mirko Bonné (geb. 1965), Heinrich Detering (geb. 1959), Durs Grünbein (geb. 1962), Alexander Nitzberg (geb. 1969 in Moskau), Albert Ostermaier (geb. 1967). Weitere Informationen – etwa zum Auswahlkriterium, zu eventuellen Vorgaben oder Wünschen des Anthologisten an die Dichterkollegen und Kolleginnen usw. – werden dem Lesepublikum vorenthalten; es muss sich hier mit den Angaben auf dem Klappentext zufrieden geben: „Zehn Exklusivgedichte renommierter deutschsprachiger Lyrikerinnen und Lyriker zeigen eindrucksvoll Rang und Geltung Shakespeares für unsere Gegenwart.“ Wie schnell dabei die „Exklusivität“ im digitalen Zeitalter verblassen kann, sieht man an Mirko Bonnés Gedicht „Parkplatzkönig“, das seit dem 28. März 2013 unter http://der-goldene-fisch.de/ping/archives/5830 abrufbar ist und damals eine recht aktuelle Verarbeitung des am 25. August 2012 unter einem Parkplatz im Leicester gefundenen Grabes des einst verschollenen Königs Richards III. war. Überhaupt ist das Internet eine wahre Fundgrube für Shakespeare-Gedichte und so konnten zirka 61 % der deutschsprachigen Gedichte (außer den anderen Originalbeiträgen) und zirka 70 % der fremdsprachigen Werke der Manesse-Anthologie rasch durch die üblichen Suchmaschinen gefunden werden.
Umso irritierender ist es, dass eine auf Diversität abzielende Sammlung weit mehr als die Hälfte der Gedichte aus dem deutschsprachigen Raum rekurriert. So stammen insgesamt 85 Gedichte aus Deutschland, Österreich und der Schweiz, wobei die 69 Texte aus Deutschland von insgesamt zehn Dichterinnen und 44 Dichtern wie ein Fixstern am Dichterhimmel leuchten. Hierbei wurde eine möglichst gleichmäßige Verteilung auf alle Epochen ebenso angestrebt wie ein deutlicher Focus auf der deutschsprachigen Gegenwartslyrik, die mit 16 Dichtern und Dichterinnen und 22 Gedichten vor allem im Vergleich zur ausländischen Literatur direkt ins Auge springt. Weit abgeschlagen im Halbdunklen folgt das Geburtsland des Barden mit 21 Gedichten von je einer Dichterin (Elizabeth Jennings) und achtzehn Dichtern, gefolgt von Österreich und Frankreich mit je dreizehn und elf Werken. Die restlichen Länder sind kaum der Erwähnung wert; sie reflektieren vor allem das lebendige Interesse des Herausgebers an Literaturen aus Afrika und der Karibik, weshalb die postkolonialen Texte auch von ihm selbst gut und kompetent übersetzt werden. Dennoch wirkt auch diese Auswahl sehr zufällig, die strukturelle Konzeption indes ist wohldurchdacht und im Nachwort mit Verve erklärt.
Die 143 Gedichte werden in sieben Abschnitte rubriziert, wobei die erste Abteilung, „What’s in a Name“, mit Ben Jonsons Gedicht aus der First Folio (1623) quasi als Prolog beginnt und die Sammlung mit drei Gedichten von Thomas Gray, Theodor Fontane und Erich Kästner in einer „Komischen Coda“ mündet. Welche Bedeutung der Herausgeber seinem ausklingenden Teil beimisst, verrät er nicht, „weil Erklärung allen Witz erstickt“ (S. 314). Man hätte aber schon gerne erfahren, welche Bedeutung er diesem Ausklang beimisst: Möchte er die restlichen Gedichte quasi seiner schnurrigen Coda unterordnen, bewegt sie sich auf gleicher Stufe mit den anderen Teilen oder übertrifft sie die anderen Gedichte sogar?
Zwischen der „ Eröffnung“ und dem offensichtlich spaßigen Schlussteil werden die restlichen 139 Gedichte in fünf Gruppen integriert. Im 1. Teil „Zwiesprachen und Anrufungen“ finden sich 31 Gedichte, im 2. Teil „Lebensbühnen und Welttheater“ 21 Gedichte, im 3. Teil „Spielräume, Vorstellungs- und Handlungswelten“ 17 Gedichte, im 4. Teil „Figur- und Maskenspiele“ 20 Gedichte und schließlich in den beiden letzten Teilen „Hamlet-Reden“ und „Ophelia-Bilder“ je 27 bzw. 23 Gedichte. Dass die Anzahl der Gedichte zu Shakespeares Tragödie höher ausfällt als bei den anderen Rubriken, mag mehrere Gründe haben. Sie reflektiert u. a. das enorme Interesse an diesem Themenkomplex, wie dies die vielen Bücher speziell zu Ophelia zeigen,[43] aber auch die umfangreiche Textsammlung, die in die horen. Zeitschrift für Literatur, Kunst und Kritik, 49:1 (2004) unter der Thematik „Hamlet und kein Ende: Les-Arten, Spiel-Räume & Kunst-Stücke“ veröffentlicht wurde. Zwanzig der dort publizierten und kommentierten Gedichte finden sich auch in der Manesse-Anthologie wieder bzw. ergänzen sich mit den dort ausgesuchten vorzüglich. So fügt Döring eine neue Übersetzung von Arthur Rimbauds „Ophélie“ bei, dessen Gedicht in den horen durch Übertragungen von Karl Klammer, Helmut Bartuschek und Thomas Eichorn vertreten ist. (S. 136-138). Döring entscheidet sich indes für die deutsche Version von Sina Klein (geb. 1983), die die jüngste Beiträgerin der Sammlung ist und für die die Aufnahme in einer Anthologie eines renommierten Verlages für ihre eigene weitere Karriere sicherlich wichtiger ist als für manch andere in Dörings berücksichtigte Dichterin von Rang und Namen (z.B. Ulrike Draesner, Ulla Hahn, Ursula Krechel, Friederike Mayröcker). Die aus Düsseldorf stammende Lyrikerin, die seit 2007 literarisch tätig ist und in ihrer Magisterarbeit (2012) vierzehn Übertragungen von Arthur Rimbauds (1854-1891) Gedicht „Ophelié“ (1871) verglich, übersetzte das Gedicht zunächst neu (S. 234-235), um dann in einem eigenen Gedicht „Soliloquy mit Ophélie“ (S. 237) den „Übersetzungsprozess“ lyrisch zu verarbeiten. Aus diesem kreativen Weiterschreiben resultiert auch Kleins weiteres „Ophelia-Gedicht“, das leider nicht in der Sammlung berücksichtigt wird, obgleich es uns direkt in unsere Gegenwart führt und dem Publikum noch einmal Kleins virtuoses Sprachtalent nahebringt:
ophelia phlegmatisch
liegt es an der mondtablette,
halbe, volle – monatstakte –
ihrerstatt statistin einer nacht ?
