Die Unberatenheit des Weltverbesserers

Heiko Fritz hat ein halsstarriges Buch geschrieben, bleibt aber von Nackenschlägen verschont

Von Frank MüllerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Frank Müller

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Obwohl dieses Büchlein vor Sendungsbewusstsein nur so strotzt, will es bei der Lektüre nicht funken. "An die Jugend" wendet sich hier kein seniler Wirrkopf, der uns an seinem überreichen Erfahrungsschatz teilhaben lässt, sondern ein gerade einmal 35jähriger Methusalem. Der Autodidakt Heiko Fritz, Jahrgang 1965, hat ein wenig in der Bibliothek des Pessimismus und Antiintellektualismus gestöbert und diese Lesefrüchte anschließend durch die eigenen Gehirnwindungen gejagt. Herausgekommen ist eine verquere Privatphilosophie, die streckenweise unter dem Niveau eines Schüleraufsatzes bleibt.

Der Titel bezieht sich auf die Eigenart der apokalyptischen Umwälzung, dass diese nicht nur eine Vernichtung des Alten, sondern auch einen Neubeginn bedeutet. Warum aber zerstört der Mensch seine Lebensgrundlagen wider besseres Wissen? Fritz' Antwort entbehrt jeder Erklärungskraft, da sie sich weitgehend in der abstrakten Negation von Fortschritt und "Geistigkeit" erschöpft. Schon in Zeugung, Schwangerschaft und Geburt will der Autor die Instrumente von Manipulation und Herrschaft erkennen. Und erst das Gängelband der Religionserziehung! Trotz seiner zivilisationskritischen Attitüde mobilisiert "Apokalypse" nicht das geringste entwicklungspsychologische oder sozialisationstheoretische Wissen.

Weiter beobachtet der Autor, dass Jugendliche mittels "rhythmusbetonter Musik, unter Zuhilfenahme des Lautstärkepegels, der an die sinnlichen Ertragbarkeitsgrenzen heranreicht", eine "Geistbetäubung" anstrengen. Fritz' geradezu antisoziologische Zurechtweisungen sind nicht nur von unerträglicher Steifheit, sondern lassen auch erkennen, wie konsequent der Autor auf jede philosophiegeschichtliche und kulturhistorische Fundierung seiner operativen Kategorien verzichtet. Mit Klages hat diese Fortschrittsskepsis nur noch wenig zu tun, eher schon mit der im pädagogischen Diskurs der 80er Jahre verbreiteten Denunzierung des Nachdenkens über das Phänomen der Kopflastigkeit.

Dabei wäre der vernichtende Vorwurf einer unstatthaften Anthropologisierung gesellschaftlicher Debatten schon ein Entgegenkommen, setzt er doch voraus, dass Fritz überhaupt ein Gespür für das Zeitklima besitzt. Viel spricht nicht dafür, denn schon Iring Fetschers ungleich instruktiveren, 1991 veröffentlichten "Überlebensbedingungen der Menschheit" haftet etwas so Unzeitgemäßes an, dass man Fritz schwerlich als Vertreter des ökologischen Utopismus wird einstufen können. Trotz allem will sich der Wille zum Niedermachen aber nicht so recht einstellen. Man hätte den im Kokon persönlicher Weltsicht verkapselten Autor davor bewahren sollen, sich durch eine Publikation Schaden zuzufügen. Wie hat das Manuskript die Hürde des Lektorats überwinden können?

Titelbild

Heiko Fritz: Apokalypse. An die Jugend.
Igel Verlag, Oldenburg 2000.
112 Seiten, 19,40 EUR.
ISBN-10: 3896211153

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