Ein Yankee auf Reisen

Christopher Bakers Reisebericht "Mi Moto Fidel"

Von André SchwarzRSS-Newsfeed neuer Artikel von André Schwarz

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Wie einst sein berühmtes Vorbild Ernesto Guevara Südamerika, so wollte Christopher Baker als "eine Art moderner Che" mit seinem Motorrad Kuba entdecken, dem Land "seine Geheimnisse entreißen". Der Reisebericht tritt aber in "Mi Moto Fidel" zunehmend in den Hintergrund, denn der englische Journalist, auch Autor eines Reiseführers, machte auf seiner Fahrt "einen radikalen Sinneswandel" durch -er betrifft seine Einstellung zum politischen System in Kuba.

Man mag zum "Tropensozialismus" stehen, wie man will, Bakers einseitige Sichtweise verleidet dem Leser das Buch frühzeitig und nachhaltig. Da schwadroniert er - früher angeblich Anhänger des Sozialismus - über die Beamten, beschimpft sie als "kommunistische Hitler", die "Allgegenwart dieser übertriebenen Kontrolle" im "Polizeistaat Kuba" macht ihn "wahnsinnig". Baker ist allerdings auch niemand, der sich auch nur um die elementarsten Vorschriften kümmert. So dringt er hier mal in ein Sperrgebiet ein, hängt da mal einen Streifenpolizisten ab, der nur eine "Jawa" fährt und ihm daher nicht folgen kann, oder brettert angetrunken mit einer ihm angemessen erscheinenden Geschwindigkeit durch Havanna. Einreisebestimmungen oder sonstige Formalitäten werden geflissentlich ignoriert: "Autorität macht mich immer rebellisch".

Nicht rebellisch, sondern gar unerträglich macht ihn sein Auftreten in diversen Situationen. So pöbelt er in der Schlange vor der "coppelia" - der Eisdiele - die Verkäuferin an oder lässt in einem Restaurant das Essen mehrmals zurückgehen, da es nicht seinem Geschmack entspricht. Vorher hatte er sich noch "verständnisvoll" über die Unstimmigkeiten der Lebensmittelversorgung ausgelassen. Hotels sind grundsätzlich schlecht, die Bedienung unfähig und unfreundlich, dauernd muss man seine Sachen im Auge behalten, um nicht beraubt oder betrogen zu werden, und ständig wird man von Prostituierten belästigt. Die Prostitution findet Baker natürlich nicht gut, was ihn aber nicht hindert, mit nahezu jeder "jinetera" mitzugehen und ausführlich die sexuellen Fertigkeiten und Vorteile der Kubanerin an sich darzulegen - wie auch die eigenen Liebhaberqualitäten. Schließlich ist er "frei und ungebunden [...] als Mann allein mit dem Motorrad auf einer freizügigen Insel unterwegs".

Die Beschreibung der Reise liest sich in weiten Passagen wie ein Werbeprospekt für Motorräder, wenn Baker etwa lang und breit die Vorzüge seiner BMW preist und sich sichtlich stolz an der Bewunderung der völlig untermotorisierten Einheimischen für seine Maschine ergötzt.

Man hat über weite Strecken den Eindruck, man würde einen Zoobesucher begleiten, der edle Wilde besucht und sich an ihren pittoresken Gebräuchen erheitert. Da kann Baker noch so oft behaupten, die Kubaner würden ihm "Ehrfurcht einflößen". Auch wenn er sich ständig für seine Ansichten entschuldigt und zurückrudert, Baker verhält sich wie die von ihm verachteten "typischen" Touristen: Die lärmenden Deutschen, die tumben "norteamericanos" oder die sexgierigen Kanadierinnen, auf die er herablassend schaut, so anders sind sie nicht. Baker wirkt wie die Inkarnation des kubanischen "Yankee"-Zerrbildes, das er nie sein wollte, wenn er sich mit seinen Freunden mit viel Rum und ein paar Nutten die Abende vertreibt.

Titelbild

Christoph Baker: Mi moto Fidel. Mit dem Motorrad durch Kuba - ein Reiseerlebnisbericht unserer Tage.
National Geographic, Hamburg 2001.
308 Seiten, 19,95 EUR.
ISBN-10: 393438532X

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch