Goldkehle oder Jetzt spricht die Künstlerin
Sibylle Bergs Roman "Gold" als Hörbuch
Von Sebastian Domsch
Besprochene Bücher / LiteraturhinweiseSchriftsteller, zumindest wenn sie etwas taugen, haben einen eigenen Sound, das ist bekannt. Der Christa Wolf-Sound hat, obwohl gern belächelt, ganze Schriftstellerinnengenerationen geprägt, auch Elfriede Jelineks Stil hat Schule gemacht. Aber hat dieser Sound etwas mit der realen Stimme zu tun? Lesen die Schriftsteller so, wie wir ihre Texte im Kopf hören?
Es gibt auch einen Sibylle Berg-Sound. Wer aufmerksam die Druckerzeugnisse unserer Republik liest, zum Beispiel die "Zeit" oder die "Allegra", dem wird dieser Sound schon einmal aufgefallen sein. Die Stimme, die sich in unserem Kopf aus dem allgemeinen Rauschen erhebt, das die Diskursmaschine Medien produziert, ist unüberhörbar. Sie ist karg und verspielt, schneidend scharf und samtweich. Aber ist das auch die Stimme der Autorin?
Sibylle Berg ist eine Frau, die die eigene Person offensiv in ihr Schreiben einbringt. Sie betreibt genussvoll ein Verwirrspiel zwischen Fakt und Fiktion, wenn sie immer wieder über sich selbst schreibt und sich dabei auch beim Namen nennt, wenn sie Leserbriefe und Kritikermeinungen mit in ihre Texte einbezieht und, nicht zuletzt, indem sie selbst die Cover fast aller ihrer Bücher ziert. Rezensenten laufen gern in diese bereitgestellten Fallen und sehen Sibylle Berg (Autorin) in Sibylle Berg (Selbstinszenierung). Natürlich muss in diesem Feldzug der Selbstinszenierung auch die Stimme ihre Bedeutung haben, und die entsprechende Erwartung ist, dass ihre Lesungen eine ähnliche Theatralik aufweisen wie ihre Umschlagbilder.
Dann folgt die Überraschung. Denn leise kommt ihre Stimme daher, merkwürdig unbetont, fast monoton. Dafür liest sie fast ohne Punkt und Komma, und aus den abgehackten Sätzen wird ein ruhiger Fluss, in dem die herrlichen Boshaftigkeiten und Zynismen ihrer surrealen Prosa eine unaufdringliche Durchschlagskraft entwickeln. Er ist anders als man ihn erwartet hat, der echte, authentische Berg-Sound, aber er ist unverkennbar.
Wer sich Sibylle Berg in Hörbuchform live nach Hause holen möchte, hat jetzt die Auswahl zwischen ihrem Kolumnen- und Reportagenband "Gold" und den ersten beiden Kapiteln ihres letzten Romans "Amerika". Zum Inhalt haben diese Texte alles: das Leben, die Liebe und den Tod - vor allem davon jede Menge -, nur nicht das, worüber zu berichten sie sich vornehmen. Was immer dann besonders vergnüglich ist, wenn die Autorin sich die Kritik zu Herzen nimmt, sie würde zu negativ schreiben. Dann versucht sie es im Guten, doch kann sie einfach nicht über ihren Schatten springen. Denn der ist so groß, dass er sich auf die ganze Welt legt. Die wird dann ein wenig dunkler als zuvor, und wie im Traum erscheinen uns die Dinge, die wir sehen, überreal und gleichzeitig unwirklich. Alles kann passieren, Stahlarbeiter explodieren, Frau Berg regiert die Welt und die Liebe ist nur ein Wort.
Dass es gerade in der Hörbuchfassung vor allem um den Klang und den ununterbrochenen Strom der Rede geht und nicht so sehr um einzeln in sich geschlossene Texte, merkt man schon daran, dass auf der CD oder der Kassette jeder genauere Hinweis darauf fehlt, was man eigentlich zu hören bekommt. Aber das ist egal, solange jeder Satz sitzt in seiner unverwechselbaren Art. Man kann sich nur zurücklehnen und zuhören, Gegenwehr ist ohnehin zwecklos.
So wie die Autorenbilder von Frau Berg so tun, als wäre sie nur eine hübsche, junge (und damit harmlose) Frau, so tut ihre Stimme und die Art, wie sie liest, so, als wäre das, was sie sagt, alles gar nicht so furchtbar böse, hoffnungslos und wahr.
Ist es aber.
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