halten tage die gestalt steril ?
– still, halt still für chirurgie:
wir fischen sie aus ihrem bett …
formaldehyd-getränkte sie,
ist hell von allen ethanolen,
watte innen, hüllen laken
schnitt / ein tisch – ma belle – skalpelle …
akt seziert zurück sich bis auf szene,
bis auf alles sehnen – dort wo’s klafft –
schläft hamlet.[44]
Kehren wir zum Aufbau und Inhalt der Sammlung Wie er uns gefällt zurück. Die Überleitungen zu den einzelnen Rubriken kommentiert Döring in seinem Nachwort, dennoch ist die Zuordnung einzelner Gedichte in die entsprechenden Abteilungen nicht immer nachvollziehbar, und Texte könnten durchaus auch anders arrangiert oder zusammengelegt werden, so zum Beispiel Ulrich Bräkers Verse (S. 12) und Friedrich Schillers Worte „Hier ist William Shakespeare in deutscher Prosa zu lesen, / Oder Wilhelm vielmehr, denn er ist wahrhaft verdeutscht.“ (S. 28), zumal beide die Werke Shakespeares u. a. aus Eschenburgs Prosaübersetzung kannten.
Nachteilig an Dörings Auswahl ist, dass in manchen Sektionen durch die zu deutliche Gewichtung auf die deutschsprachige Lyrik des 19. Jahrhunderts stereotype Ansichten noch weiter verhärtet, anstatt einen „vielstimmigen und vielgestaltigen Eindruck davon zu vermitteln, wie das Bühnenwerk in Gedichten aufgegriffen, verwandelt, neu akzentuiert, fort- und umgeschrieben worden ist.“ (S. 291).
Besonders eklatant ist dies in der Exposition seiner Anthologie „‚Will You Inspire Me‘ / Zwiesprachen und Anrufungen“, wo von den 31 Gedichten jeweils nur eines aus Frankreich, Japan, Österreich, Russland und der Schweiz stammen, dafür aber vierzehn aus Großbritannien und elf aus Deutschland, die meisten davon freilich aus dem 19. Jahrhundert und früher. Von den deutschen sind nur zwei jüngere Texte vertreten, einmal Mirko Bonnés stimmungsvolles Gedicht „Billy Shakespeare“ aus dem Jahr 2010, welches von Shakespeares glücklicher und naturverbundener Kindheit in dem friedlich-grünen Stratford erzählt, das heute Scharen fotografierender asiatischer Reisegruppen anlockt, und wo „ein Schauspieler in Pumphosen / indigniert aus Hamlet deklamiert.“ (S. 58-59)
Das andere, im November 1952 entstandene Gedicht „Zwiesprache mit Shakespeares Bild“ von dem aus Tilsit stammenden und später in der ehemaligen DDR lebenden Johannes Bobrowski (1917-1965) beschreibt in reimlosen Jamben die Wirkkraft Shakespeares auf die Dichter, die ihn „ehren“ und dessen Grab sie „kränzen“. Wie auch in seinen anderen Künstlergedichten, verfällt Bobrowski nicht in panegyrisches Pathos, sondern es lassen sich durchaus auch leise ironische Züge erkennen, unterstrichen durch die mehrfachen Fragen, wie etwa der Dichter sie beantworten würde: „Hör, / ich meint es so und hab es so geschrieben –?, „Ja nicht wahr, wir ehren dich nicht schlecht (und uns daneben)?“ (Z. 21-22) oder die letzten beiden Zeilen, „Sag nicht, dir wäre Schweigen lieber schon. / Dein Grab soll uns belehren? – Uns? Wir kränzen’s!“ (Z. 26-27). Es geht in diesen Versen m. E. weniger um „Selbstverherrlichung“, die hier durch „routiniert geübte […] Bescheidenheitsgesten gegenüber dem Großmeister“ artikuliert werden – so Döring in seinem Nachwort (S. 294-295) –, vielmehr um ein Zwiegespräch, in dem das lyrische Ich sich mit dem Bild Shakespeares auseinandersetzt, das nicht in seinen Reliquien oder zu archivierenden Fakten weiterlebt und zu uns spricht, sondern in Shakespeares Dramen und den Sonetten, die jeden von uns meinen und ansprechen. Darin besteht das Grab, das uns belehrt und das wir bekränzen. Damit passt dieses Gedicht auch zu Fontanes harmlosem Spottgedicht „Shakespeares Strumpf“ (S. 282-283), mit dem sich der Dichter gegen die Reliquienverehrung wandte, wie dies auch der Untertitel „(Bei Gelegenheit eines Leipziger Festes, wo man mit einer Schillerschen Weste Götzendienst trieb)“, unterstreicht, der freilich in der Manesse-Anthologie nicht angeführt oder im Nachwort erläutert wird.
