Marburg Murder Mystery

Jürgen Hövelmann bringt den Regionalkrimi in die mittelhessische Universitätsstadt

Von Anna-Lena SchmiedRSS-Newsfeed neuer Artikel von Anna-Lena Schmied

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Der 56-jährige Kommissar Gisbert Nau ermittelt in den beiden Fällen „Auge um Auge“ und „Der Kasematten-Mörder“ in und um Marburg an der Lahn. Eigentlich ist Nau, der beim Landeskriminalamt gearbeitet hat, seit kurzem im Vorruhestand und aus Wiesbaden zusammen mit seinem Hund Pepper zurück in seine Heimatstadt Marburg gezogen, wo er ein kleines Haus geerbt hat. Sein Leben hier hat er sich jedoch anders vorgestellt. Kurz nach seiner Ankunft muss er in gleich zwei Fällen die Leitung übernehmen und seine unerfahrenen Marburger Kollegen Reckmann und Löwenstein unterstützen.

Ein Chirurg und ein Stadtstreicher werden tot aufgefunden, und es ist unübersehbar, dass die beiden Morde in einem Zusammenhang stehen. Durch die Ermittlungen gerät ein Virologe in Verdacht, der unter anderem mit gefährlichen Krankheiten wie dem (für einen Marburger Regionalkrimi offenbar unverzichtbaren) Marburg-Virus arbeitet. Allerdings schweben er und seine Familie nicht durch diese Viren in größter Gefahr, wie das Finale des Falles zeigt, bei welchem die GSG9 ebenfalls zum Einsatz kommen muss. Dies wirkt ein wenig übertrieben, allerdings hat dieser Fall eine aktuelle politische Brisanz. Der Titel des Buches „Auge um Auge“ bekommt dabei eine wichtige Bedeutung, die erst gegen Ende des Krimis aufgeklärt wird.

Der zweite Fall, der im Gegensatz zu Naus erstem Einsatz deutlich weniger Aufsehen erregendes Spektakel aufbietet, dadurch aber glaubwürdiger erscheint, führt Gisbert Nau in die alten Befestigungsanlagen rund um das Marburger Landgrafenschloss. In den Kasematten wird ein junger Student tot aufgefunden. Die Ermittlungen ergeben, dass dieser Mitglied einer Burschenschaft war. Nau quartiert sich deshalb in dem Verbindungshaus der „Elisabethaner“ in der Oberstadt ein. Ein zweiter Mord an einem ehemaligen Dozenten, der in der Presse als „Nazi-Professor“ bezeichnet wurde, scheint die (für einen Marburg-Krimi wohl ebenfalls obligatorische) Heilige Elisabeth in ein neues Licht zu rücken und steht in Zusammenhang mit der Burschenschaft, die ein Geheimnis zu bergen scheint. Nau begibt sich deshalb zusammen mit seinem Hund Pepper in die Kasematten und versucht die Morde aufzuklären, bevor es zu weiteren Toten kommt. Dabei stehen vor allem die unterirdischen Gänge durch die gesamte Stadt im Vordergrund des Falles und tragen auch zur Lösung bei. Aber auch über das Leben innerhalb einer Burschenschaft erfährt der Leser Wissenswertes.

In beiden Krimis ist der Schluss jedoch eher enttäuschend. Es scheint, als habe der Autor versucht, auf möglichst wenigen Seiten den jeweiligen Fall aufzuklären, und so wirkt der vorher persönliche Schreibstil eher analytisch und konstruiert. Man könnte glauben, Jürgen Hövelmann versucht seine beiden Werke schnell abzuschließen und vergisst dabei auf entscheidende Details zum Verständnis des Falles einzugehen.

