Ein Roman für jede Lesart
Katarina Düringers "Beim nächsten Buch wird alles anders" - Analysen und Interpretationen deutscher Frauenromane
Von Sebastian Domsch
Besprochene Bücher / LiteraturhinweiseBei Katarina Düringer scheint Kunst noch von Können zu kommen. Zumindest ist der Lieblingsbegriff ihres analytischen Instrumentariums "gekonnt". Schriftstellerinnen setzen gekonnt Wortwitz und Ironie ein, Protagonisten brechen gekonnt Türen auf und Handlungsfäden werden gekonnt miteinander verknüpft. Die Verwendung dieses Wortes ist nur ein Beleg für den Verdacht, dass die Literaturwissenschaftlerin bei ihrer Analyse einer Reihe von Romanen, die von den Verlagen unter dem Schlagtotbegriff "Frauenroman" beziehungsweise "Frauenkrimi" erfolgreich an die Frau gebracht wurden, gelegentlich die Objekt- und die Metaebene durcheinander bringt.
Das fängt bereits bei der Genrebezeichnung an, wo sich zugegeben gleich eine ganze Menge von Fallen auftun. Denn was ist das, Frauenliteratur, Frauenroman oder gar feministische Literatur? Literatur von Frauen, für Frauen, über Frauen? Solche Definitionen sind viel zu allgemein, um genauere Aussagen zu treffen und schränken gleichzeitig bereits wieder ein. Katarina Düringer gibt sich alle Mühe, den Begriffsdschungel zu lichten und eine Arbeitsdefinition herauszudestillieren, doch sie begeht den Fehler, Kategorien, die sich aus einer kritischen Beschäftigung mit Texten entwickelt haben, zusammen mit dem Nullbegriff in einen Topf zu werfen, den sich das Verlagsmarketing ausgedacht hat, und auf den es die Inhalte nachträglich zurechtpresst.
Düringer verschenkt also das Potential ihres Themas ein wenig, das wird spätestens bei der Lektüre der Einzelanalysen deutlich. Da ist viel Nacherzählung zu finden, die sich leider oft so liest, als könnte sie auch ein Klappentext sein. Behandelt werden weitgehend die üblichen Verdächtigen, was bei der Untersuchung eines Massenphänomens nicht weiter verwunderlich ist; es finden sich vor allem die Damen Lind Heller und Hauptmann, im Bereich Krimi Ingrid Noll und Sabine Deitmer. Um nicht einseitig zu sein, werden auch ein paar Außenseiter aufgenommen, wie zum Beispiel die Lesbenkrimis von Lisa Pei und Maria Gronau oder eine Novelle von Simone Borowiak. Es ist faszinierend zu sehen, welche Ergebnisse herauskommen, wenn man dieser kurzen und wirklich bissigen Novelle der "Titanic"-Autorin die Gewalt antut, sie als einen Frauenroman zu lesen.
Zentraler Fokus ist die Frage, ob und inwieweit die vorgestellten Frauenromane und Krimis ihrem emanzipatorischen Anspruch gerecht werden. So wenig die allgemeine Verneinung dieser Frage überrascht, ist es doch erschreckend, wie konsequent die in den Romanen dargestellten Charaktere und Handlungen althergebrachte und konservative Rollenbilder zementieren, die zu unterminieren sie eigentlich vorgeben. Kurios ist dabei, dass Katarina Düringer die innovationsarme Vermengung von halbherziger Ironie, Stereotypen und Handlungsmustern je Schriftstellerin einmal als "recht gekonnt" akzeptiert, um dann von der Wiederholung desselben Gemischs in den Nachfolgebüchern enttäuscht zu sein. Beim nächsten Buch bleibt eben alles gleich, und es erstaunt, wie das die Autorin jedes Mal aufs Neue überrascht, statt dass sie das Muster hinter den Wiederholungen untersucht.
Es kann dem zugegebenermaßen männlichen Rezensenten natürlich nicht gleichgültig bleiben, dass die einzigen überhaupt auftretenden Elemente tatsächlicher weiblicher Selbstbestimmung unweigerlich mit dem Tod des Mannes enden und dieser Tod als ein gelungener Befreiungsschlag angesehen wird. Während die Frauenromanheldinnen noch akribisch auf ihre Glaubwürdigkeit und Authentizität hinterfragt wurden, verliert sich hier der Realitätsbezug ein wenig - so bleibt zumindest zu hoffen.
Einen Vorteil hat die Interpretation Katarina Düringers auf jeden Fall: sie liefert so viele detailreiche Inhaltsangaben, dass man sich die Lektüre der untersuchten Romane getrost ersparen kann.