Ebenso bedauerlich ist, dass im Kontrast zu den deutschen Originalbeiträgen aktuelle Stimmen aus dem Ausland unterrepräsentiert sind. So ist Elizabeth Jennings „For Shakespeare: A Poet’s Tribute“ (S. 45), welches bereits 1988 anthologisiert wurde,[45] in dieser Rubrik das einzige zeitgenössische Gedicht aus Großbritannien, obgleich hier durchaus aktuellere Text existieren. So finden bekanntlich in Stratford-upon-Avon regelmäßig „Poetry Festivals“ statt und einige der für diesen Anlass verfassten Gedichte werden auch unter dem Titel Poems for Shakespeare veröffentlicht[46] und sind in deutschen Bibliotheken erhältlich. Zudem hat der jahrelange Organisator dieser Veranstaltungen und Direktor des Shakespeare Birthplace Trust, Roger Pringle, selbst Gedichte an und auf Shakespeare verfasst, die Ende 2012 in einer kleinen Auflage publiziert wurden. Hier finden sich sechszehn Gedichte, unter anderem drei zu Hamlet („Hamlet“, „Ophelia“ und „Voices from Elsinore“), aber auch Verse, wo Shakespeares epische Dichtung mit Pringles näherer Umgebung verbunden wird („Venus and Adonis in a Cotswold Hotel Garden“) oder auch eigene Reiseerfahrungen in die Gedichte einfließen, etwa in „Perdita in Prague“, eine Reminiszenz auf den „World Shakespeare Congress“ in der tschechischen Hauptstadt im Juli 2010. Wie die weltberühmte Schauspielerin, Dame Judi Dench, im Vorwort anmerkt, sei Pringles „selection […] a reminder of how Shakespeare for poets is in the air they breathe, and how in this particular case someone who has spent much time in his service can express his thankfulness with a wit and appreciation that might have brought a wry smile to the Master’s face“.[47] Die in einer Auflage von 250 Stück erschienene Anthologie ist derzeit allerdings noch in keiner deutschen Bibliothek, wohl aber in Stratford bzw. vom Autor erhältlich. Vielleicht hätte man sich hier intensiver um aktuellere nicht-deutschsprachige Gedichte kümmern können, anstatt Altbekanntes aufzugreifen und bisweilen etwas zu keck in das eigene konzeptionelle Korsett zu zwängen.
Besonders auffällig ist dies bei Ulrich Bräkers achtzeiligem Gedicht, welches der „arme, ungelehrte weltbürger“ 1780 seinem berühmten Büchlein voranstellte, das Ernst Götzinger 1877 im Jahrbuch der Deutschen Shakespeare-Gesellschaft das erste Mal vollständig veröffentlichte, da das Werk nicht nur von dessen „lebendiger Aneignung, herzlicher, innerlicher Auffassung“ zeuge, „sondern es [sei] auch für die Bedeutung Shakespeare’s in der Sturm- und Drangzeit eine willkommene Erscheinung“.[48] Der etwas zu langen Ausführung Dörings über Bräkers Person und Werk ist mit einigen Einschränkungen zuzustimmen; So wäre Dörings Charakterisierung von Ulrich Bräker als „niedrig gestellten, ungelehrten Menschen“ (S. 295) zu präzisieren, zumal sich der Autor nachweislich sehr intensiv mit der Wielandschen und vor allem der Eschenburgschen Übersetzung und den dortigen Kommentaren auseinandergesetzt hat. Zudem wird man schärfer zwischen dem Autodidakten Ulrich Bräker und dem „Rüpel“ in dem einleitenden Gedicht trennen müssen. Auch wäre es adäquater gewesen, den Text nach der neuesten historisch-kritischen Ausgabe zu zitieren, die ganz bewusst die oft eigenwillige Orthographie Bräkers beibehält, um das ärmliche Bildungsniveau sowie die regionale und zeitliche Verwurzelung des Autors zum Ausdruck zu bringen. Der Anfang liest sich demnach folgendermaßen:
Von einem armen ungelehrten weltbürger, der das glück genoß, denselben zu lesen
Anno 1780.││
wann mann dich auch citieren kan,
komm doch ein weyl zu mir –
und gönne mir, du grosser mann
ein kurtz gespräch mit dir. –
jch will dir dan dein rüpel seyn,
sonst kann ich nichts dafür. [49]
Dies mag nach philologischer Beckmesserei klingen, wenn aber ein Verlag mit dem Slogan wirbt „Wenn lesen, dann erlesen“, dann sollte auch die Textgrundlage von exzellenter Qualität sein.
Mit anderen Texten wird noch unbekümmerter umgegangen, indem etwa bei Franz Grillparzer Verse einfach zusammengelegt und Gedichttitel geändert werden. So heißt es jetzt „Shakespeare an seine Ausleger“ (S. 29), obgleich der Titel des 1840 entstandenen Originals „Shakespeare an seinen Ausleger“ lautet, und die dortigen Verse ausschließlich Ludwig Tieck und seine „Dramaturgischen Blätter“ verspotten. Döring fügt aber noch dem Gedicht eine zweite Strophe bei, und zwar die vorletzte aus der Epigramm-Sektion „Entschiedenheit“, wo sich Grillparzer nicht etwa weiter über Tieck mokiert, sondern dieses Mal Gervinusʼ Anmerkungen zu Hamlet ins Visier nimmt. Zudem begegnet man einer merkwürdigen Variante: Statt „Er denkt wie Gott durch Bilden und Schaffen“, heißt es in der Manesse-Ausgabe: „Er deckt sich wie Gott durch Bilder und Schaffen“ (S. 29).