Die beiden Kriminalfälle spielen an bekannten Marburger Orten und führen Nau quer durch die Stadt, wie zum Landgrafenschloss, der angrenzenden Oberstadt, zu Instituten der Universität, der Elisabethkirche und der Lahn. Auch deshalb stehen die Morde direkt mit der Universitätsstadt in enger Verbindung. Kommissar Nau kennt sich trotz seiner langen Abwesenheit in Marburg immer noch gut aus und entdeckt seine Heimatstadt aufs Neue. Auch Hövelmann scheint dies zu tun, denn er beschreibt sehr detailreich verschiedene Orte und nennt zahlreiche Straßennamen. Außerdem scheint er eine Vorliebe für das Landgrafenschloss als Tatort zu haben, da in dessen näherer Umgebung die meisten Morde passieren. Es werden auch zahlreiche Marburger Besonderheiten genannt, wie zum Beispiel die „Asthma-Treppe“, die Football-Mannschaft „Marburg Merchants“ oder das Stadtfest „Drei-Tage-Marburg“. Auch der hessische Dialekt kommt (zumindest an einer Stelle) nicht zu kurz. Es mutet an, als wolle Hövelmann dem Leser eine literarische Stadtführung bieten. Es wirkt deshalb stellenweise wie eine Mischung aus Krimi und Reiseführer. Er setzt dennoch Ortskenntnisse voraus. Auch deshalb sind die beiden Kriminalromane interessanter für Marburger und Leute, die in enger Verbindung zu dieser Stadt stehen, als für Leser ohne lebensweltlichen Bezug zur mittelhessischen Universitätsstadt. So ist es auch nicht überraschend, dass der Autor Jürgen Hövelmann selbst lange in Marburg wohnte und dort als Übersetzer, Werbetexter und Journalist arbeitete.

Hövelmann erzählt hauptsächlich aus der Perspektive Gisbert Naus und seiner beiden Kollegen Löwenstein und Reckmann. Der Leser erfährt jedoch neben der eigentlichen Ermittlungsarbeit auch etwas aus dem Privatleben des Kommissars. Gisbert Nau, der in Wiesbaden Karriere gemacht hat, scheint ein guter Polizist zu sein und seine Figur wird authentisch beschrieben. So ist er kein unfehlbarer Ermittler à la Sherlock Holmes, sondern macht auch Fehler und begibt sich selbst dadurch in Gefahr. Vor allem aber sein Musikgeschmack (Rockmusik der 1960er und -70er Jahre) lässt ihn zu einer sympathischen Figur werden. Wie es für Ermittler in aktuellen Krimis geradezu typisch scheint, besitzt auch Nau einen Hund. Pepper selbst hat, wie man zunächst jedoch vermuten könnte, keinen Anteil an den Ermittlungen. Er ist lediglich ein Haustier und scheint Nau bei seiner Arbeit teilweise sogar im Weg zu stehen, da er seinen eigenen Kopf hat.

Die beiden Krimis zeichnen sich nicht durch eine hohe Spannung aus, sondern sollen eher die realistischen Ermittlungsarbeiten der Polizei verfolgen. Und auch wenn die beiden Fälle, die Gisbert Nau auflösen muss, nicht der alltäglichen Arbeit eines Kommissars entsprechen, scheinen die Hinweise auf den Buchdeckeln – „finstere Spannung“ und „atemlose Spannung“ – nicht recht auf die beiden Kriminalromane zuzutreffen. Dazu tragen auch die Erzählperspektive und die genauen Ortsbeschreibungen bei, die eine aufkommende Spannung unterbrechen oder verhindern. An einigen Stellen erscheinen die Fälle, die Nau zu lösen hat, eher unrealistisch und übertrieben, trotzdem, und das gilt ebenfalls für die meisten Lokal- und Regionalkrimis, macht es Spaß die dunkle Seite der eigenen Stadt oder Region zu entdecken.

Titelbild

Jürgen Hövelmann: Auge um Auge. Ein Marburg-Krimi.
Gmeiner Verlag, Meßkirch 2016.
249 Seiten, 9,99 EUR.
ISBN-13: 9783839218938

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Titelbild

Jürgen Hövelmann: Der Kasematten-Mörder. Ein Marburg-Krimi.
Gmeiner Verlag, Meßkirch 2016.
312 Seiten, 11,99 EUR.
ISBN-13: 9783839218945

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