Komm nicht zurück, Geliebter

Carilda Oliver Labras Gedichte über die Liebe

Von Ron WinklerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Ron Winkler

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Sie ist eine Grande Dame der kubanischen Literatur, Carilda Oliver Labra. Eine Seherin und Sängerin der Liebe - der Ängste, Verluste und Bewältigungen, der Fantasien, Alltäglichkeiten und Alpträume. Ihre lyrische Sprache bildet Formeln, die immer wieder die verschiedenen Zustände der Liebe auszuloten versuchen, dieser Kardinals-Emotion. Unentwegt kreuzt die Dichterin gegen die Zentrifugalkräfte der Liebe genau wie gegen die stillen Winde des Verblassens.

Das Gedicht dient bei Carilda Labra der Energieerhaltung und Bewusstseinswahrung, es lebt die Fantasie gegen den unscheinbaren Alltag, es erinnert sich der Nuancen, bevor sie sich in vagen Stimmungen zu verlieren drohen. Die Gegenwart und die Stärke, sie zu bestehen, resultieren aus dem ausgefeilten Umgang mit dem vorher Geschehenen. Die hier spricht, will sich des Verlorenen bemächtigen oder den Verlusten vorbeugen. Ohne geklärte Vergangenheit keine Visionen.

Carilda Oliver Labras lyrische Sondierungen suchen das Gespräch und sind es zugleich. Und das Sprechen ist Anrede und Klage, Fragezeichen, Bericht, Szene oder Seance. Es tastet die Stimme einer Verlassenen. "Nackt" sei sie, schreibt die Autorin, und "schmutzig" von Schönheit, von "einer Schönheit". Es ist die Schönheit eines verlorenen Geliebten, das tragische Mal der Enttäuschung. "Mir ist ein Mann abhanden gekommen. / Und alle lachen, / vergnügen sich, / schwitzen, / kauen, / toben sich aus bei Nacht; / verächtlich, / unsäglich, / leichtfüßig, / einmütig, / als sei nur eine Nadel zu Boden gefallen / oder das trockene Blatt / vom Baum des Guten und Bösen, / als wäre der Tod nicht / zur Unzeit / in unser Haus getreten."

Der das Glück war und ist nur mehr "ein verschwommener Gott", eine scharfe schneidende Wunde in der Biografie. "Ich gehe neben meinem Gerippe her", schreibt Labra, und meint wohl mehr als nur sich selbst. Schmerz schreibt diese Gedichte, und Begehren, unerfülltes Begehren. Die Dichterin sendet Lockungen und Drohrufe, Gebete und apotropäische Zeilen. Es gilt, "das Quecksilber aus allen Spiegeln" zu "reißen", um eine eigene Schrift auftragen zu können.

"Um sieben in meiner Brust" ist "in-Agonía"-Dichtung, aber trotz der Depressionen ist sie nicht larmoyant. Die zurückgelassene Stimme kennt energetische Momente, Aufbrüche, Seitendiskurse. Das Leben ist - mindestens -zweischneidig und lässt sich vielleicht auf den lakonischen Nenner bringen: "schmutzige Serpentinen / und Mangos auf dem Tisch".

Die Poesie Carilda Labras sucht diese Ambivalenzen. In der Pyrrhus-Existenz die Beglückungen, gegen Horror und Leere sinnliche Areale. "Das Leid kommt", heißt es unumstößlich, und: "alles ist Stein". Doch wo Inspiration ist, ist auch Hoffnung, ist Beglückung. Das Ich wehrt sich, im Fluss Lethe unterzugehen. "Gestern träumte ich, daß ein Schuß fiel, / während wir uns küßten, / und keiner von uns die Hoffnung aufgab. / Das ist eine Liebe, die niemandem gehört; / Wir fanden sie verirrt, / gestrandet, auf der Straße. / Du und ich, / wir nahmen sie, ihr Schutz zu geben."

Das Ich gibt sich nicht auf, weil es noch Konturen finden will. Es motiviert sich an den Tristessen, an der Niederkunft aus Staub - auch wegen der eigenen Sehnsucht nach dem Sehnsüchtigsein. Alle Gedichte zusammen sind eigentlich ein großes Gedicht. Und "eine Frau schreibt dieses Gedicht / beladen mit Ultimaten / mit Staub / mit Wimperntusche / grün zeitgenössisch kindisch / zwischen Uran / und / Kobalt / Klee der Hoffnung / genesend von Liebe / falsch bis zur Ekstase / dumm wie eine Schnulze / neurotisch / mit Träumen die sie in ein Sparschwein steckt / Nymphe des Traumas / Braut der Messer / die spielt nicht das Licht zu verlieren mit der letzten Karte / eine Frau schreibt dieses Gedicht". Eine Gezeichnete. Und eine Zeichnende.

Titelbild

Carilda Oliver Labra: Um sieben in meiner Brust. Gedichte über die Liebe.
Übersetzt aus dem Spanischen von Dorothee Engels und Erich Hackl.
Distel Verlag, Heilbronn 2001.
122 Seiten, 16,80 EUR.
ISBN-10: 3923208588

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