Die notwendige Kontextualisierung dieser und einer Anzahl weiterer Gedichte wird nur dem Gebildeten bzw. Experten gelingen, aber auch für dieses Publikum wird es Texte geben, deren Bedeutung im Unklaren bleibt, weil die Forschung hier noch zu keinem Ergebnis gekommen ist bzw. Dokumente noch unveröffentlicht auf ihre Bearbeitung warten. Dies soll abschließend an Paul Heyses Gedicht „Riva“, das ebenfalls in der Rubrik „Will you inspire me“ aufgeführt wird (S. 21), deutlich gemacht werden. Es ist wie viele andere Werke des Nobelpreisträgers für Literatur unter www.zeno.org und anderswo im Netz abrufbar:
Riva
sei venuto dall’ alta montagna per
scendere qua giù abbasso a rompere il
disopra della porta senza diritto!
Ich stieg von Riva jenen Pfad hinan,
Den breitgebahnten, nach dem Ledrothale,
Durch den in Katarakten der Ponale
Sich stürzt; und eh’ ich noch die Schlucht gewann,
Fand ich ein Haus am Weg. Ein Stück daran
War frisch gemauert über dem Portale,
Daneben trug die alte Wand, die kahle,
Die Kohlen-Inschrift, die der Zorn ersann:
„Du halt’ nun Ruh’, vermaledeiter Wicht,
Der du vom Hochgebirg zu dieser Mauer
Kamst, wider Recht den Thürsturz einzubrechen!“
O Vater Shakespeare, dein Kothurn ist nicht
Zu hoch für sie! Wo lernte dieser Bauer
Wie deine Könige und Helden sprechen?
Nur in der letzten Strophe setzt sich Heyse mit der bäuerlichen Herkunft Shakespeares auseinander, ansonsten steht die Umgebung Rivas im Mittelpunkt, die bekanntlich auch andere Künstler inspirierte, so Thomas Mann zu bestimmten Passagen im Zauberberg oder auch Eugen dʼAlbert zu seiner Oper Tiefland. Das Gedicht wurde vermutlich im Jahr 1867 verfasst, als Heyse nach seiner Hochzeit am 6. Juni 1867in Riva mit Anna Schubart, seiner zweiten Frau, im Hotel Sole die Flitterwochen verbrachte.[50] Wie ein unveröffentlichter, in der Bayerischen Staatsbibliothek, München, aufbewahrter Brief vom 26. Juli 1867 an Klara Kugler suggeriert, war es auch die Zeit, in der sich Paul Heyse mit seinen Shakespeare-Übersetzungen beschäftigte: Heyses Timon von Athen und Antonius und Cleopatra erschienen später in Friedrich Bodenstedts Sämmtliche Werke im Hallberger Verlag (Stuttgart, 1874-76), welche zwanzig Jahre später bereits in der 8. Auflage bei der Deutschen Verlagsanstalt als Prachtausgabe (1895-1899) angeboten wurde.[51] Die raue Natur der italienischen Landschaft und seine zeitnahe Beschäftigung mit Shakespeare mögen ihn motiviert haben, diese Erlebnisse miteinander zu verknüpfen.
Während sich die Forschung bisher mit Heyses Shakespeare-Rezeption kaum auseinandergesetzt hat, fand sein Gedicht „Riva“ wesentlich größere Aufmerksamkeit. So ist bekannt, dass Heyse vom Fenster des Hotels aus die neue Ponale-Straße sehen konnte, die 1851 gebaut worden war, und die im Gedicht als breitgebahnter Pfad beschrieben wird.[52] In der im Gedicht beschriebenen Ponale-Schlucht fließt der Fluss Ponale vom Ledrosee zum Gardasee. Dieser, im Gedicht als „vil maledetto /vermaledeiter Wicht“ bezeichnet, hat offensichtlich durch eine Sturzflut den Türsturz eines Hauses am Ende der Schlucht zerstört. Möglich ist, dass nach diesem Ereignis jemand diese Schrifttafel, welche Heyse in Italienisch und Deutsch im Gedicht wiedergibt, an das Haus angebracht hat. Ebenfalls möglich wäre eine freie Erfindung Heyses; ob diese durch Shakespeare inspiriert worden war, bleibt ebenfalls Spekulation.
