Kidnapping in der Telefonzelle

Michael Köhlmeiers "Calling"

Von Brigitte RubanRSS-Newsfeed neuer Artikel von Brigitte Ruban

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

"Calling" heißt die jüngste Erzählung des österreichischen Schriftstellers Michael Köhlmeier und trägt den vielsagenden Untertitel "Eine Kriminalgeschichte". Doch schon hier wird der Leser in die Irre geführt und dem - ersten Anschein nach - um die Geschichte betrogen. Die Handlung ist schnell umrissen:

Elisabeth Muhar erhält den Anruf eines Unbekannten, der sie mit den Worten: "Noch lebt er" in Verzweiflung stürzen und damit ihr Leben vollends verändern wird. Anfangs läßt sie sich nicht auf den Mann ein, bricht aber bald das Gespräch ab. Der anonyme Anrufer meldet sich wieder und droht nun, ihren Ex-Mann umzubringen, sollte sie noch einmal auflegen. Es stellt sich heraus, daß der Unbekannte Elisabeths Ex-Mann in einer Telefonzelle mit der Pistole bedroht. Was der Mann von ihr will, bleibt im Unklaren. Will er lediglich ein Spiel mit ihr treiben und seine Macht auskosten? Sein Frage-Antwort-Spiel hält Elisabeth in Schach; er beschimpft sie, lobt sie, bedroht sie, wiegt sie dann wieder in Sicherheit. Dennoch gelingt es ihr, den Anrufer zu überlisten und mittels eines schnurlosen Telefons eine Nachbarin zu informieren.

Köhlmeier erzählt in "Calling" eine Fülle nachgeordneter Geschichten: die des Lebens einer Frau der 68er-Generation, die einer gescheiterten Ehe und die eines Engels. Seine Erzählung wirft Fragen auf: "Wie reagieren Menschen in Extremsituationen? Wieviel kann ein Mensch ertragen?" Fast beiläufig reflektiert er die Einsamkeit der Großstadtmenschen.

All das gelingt in einer kurzen Erzählung, die den Anspruch ernster Literatur gekonnt mit guter Unterhaltung verbindet.

Titelbild

Michael Köhlmeier: Calling. Roman.
Deuticke Verlag, Wien 1998.
96 Seiten, 10,20 EUR.
ISBN-10: 3216304124

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