Das Geheimnis guten Stils

William Zinssers "Schreiben wie ein Schriftsteller" schärft das Sprachgefühl

Von Gunnar KaiserRSS-Newsfeed neuer Artikel von Gunnar Kaiser

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Der Berliner Autorenhaus-Verlag hat sich seit einigen Jahren mit zahlreichen Ratgebern zum Schreiben einen Namen gemacht, darunter Bücher über Verkaufsstrategien, Autorenrechte oder das Deutsche Jahrbuch für AutorInnen. Auch Dorothea Brandes Klassiker über das Schreiben von 1934, "Schriftsteller werden", ist im letzten Jahr dort erschienen. Mit seinem (noch) bescheidenen, aber ausgewogenen Angebot wendet sich der Verlag vor allem an angehende Schriftsteller; deshalb ist es auch nicht verwunderlich, dass der bereits 1976 erschienene Ratgeber "On Writing Well" nun leicht missverständlich mit "Schreiben wie ein Schriftsteller" betitelt ist.

Es geht Zinsser weniger darum, Autoren von Fach- und Sachbüchern, Biografien, Reiseberichten, Kritiken, Geschäftskorrespondenz und Abhandlungen in Wissenschaft und Technik beizubringen, ihre Arbeiten nach der Methode von Fiction-Autoren zu verfassen, als vielmehr zu zeigen, wie man "gut" schreibt. "Wenn Sie klar denken können", macht Zinsser dem Leser im Vorwort Mut, "dann können Sie das, was Sie denken und wissen, auch in geschriebene Worte fassen." Hier liegt für Zinsser der zentrale Aspekt: Alle, die professionell schreiben, haben eines gemeinsam - sie beherrschen ihre Sprache. Und was es bedeutet, gut zu schreiben, zeigt Zinssers Buch in vier Kapiteln, die sich mit Grundsätzen des Schreibens, seinen Methoden, den einzelnen Genres und der inneren Haltung des Schreibenden befassen.

Das Wichtigste an einem gut geschriebenen Text ist für William Zinsser der Mensch, dessen Persönlichkeit hinter der Sprache fühlbar werden muss. Daher rät der amerikanische Journalist dem Autor zu Lebendigkeit, Kürze und Klarheit, die den Leser von Absatz zu Absatz mitziehen sollen. Er will die Aufmerksamkeit des Schreibenden auf unnötigen Ballast, unlogischen Aufbau und unpersönlichen Stil des Textes richten, was ihm durch die zahlreichen einleuchtenden Beispiele auch gelingt. Nachdem Zinsser Grundlegendes über Einheitlichkeit sowie Anfang und Ende von Texten gesagt hat, geht er mit durchweg nützlichen Empfehlungen auf die oft so ausschlaggebenden Feinheiten der Textgestaltung wie den Gebrauch von Verben, Adverbien, Zeichensetzung usw. ein. Zinssers Sprachgefühl zeugt dabei von seiner jahrzehntelangen Arbeit als Journalist, Redakteur und Lehrer.

Im dritten Kapitel des Buches gibt der Autor weitere Ratschläge aus der Praxis zu den verschiedenen Genres nichtfiktionalen Schreibens wie z. B. Reisebericht oder Rezension. Während die erste Hälfte des Buches auch für Schriftsteller fiktiver Prosa überaus wertvoll ist, geht es nun eher um speziell journalistisches Schreiben. Das Schlusskapitel mit seinen Ausführungen zur inneren Haltung, zu Freude, Furcht, Vertrauen oder Zwang beim Schreiben, bietet allerdings wieder allgemein anwendbare Hinweise. Zinsser schließt sein Buch mit Bewertung und Korrektur eines seiner eigenen Reiseberichte, bei dem man einen detaillierten Einblick in die Werkstatt des Schriftstellers erhält.

Den Grundanliegen seiner Schreibtipps gemäß ist Zinssers Buch in einem ebenso schlichten wie klaren, ebenso frischen wie kenntnisreichen Stil verfasst. "Schreiben wie ein Schriftsteller" überzeugt durch die Liebe seines Verfassers zum geschriebenen Wort, die sich in scharfsinnigem Beobachten und in brauchbaren Ratschlägen kundtut. Man bekommt das Gefühl, es mit jemandem zu tun zu haben, der seine Sache äußerst ernst nimmt, der um die Qualität der Sprachbehandlung leidenschaftlich ringt und der den Leser davon überzeugt, es ihm gleich zu tun und dabei zu sich selbst zu stehen. Für einen Schriftsteller, der Proust nacheifert, mögen die dauernden Ermahnungen zu Kürze und Schlichtheit ungeeignet sein; sowohl angehende als auch erfahrenere Nonfiction-Autoren aber werden in Zinssers Buch eine Fülle von Anregungen finden.

Titelbild

William Zinsser: Schreiben wie ein Schriftsteller. Fach- und Sachbuch, Biografie, Reisebericht, Kritik, Business, Wissenschaft und Technik.
Übersetzt aus dem Amerikanischen von Kirsten Richers.
Autorenhaus-Verlag Manfred Plinke, Berlin 2001.
236 Seiten, 14,90 EUR.
ISBN-10: 3932909720

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