Fazit ist, dass „Riva“ weniger ein Gedicht an und über Shakespeare ist, sondern wohl eher zu Heyses „Städtebildern“ passt, unter deren Namen es auch erstmals 1872 veröffentlicht wurde. Dennoch wird man Tobias Döring dankbar sein, das Gedicht in seiner Shakespeare-Sammlung integriert zu haben, welches derzeit im World Wide Web schwebt und nur in dem digitalen Goethe-Portal eine Heimat gefunden hat, das eine Kurzbiographie zu Paul Heyse und die Texte seiner Italienlyrik bietet.[53]
Das was hier in Kurzform an Heyses Gedicht „Riva“ gezeigt werden sollte, tangiert ein allgemeines Problem vieler Anthologien, das bei nächsten Projekten dieser Art durchaus leicht, wenngleich mit einer Portion Mehrarbeit gelöst werden könnte. Da auch literarische Texte nicht in einem geschichtslosen bzw. kulturlosen Raum entstehen, muss dieser Raum für den Benutzer begehbar gemacht werden. Dazu gehört bei einer international angelegten Anthologie neben der Bereitstellung vorzüglicher Übersetzungen, auch die Vermittlung weiterer Informationen, die den Leser durch das Neuland begleiten und vor allem Neugierde wecken und so zur kulturellen (Weiter-)Bildung maßgeblich beitragen. Gerade weil die vorliegende, nicht chronologisch angeordnete Sammlung mit ihren recht heterogenen Texten aus verschiedenen Ländern und Epochen einen Einblick in das Nachleben Shakespeares gewähren möchte, aber insgesamt doch recht offen und individuell konzipiert ist, wären knappe Sacherläuterungen (u. a. mit Abfassungs- und Publikationsdaten der Gedichte, zum Kontext und zur Genese) sowie instruktive Kurzbiographien nützlich, wobei der Schwerpunkt hier auf die Beziehung des Dichters zu Shakespeare gelegt werden sollte. Gerne können diese Informationen, die auch Hilfestellung für die Kontextualisierung des Gedichtes bieten sollten, als Leseangebot in den Anhang relegiert werden, um einerseits das gebildete Lesepublikum nicht zu gängeln, andererseits den weniger versierten Shakespeare-Enthusiasten zunächst ein unmittelbares Leseerlebnis zu bieten, welches später mithilfe der Erläuterungen durchaus bereichert werden könnte. Damit wäre auch der in den Widmungen angestrebte recht diffuse Leserkreis besser versorgt und diese schöne Jubiläumsanthologie „keine verlorene Liebesmüh“, sondern ein „Ende gut, alles gut“ – ganz im Sinne von Peter Ackroyds Romantitel Wie es uns gefällt.[54]
Anmerkungen:
[1] Conrad Wiedemann, „Vorspiel der Anthologie“, in: Die deutschsprachige Anthologie, Bd. 2: Studien zu ihrer Geschichte und Wirkungsform, ed. Joachim Bark und Dieter Pforte (Frankfurt: Vittorio Klostermann, 1969), S. 1-47, hier S. 2.
[2] Robert Prutz, „Über poetische Blumenlesen und Mustersammlungen, Deutsches Museum. Zeitschrift für Literatur, Kunst und öffentliches Leben, 52 (22. Dezember 1959) , 929-938, hier 929.
[3] Ibid., 930. Ein Teil des Zitats auch bei Stefanie Lethbridge, Lyrik in Gebrauch. Gedichtanthologien in der englischen Druckkultur 1557-2007 (Heidelberg: Universitätsverlag Winter, 2014), S. 15. Prutzʼ Artikel sowie weitere aussagekräftige Zitate zur Bedeutung von Anthologien finden sich in der „Einleitung“ von Helga Eßmann, in: Weltliteratur in deutschen Versanthologien des 19. Jahrhundert, ed. Helga Eßmann und Udo Schöning (Göttinger Beiträge zur Internationalen Übersetzungsforschung) (Berlin: Erich Schmidt Verlag, 1996), S. ix-xxii, bes. S. ix-x.
[4] C.E.R. Alberti, „Rechtfertigung“, in: Shakspeare Album. Des Dichters Welt- und Lebensanschauung aus seinen Werken systematisch geordnet von C.E.R. Alberti (Berlin: Charisius, 1864), S. VII-XIII, S. XII.
[5] Vgl. die Besprechung in der Rubrik „Vom Büchertisch“ in: Deutsches Museum. Zeitschrift für Literatur, Kunst und öffentliches Leben, 3 (21. Januar 1865), 122-123, 123.
[6] Vgl. William Shakspeare als Lehrer der Menschheit, nebst einer Einleitung von Hermann Marggraff (Leipzig: Brockhaus, 1864). Der Verlag bot mehrere Anthologien unter dem Untertitel „Lichtstrahlen aus seinen Werken“ mit großem Erfolg an, etwa im selben Jahr: Goethe als Erzieher. Lichtstrahlen aus seinen Werken . Ein Handbuch für Haus und Familie von Philipp Merz, oder zu Arthur Schopenhauer (1862), Friedrich Schleiermacher (1863) und Johann Gottlieb Fichte (1863); später kamen noch Sammlungen zu Adolf Diesterweg, Immanuel Kant Johann Gottfried Herder, Ludwig Börne uvm. hinzu.
[7] William Shakspeare als Lehrer der Menschheit, S. vi.
[8] Vgl. „Vorerinnerung“, in: Shakspeare-Blüthen als Festgabe zur dreihundertjährigen Gedächtnisfeier des grossen brittischen Dichters. Gesammelt von W. A. Ahne (Prag: F.A. Credner, 1864), o. S.
[9] Ibid., o. S. W. A. Ahne fährt fort: „jedoch, wer sie vermisst, der kennt sie ohnehin, der Jugend aber können sie, und besonders Aphorismen, bei allem dichterischen Werthe, wenig zuträglich sein.“
[10] Vgl. hierzu die „Recensionen und Literatur“, Der Prediger und Katechet. Eine praktische katholische Monatsschrift besonders für Prediger auf dem Lande und in kleineren Städte, 22, Bd. 1 (1872), S. I-XIV, darin S. IV. Dort wird Ahne als „Weltpriester und Seelsorger in Teschen“ bezeichnet. Weitere biographische Angaben konnten bisher nicht eruiert werden. Vgl. auch: Manfred Brandl, Die deutschen katholischen Theologen der Neuzeit. Ein Repertorium. Band 3, Teil 1. (Graz/ Feldkirchen: W. Neugebauer Verlag GmbH, 2006), S. 4.
[11] Vgl. das Gespräch „Sexappeal hat doch letztlich nur, wer cool bleibt…“, abrufbar unter: http://www.fabelhafte-buecher.de/buecher/wir-lieben-bucher/weltliteratur-im-spiegel-der-bestenlisten/manesse-verlag-literaturgesprach-mit-verlagsleiter-dr-horst-lauinger/.
[12] Der von dem Soziologen Beck geprägte Ausdruck wird virtuos (mit weiteren Hamlet-Anspielungen) von Matthias Matusseks benutzt in seinem Beitrag „Generation Hamlet“, der auf die Theatersaison 2008/2009 mit dem gleichnamigen Spielzeitmotto des Stuttgarter Schauspiels eingeht: Vgl. Der Spiegel, 27. Oktober 2008, 166-167, abrufbar unter: http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-61629794.html. Vgl. auch: Otto Paul Burkhardt, Christian Holtzhauer, Jörg Bochow, „Generation Hamlet« Spielzeit 2008/2009“, in: Im Zeichen der Faust: Schauspiel Stuttgart – Intendanz Hasko Weber, ed. Jörg Bochow, lngrid Trobitz, Hasko Weber (Berlin: Verlag Theater der Zeit, 2009), S. 84-103, und den Überblick über die Spielzeit: http://archiv.schauspiel-stuttgart.de/intendanz-hasko-weber/publikationen/Spielzeitbuecher/SP0809_SCHAUSPIEL_GenerationHamlet.pdf.
[13] Frank Müller, „Vergnügliche Revolten, „Drei Reclam-Anthologien ‚Zum Vergnügen‘: Shakespeare, Wilde und Nietzsche“, https://literaturkritik.de/public/rezension.php?rez_id=3279.
[14] Frank Günther, „In Shakspeares Kopf“, in: Shakespeares Wort-Schätze. Englisch-Deutsch. Mit einem Nachwort und herausgegeben von Frank Günther (München: dtv, 2014), S. 209-218, S. 213.
[15] Frank Dietschreit, „Shakespeares Wort-Schätze. Zum Wiederlesen empfohlen“, Kulturradio, 28. Februar 2014: http://www.kulturradio.de/rezensionen/buch/2014/shakespeares-wort-schaetze.html.
[16] Der Subskriptionspreis bei Abnahme aller Bände beträgt € 1.093,95; der Einzelpreis liegt zwischen € 30,00 bis € 33,00). Alle Informationen finden sich unter: http://www.arsvivendi.com/media/shakespeare-ga/_html/001/.
[17] Zitiert nach: Letters of Ted Hughes, Selected and edited by Christopher Reid (London: faber and faber, 2007), S. 603-607, hier S. 605. Von ähnlichen Zahlen wird man wahrscheinlich auch in Deutschland ausgehen können, wie die gerade erschienene Schlegel-Tiecksche-Ausgabe des Reclam-Verlags suggeriert, wo folgende zehn der meistverkauften Dramen „als verlässliche[r] Gradmesser für eine repräsentative Auswahl aus dem Korpus der 38 Stücke“ geboten werden: Romeo und Julia, Ein Sommernachtstraum, Der Kaufmann von Venedig, Viel Lärmen um nichts, Was ihr wollt, Hamlet, Othello, König Lear, Macbeth, Der Sturm. Vgl. Dietrich Klose, „Zu dieser Ausgabe“, in: William Shakespeare, Dramen. Nach der Schlegel-Tieck-Ausgabe letzter Hand, ed. Dietrich Klose. Mit einem Nachwort von Peter von Matt (Reclam Bibliothek) (Stuttgart: Philipp Reclam, 2014), S. 1123-1131, S. 1123.
[18] Zitiert nach Elisabeth Kampmann, Kanon und Verlag: Zur Kanonisierungspraxis des Deutschen Taschenbuch Verlags (Deutsche Literatur. Studien und Quellen, 5) (Berlin: De Gruyter, 2012), S.259.
[19] Hierzu Goran Proot, „Ten copies of the ‚bad‘ 1640 Sonnets in good and bad shape“, The Collation, 24. Mai 2013, abrufbar unter: http://collation.folger.edu/2013/05/ten-copies-of-the-bad-1640-sonnets-in-good-and-bad-shape/#identifier_1_5976.
[20] Hierzu vgl. auch die detaillierten Ausführungen von Stefanie Lethbridge, Lyrik in Gebrauch. Gedichtanthologien in der englischen Druckkultur 1557-2007 (Anm. 3), S. 238-248, bes. S. 242-243.
[21] Vgl. Bd. 1 (München: Verlag C. H. Beck, 2000), S. 168-187. Es handelt sich um folgende 22 Sonette, wobei das Original auf der Verso, die Übersetzung jeweils auf der Recto-Seite wiedergegeben wird: 2, 18, 20, 23, 29, 40, 60, 62, 66, 71, 73, 95, 98, 104, 107, 110, 116, 129, 137, 143, 144, 146.
[22] Anne Christine Isherwood, ‚Cut out‚ into little stars‘: Shakespeare in Anthologies (PhD King’s College London, 2014), S. 175. https://kclpure.kcl.ac.uk/portal/files/12691146/Studentthesis-Anne_Isherwood_2014.pdf .
[23] So die Informationen auf der letzten Seite des Bandes. Die Einbandgestaltung stammt von Cornelia Niere, München.
[24] Vgl. Walter Klier, „Die Hand aus den Wolken: Nicholas Hilliards Porträtminiatur ‚Unbekannter Mann ergreift eine Hand‘ (1588) – ein weiteres Shakespeare-Porträt?“, Neues Shake-speare Journal, 1 (1997), 74-81, 80-81.
[25] Vgl. u. a. Dörings Besprechung von Kurt Kreilers Buch, „Der Mann, der Shakespeare erfand“. Edward de Vere, Earl of Oxford (Frankfurt am Main: Insel Verlag, 2009), Frankfurter Allgemeine Zeitung, 12. Januar 2010.
[26] Die Zahl müsste noch einmal genau kontrolliert werden, da sich bei den Angaben einige Fehler eingeschlichen haben. So ist Ben Jonsons Gedicht „To the Memory of My Beloved“ nicht von Walther Victor übersetzt worden, sondern von Friedrich Bodenstedt, der es vollständig in folgendem Beitrag abdruckt: „Zur Shakespeare-Literatur“, Jahr der Deutschen Shakespeare-Gesellschaft, 2 (1867), 366-385, hier 380-382. Bei Miltons „On Shakspeare“ (S. 6-7) wird Werner von Koppenfels als Übersetzer angeführt (S. 325); in der Anthologie Englische Dichtung (Anm. 21) wird indes Hans Feist (S. 579) als Übersetzer genannt. Das Gedicht steht dort auf S. 433-434.
