Schlag um Schlag

Don De Grazias Debütroman "American Skin" ist ebenso brutal wie poetisch

Von Anette MüllerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Anette Müller

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Alex Verdi ist siebzehn Jahre alt, als seine Eltern wegen Handels mit Cannabis verhaftet werden und seine kleine Schwester in ein Kinderheim kommt. Alex gelingt es, nach Chicago zu entkommen und ist nun auf sich allein gestellt, bis er bei einer Schlägerei Tim Penn trifft, den Anführer einer anti-rassistischen Skinhead-Gang. Tims Gang wird für Alex zu der Familie, die ihm genommen wurde; gemeinsam kämpfen sie fortan auf den Straßen Chicagos gegen Frank Pritzger und seine Nazi-Skinheads.

Don De Grazia schildert voller Tempo und Spannung, wie Sex, Drogen und Gewalt fortan Alex' Leben bestimmen, und betrachtet somit Amerika von ganz unten, aus der Gosse heraus.

Dennoch ist Alex' Geschichte nicht nur die eines Abstiegs, Alex bleibt sich seiner Position in der Gesellschaft stets bewusst und träumt den Traum von einem bürgerlichen Leben, das ihm durch die Verhaftung seiner Eltern und seiner Zugehörigkeit zu der Skinhead-Gang für immer verwehrt zu sein scheint. Je tiefer er im Sumpf der Gewalt versinkt, desto größer wird seine Sehnsucht nach einer Rückkehr in die "normale" Gesellschaft.

Nach einem besonders heftigen Straßenkampf gegen die Nazi-Skins passiert das Unvermeidliche: Alex landet im Gefängnis und danach in einem einer Besserungsanstalt nicht unähnlichen Armee-Camp, wo sich seine Läuterung vollzieht. Alex schreibt sich im College ein und lernt ein Mädchen aus "gutem Hause" kennen, dem er seine bewegte Vergangenheit verschweigt. Dennoch ist für ihn kein Happy End in Sicht, ein Studienplatz an der Universität bleibt ihm verwehrt.

De Grazia schont den Leser dabei nicht eine einzige Sekunde, seine Beschreibungen der Kampfszenen zwischen den beiden feindlichen Gangs sind detailgenau und mitunter fast unerträglich zu lesen, machen aber auch einen Teil der Faszination des Stoffes aus. De Grazias Sprache ist poetisch und brutal, seine Betrachtungen glorifizieren nicht die so gern dargestellte Romantik einer Gang, die auf Leben und Tod zusammengeschweißt ist. Alex' Entwicklung vom Jungen, der ein bisschen Heimat und Zusammengehörigkeit sucht, zum jungen Erwachsenen, der seine Situation illusionslos reflektiert und Auswege sucht, ist nachvollziehbar und unsentimental. De Grazia liefert dem Leser ein eindrucksvolles Bild der U.S.A. jenseits von BMW-fahrenden und schönheitsoperierten Teenagern, Lichtjahre entfernt von einem "United we stand"-schmetternden Amerika, und er durchleuchtet gnadenlos Rassen- und Gesellschaftsunterschiede.

Titelbild

Don De Grazia: American Skin. Roman.
Übersetzt aus dem Amerikanischen von Teja Schwaner.
Aufbau Taschenbuch Verlag, Berlin 2001.
336 Seiten, 9,20 EUR.
ISBN-10: 3746617111

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