Kritik der antirassistischen Vernunft

Pierre-André Taguieffs Appell für konsequente Toleranz

Von Ute LüdemannRSS-Newsfeed neuer Artikel von Ute Lüdemann

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Die Notwendigkeit dieses Buches begründeten für den Autor Pierre-André Taguieff die immer wiederkehrenden Debatten der französischen Politik um die "Identitätsideologie des Nationalpopulismus" des Front National. Dass aber die Diskussionen um die Neue Rechte, um Rassismus, Vorurteile und Antirassismus auch in Deutschland ein Thema sind, beweist die Empörung über das Wort "Leitkultur".

Taguieff, französischer Philosoph und Politologe, liefert mit seinem umfassenden Werk eine "Überprüfung der Theorie und Praxis eines Antirassismus". Er bezweifelt, dass der Antirassismus das richtige Mittel zur Bekämpfung der rassistischen Ideologie und Politik sowie rassistischen Handelns ist. Ohne eine "Selbstanalyse" der antirassistischen Intelligenz, ohne den Versuch, die Zählebigkeit des Rassismus zu begreifen, gäbe es, so Taguieff, keine Annäherung der Fronten und somit keine Chance für Antirassisten, den Rassismus zu bezwingen.

Rassismus funktioniert wie Klassendenken, indem geteilt und unterschieden wird, um dann diese Ergebnisse in eine hierarchische Ordnung zu bringen. Erst aber in Verbindung mit politischen Ideologien ruft der Rassismus durch Normen und Vorschriften dazu auf, "die (rassengebildet gedachte) Gesellschaft von 'unerwünschten' Elementen zu säubern". Die Darstellung der alltäglichen und wissenschaftlichen Verwendung des Wortes Rassismus zeigt, wie weit gestreut der Gebrauch von Rassismen in der Gesellschaft ist: Rassismus gegen die Jugend, die Alten, gegen die Arbeiter, gegen die Unternehmer, gegen die Bullen, die Schwulen, die Kahlköpfe, "Rassismus gegen X". "Der Begriff Rassismus [...] bekräftigt nur die Konnotation der Feindseligkeit" und betreibt "einen Prozeß der Delegitimierung der Subjekte". Rassismus als Vorurteil, als Ideologie, als Diskriminierung.

Taguieff lässt den Ausführungen zum Gebrauch des Wortes die Entstehung, Wandlung und Geschichte des Rassismus seit dem 19. Jahrhundert folgen; besonders aufschlussreich ist hierbei die Unterscheidung zwischen französischem Nationalismus und deutschem Rassismus.

Taguieffs "Kritik der antirassistischen Vernunft" versucht deutlich zu machen, dass Beschwörungen und Umkehrungen von rassistischen Parolen keine Mittel sind, um die "Macht des Vorurteils", wie er es nennt, zu bekämpfen. Sein Bestreben gilt einem nichtideologischen, heroischen Humanismus, einem "Zustand der Wachsamkeit, in dem die Hellsichtigkeit der Appell zum Mut ist", der allein eine Basis für konsequent nichtrassistisches Verhalten bietet.

Titelbild

Pierre-André Taguieff: Die Macht des Vorurteils. Kritik der antirassistischen Vernunft.
Hamburger Edition, Hamburg 2000.
600 Seiten, 34,80 EUR.
ISBN-10: 393090862X

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch