Der Zweite Weltkrieg im Überblick

Der Militärhistoriker Rolf-Dieter Müller legt eine prägnante Einführung vor

Von Martin MunkeRSS-Newsfeed neuer Artikel von Martin Munke

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Einführungen in die Geschichte des Zweiten Weltkriegs existieren bereits in großer Zahl, etwa das entsprechende Büchlein von Gerhard Schreiber bei Beck Wissen, Rainer F. Schmidts Darstellung in der Reihe „Deutsche Geschichte im 20. Jahrhundert“ oder Elke Fröhlichs „kurze Geschichte“ des Krieges bei Reclam. In der Serie „Geschichte kompakt“ der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft liegt nun ein weiterer kompakter Band vor, der von einem der profiliertesten Kennern der Thematik im deutschsprachigen Raum verfasst wurde. Rolf-Dieter Müller, über lange Jahre Wissenschaftlicher Direktor des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes in Potsdam, hat 2004 den Band zum Weltkrieg im „Gebhardt“, einer der renommiertesten Handbuch-Reihen zur deutschen Geschichte, vorgelegt. Von 2004 bis 2008 hatte er zudem die wissenschaftliche Leitung des Reihenwerks „Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg“ inne – von der „FAZ“ einmal als „eine der großen Leistungen der Geschichtswissenschaft unserer Zeit“ bezeichnet –, deren abschließende Teilbände er herausgab und mithin die „Zielgerade eines wissenschaftlichen Marathonlaufs“, so das Fachportal H-Soz-Kult, begleitete. Darüber hinaus ist er durch eine Reihe von weiteren Veröffentlichungen besonders zur Wehrmacht einschlägig ausgewiesen.

Auf der Basis dieser umfassenden Kenntnis des Themas entwickelt Müller auf knapp 170 Seiten einen prägnanten Überblicküber den zweiten Weltkrieg. Dieser konzentriert sich einerseits auf klassisch militärgeschichtliche Aspekte, bezieht anderseits aber auch die sozial- und die in den vergangenen Jahrzehnten verstärkt eingenommenen kulturgeschichtlichen Perspektiven auf den Krieg zumindest teilweise mit ein. Dabei bewegt sich der Autor souverän auf der Basis der relevanten deutschen und angelsächsischen Forschungsliteratur der letzten Jahrzehnte – schon das ist eine Leistung für sich hinsichtlich des Umfangs, den diese Literatur mittlerweile angenommen hat. Reihentypisch wird der Fließtext durch Quellenzitate – aus einschlägigen Aktenbeständen und Egodokumenten – und Begriffserklärungen ergänzt. Die Konzentration der Darstellung liegt auf dem deutschen Geschehensraum, „denn Deutschland bildete den Motor des Zweiten Weltkriegs“. Ihr Zuschnitt ähnelt daher in manchem dem „Gebhardt“-Band, in dem bei einem fast dreimal so großen Umfang vieles gleichwohl ausführlicher geschildert wird. Gerade die globalen Schauplätze werden so eher am Rand einbezogen, was mit Blick auf den Zuschnitt der Reihe und ihre wohl hauptsächliche Zielgruppe – Studenten und „historisch Interessierte“ – durchaus sinnvoll erscheint, auch wenn aktuelle Trends in der Geschichtswissenschaft eher auf größere trans- beziehungsweise internationale Zusammenhänge abheben.

Gegliedert ist das Buch in sechs thematisch ausgerichtete Kapitel unterschiedlicher Länge, es wird also keine durchgehende Chronologie geboten. So werden im ersten Abschnitt zunächst Ursachen, Voraussetzungen und Eröffnung des Krieges geschildert. Anschließend erörtert Müller die wirtschaftlichen und technischen Aspekte der Kriegführung. Es folgt ein ausführliches Kapitel zu den Soldaten als Akteuren des Krieges, zunächst unterteilt nach den einzelnen Teilstreitkräften, anschließend orientiert sich der Autor auf soziokulturelle Phänomene wie Kriegserfahrungen, Verwundung und Tod, Verweigerung und Widerstand sowie Gefangenschaft und Heimkehr. Danach werden die einzelnen Kriegsschauplätze thematisiert – die deutsche europäische Ostfront und der globale Mehrfrontenkrieg der Alliierten. Ein knappes Kapitel widmet sich den Erfahrungen an der „Heimatfront“, bevor abschließend das Kriegsende 1945 in den Blick gerät und knapp auch die Erinnerung an den Krieg untersucht wird. Die zentralen Aspekte der Weltkriegsforschung werden in diesen Kapiteln jeweils am Beispiel behandelt. Der bisweilen recht techniklastige Duktus wird durch die Quellenzitate abgemildert, die das persönliche Erleben des einzelnen Beteiligten greifbar machen. Andererseits scheint es durchaus sinnvoll, eine Einführung zur Geschichte des Zweiten Weltkriegs eben tatsächlich auch als „Kriegsgeschichte“ zu schreiben, wie der Klagenfurter Historiker Dieter Pohl schon in einer Besprechung von Müllers „Gebhardt“-Band hervorhob. Stärker als in früheren Werken artikuliert Müller die Beteiligung der Wehrmacht an Kriegsverbrechen, den Charakter des Ostfeldzuges als Vernichtungskrieg und auch die Verbrechen an Kriegsgefangenen; als Parallellektüre empfiehlt sich hier Pohls Buch in der Reihe „Geschichte kompakt“ zu „Verfolgung und Massenmord in der NS-Zeit“.

Ergänzt wird Müllers Band durch zwei Karten, ein Personenregister und ein vierseitiges Verzeichnis der wichtigsten Literatur. Auch wenn der Reihentitel Kompaktheit verspricht, wäre an dieser Stelle noch Potenzial gewesen, die Nutzbarkeit der Einführung zu erhöhen. Gerade der Kartenteil erscheint mit einer Darstellung des Verlaufs der Ostfront in den Jahren 1941/42 und einer Übersicht zum japanischen Machtbereich von 1942 bis 1945 sehr knapp. Hier hätte man sicher auf das reichhaltige Material des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes beziehungsweise des heutigen Zentrums für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr zurückgreifen und so den Anschauungs- und Verständniswert besonders der Abschnitte zum Kriegsverlauf verstärken können. Der thematisch und nicht chronologisch angelegte Aufbau des Buches lässt bisweilen die Abläufe aus dem Blick geraten. Hier hätte ein Zeitstrahl zu einer besseren Übersicht beigetragen. Als grundlegende Einführung ist Müllers Buch insgesamt aber sehr gut geeignet.

Titelbild

Rolf-Dieter Müller: Der Zweite Weltkrieg.
wbg – Wissen. Bildung. Gemeinschaft, Darmstadt 2015.
166 Seiten, 17,95 EUR.
ISBN-13: 9783534266463

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