[27] http://literaturuebersetzer.de/pages/uebersetzer-archiv/schuenke.htm.
[28] Indes wurde Ina Schaberts Abhandlung, Shakespeares. Die unendliche Vielfalt der Bilder (Stuttgart: Alfred Kröner Verlag, 2013) finanziell unterstützt. Hierzu Georg Festerlings Besprechung: https://literaturkritik.de/public/rezension.php?rez_id=19921.
[29] Vgl. die „Danksagung“, in: „Wie er uns gefällt“. Gedichte an und auf William Shakespeare. Eine Jubiläumsanthologie herausgegeben von Tobias Döring (München: Manesse Verlag, 2014). S. 323.
[30] Das Center for Advanced Studies (CAS), unter: http://www.cas.uni-muenchen.de/ueber_cas/index.html.
[31] Vgl. „Ordnungen des Wissens – Raimundus Lullus’ ‚Baum des Wissens‘ im Signet des CAS“, unter: http://www.cas.uni-muenchen.de/ueber_cas/cas_signet/index.html.
[32] A Book of Homage to Shakespeare to Commemorate the three hundredth Anniversary of Shakespeare’s Death 1916, ed. Israel Gollancz (London: Oxford: Oxford University Press, 1916), S. 548-549. Die Auskünfte zu fehlenden Lyrik-Rezeption in China verdanke ich meinen ehemaligen Bonner Kollegen Wolfgang Kubin und Christian Schwermann.
[33] Compiled and edited by Theresia de Vroom (Los Angeles: Marymount Institute Press, 2012). Vgl. die „Introduction“: „This collection of work can be read as an eclectic response to what it means to possess Shakespeare. The book contains essays, poems, autobiographical reflections, and a musical composition. Some of the pieces were written specifically for this volume and directly address elements or ideas found in Shakespeare’s plays; others make no direct mention of his work or influence, and in fact were originally written and published for very different reasons. Nonetheless, what these pieces have in common is that they were written in ‚possession of Shakespeare‘“ (S. 2-3). In dieser kleinen Anthologie wurden Texte, Musik und Bilder weniger bekannter und bekannter Autoren/Autorinnen, (z. B. Wole Soyinka), Komponisten und bildenden Künstlern für eine Aufführung anlässlich der Präsentation einer Ausgabe der First Folio, die im Besitz der Loyola Marymount University ist, zusammengestellt (S. 7).
[34] Die Anthologie ist als Band 251 in der Reihe „Library of America“ (Washington: Library of America, 2014) erschienen. Vgl. das Inhaltsverzeichnis unter
http://www.loa.org/volume.jsp?RequestID=402§ion=toc.
[35] „Shakespeare ist der beste Autor, den die englische Sprache gehabt hat. Britische Erfolgsschriftstellerin A. S. Byatt sieht alle britischen Autoren von ihm beeinflusst“: A. S. Byatt im Gespräch mit Matthias Hanselmann, Deutschlandradio Kultur, Beitrag vom 31.01.2014, abrufbar unter: http://www.deutschlandradiokultur.de/interview-shakespeare-ist-der-beste-autor-den-die-englische.954.de.html?dram:article_id=276302. Vgl. auch die Informationen und Aufzeichnungen zum Literaturseminar (u. a. ein Gespräch Dörings mit Byatt): http://www.britishcouncil.de/projekte/kunst-kultur/literatur-seminar.
[36] Zum Beispiel das Gedicht von Frances Anne Kemble (1809-1893); abrufbar unter: http://www.bartleby.com/341/486.html:
To Shakespeare
Oft, when my lips I open to rehearse
Thy wondrous spell of wisdom, and of power,
And that my voice, and thy immortal verse,
On listening ears, and hearts, I mingled pour,
I shrink dismayed – and awful doth appear
The vain presumption of my own weak deed;
Thy glorious spirit seems to mine so near,
That suddenly I tremble as I read –
Thee an invisible auditor I fear:
Oh, if it might be so, my master dear!
With what beseeching would I pray to thee,
To make me equal to my noble task,
Succor from thee, how humbly would I ask,
Thy worthiest works to utter worthily.
[37] Zitiert nach Wolfgang Behrens „Wie zeitgenössisch ist Shakespeare, wie konservativ ist Livestreaming, und was will man eigentlich in Mainz?“, Nachtkritik, 11. Dezember 2014. Abrufbar unter: http://www.nachtkritik.de/index.php?option=com_content&view=article&id=10342:2014-12-11-07-26-24&catid=242:presseschau&Itemid=115.
[38] Tobias Döring, „Wie er uns gefällt. Gedichte an und auf William Shakespeare“, in: „Wie er uns gefällt“. Gedichte an und auf William Shakespeare. Eine Jubiläumsanthologie (Anm. 29), S. 287-315, hier S. 291.
[39] Die Länderzuordnung gestaltete sich nicht immer leicht. So wurden folgende Entscheidungen getroffen: Térezia Mora (in Ungarn geboren) und Alexander Nitzberg (in Russland geboren) wurden jeweils Deutschland zugeordnet, da beide frühzeitig dorthin auswanderten und quasi ausschließlich auf Deutsch veröffentlichen. Nabokov indes wurde zu den russischen Autoren gezählt, da das abgedruckte Gedicht in Russisch verfasst wurde. Der in Nigeria geborene Lemuel Jackson wurde Sierra Leone zugerechnet, da er dort aufgewachsen ist und auch seine Eltern von dort stammten. – Ich danke Christian Feser und Stefan Eick, die nach meinen Vorgaben diese und andere Auswertungen im Rahmen meines Forschungskolloquiums im Wintersemester 2014/15 gewissenhaft durchführten.
[40] Hierzu Péter Dávidházi, „Shakespeare Committees in Hungary“, Deutsche Shakespeare-Gesellschaft West, Jahrbuch 1991, 304-306, 304.
[41] Vgl. z. B.: Adam Hansen, Shakespeare and Popular Music (London: Continuum, 2010). https://sites.google.com/site/shakespeareandpopularmusic/, und: http://www.pastemagazine.com/blogs/lists/2012/04/10-great-shakespeare-inspired-songs.html.
[42] Zitiert nach: http://wiseguys.de/diskographie/details/klassenfahrt/. Das Lied ist abgedruckt auf der Website der Gruppe: http://wiseguys.de/songtexte/details/hamlet/. Hierzu auch die Aufnahme bei: https://www.youtube.com/watch?v=b3k8vJjUCiQ.
[43] The Afterlife of Ophelia, ed. Kaara L. Peterson & Deanne Williams (New York: Macmillan, 2012); Frauke Bayer, Mythos Ophelia. Zur Literatur- und Bild-Geschichte einer Weiblichkeitsimagination zwischen Romantik und Gegenwart (Literatura: Wissenschaftliche Beiträge zur Moderne und ihrer Geschichte, 21) (Würzburg: Ergon, 2009), und: Simone Kindler, Ophelia. Der Wandel von Frauenbild und Bildmotiv (Berlin: Dietrich Reimer, 2004).
[44] Vgl. die überaus gelungene Interpretation von Annette Bitsch: „Das Gedicht verzichtet auf ein klassisches Versmaß und verwendet freie Rhythmen, doch gleich lange, vorwiegend parataktische Zeilen und zahlreiche Assonanzen (ophelia/phlegmatisch, mondtablette/volle monatstakte) erzeugen formale Regelmäßigkeit. Die Sätze sind knapp, anakoluthisch, gehen oft in Stakkato über, aber all diese Brüche führen nicht in Desintegration, sondern sind mit kalkulierter Symmetrie arrangiert. Die formgebende Strenge korrespondiert inhaltlich den in der Chirurgie eingesetzten Maßnahmen zur Desinfektion von Psyche und versehrtem Körper – jedoch bebt darunter das ganz andere wie ein unheimliches, unberechenbares Ticken. Das überträgt sich auch in den Worten. Kühl sind die Worte, kühl, steril, emotionsfern wie die Ethanole und Seziergeräte, sie sind frei von Trillern, Schnörkeln und adverbialem Plüsch. Und doch pulsieren in ihnen Dionysie und Blutaroma – Worte mit gefährlich scharfer sinnlicher Ladung. Es sind Worte, Chiffren, Allusionen, die mit dem Skalpell geschliffen wurden. Denn dies Gedicht entstand in der Chirurgie, oder, um es mit Gottfried Benn, dem Spezialisten für die Artistik des Gedichts, zu sagen: im ‚Laboratorium der Worte‘. Es zeugt von brillanter Intelligenz und großem literarischen Können.“ Das Gedicht ist zusammen mit der obigen Interpretation abrufbar unter http://blog.unternehmen-lyrik.de/tag/sina-klein/.
[45] Vgl. An Anthology of Poetry for Shakespeare. Selected by Charles Osborne. Foreword by Ted Hughes. Illustrated by Louis le Brocquy (Southwark: Bishopsgate Press, 1988), S. 64.
[46] Vgl. z. B. Poems for Shakespeare. A Selection with Original Drawings. Vol. 1-6. With Original Drawings, ed. Roger Pringle & Christopher Hampton (London: Globe Playhouse Publications, 1978).
[47] Judi Dench, „Foreword“, in: Thanks to Shakespeare. Poems by Roger Pringle with a Foreword by Judi Dench (Halford:The Celandines Press, 2012), S. 1-2, hier S. 1. Die oben erwähnten Gedichte sind abgedruckt auf den Seiten 7, 10-13, 19.
[48] Ernst Götzinger, „Das Shakespeare-Büchlein des Armen Mannes im Toggenburg vom Jahr 1780. Nach der Original-Handschrift mitgetheilt“, Shakespeare-Jahrbuch, 12 (1877), 100-168, hier 102.
[49] Ulrich Bräker, Sämtliche Schriften. Vierter Band: Lebensgeschichte und vermischte Schriften, bearbeitet von Claudia Holliger-Wiesmann (München: C. H. Beck, 2000), S. 277-354, S. 277.
[50] Ich danke der Leiterin des Nachlassreferats, Dr. Ingrid Rückert, von der Bayerischen Staatsbibliothek, München, für wertvolle Hinweise.
[51] Vgl. hierzu die Einträge C 720, C740 und C 1020 in: Shakespeare – Deutsch. Bibliographie der Übersetzungen und Bearbeitungen, ed. Hansjürgen Blinn und Wolf Gerhard Schmidt (Berlin: Erich Schmid, 2003).
[52] Herfried Schlude, „Paul Heyse, der Nobelpreisträger“, in: Paul Heyse, Versi e disegni dal Garda / Verse und Skizzen vom Gardasee. Traduzione di Paolo Boccafoglio (Brescia: Marco Serra Tarantola, 2010), S. 23-32, hier S. 29.
[53] Zu Heyse vgl. http://www.goethezeitportal.de/wissen/projektepool/goethe-italien/italienlyrik/paul-johann-ludwig-heyse.html.
[54] So die deutsche Übersetzung von The Lambs of London. Aus dem Englischen von Eva L. Wahser (München: Knaus, 2007).
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