Über den Dächern von Havanna
Pedro Juan Gutierrez schreibt eine "Schmutzige Havanna Trilogie"
Von André Schwarz
Besprochene Bücher / Literaturhinweise"Ich konnte der Versuchung nicht widerstehen, und [...] steckte ihn ihr in den Arsch, ganz sachte [...]. Es tat ihr furchtbar weh, aber dann konnte sie nicht genug bekommen. Sie biß ins Kissen, streckte mir den Arsch entgegen und flehte, ihn ganz reinzustecken."
Mit einer Verspätung von vier Jahren erscheint die "Triologia sucia de La Habana" von Pedro Juan Gutierrez nun endlich auch in deutscher Sprache bei Hoffmann und Campe. Jahrelang hatte sich kein Verlag an den Roman getraut: Zu sexistisch, zu machohaft und politisch in keinster Weise korrekt schien dieses Werk. Wahrlich, es ist für Zartbesaitete eine harte Kost, genüsslich schwelgt Gutierrez in Details. Brutal und schonungslos widmet er sich den Schattenseiten Kubas. Havanna, die Stadt, in der Gutierrez alter ego Pedro lebt, ist zu Beginn der neunziger Jahre, inmitten der "periodico especial", eine Stadt am Rande des Abgrunds. Das Leben ist ein einziger verzweifelter Kampf, der Staat verwaltet ein großes Nichts. Wenn man nicht gerade auf der Suche nach einem Job, etwas essbarem oder den einfachsten Dingen des Alltags ist, versucht man die Zeit totzuschlagen oder das Chaos mittels Drogen oder eines Gläschens Rum zu vergessen. Schmutzig, stinkend sind die verrottenden Häuser am Malecon, illegale Ein- und Ausbauten, das Klima und die Untätigkeit der Behörden lassen die Bewohner bei jedem Regen um ihr Leben fürchten. "Im Inneren bröckelt es, dieses unglaubliche Labyrinth aus Treppen ohne Geländer, Dunkelheit, ranzigen Gerüchen, stinkend nach Kakerlaken und frischer Scheiße. Die Flure werden versperrt von illegal angebauten Zimmern und hallen wider vom Streit und den Raufereien der Schwarzen", so Pedro über das Haus eines Freundes. Manche Passagen klingen rassistisch, doch dies wäre eine falsche Einschätzung. Sie sind lediglich schonungslos direkt, eine deutliche Ansage an die Bigotterie der Political correctness. Gutierrez schreibt eine knappe, deutliche und von unnötigem Ballast befreite Sprache, frei von schöngeistigem oder philosophischen Beiwerk. Machohaft und von sich selbst überzeugt klingen zwar viele Episoden, doch macht dies in gewisser Weise auch einen Reiz des Buches aus.
Nonchalant gibt sich Pedro auch in Sachen Sex: "Sex ist nichts für Weichlinge. Sex ist ein Austausch von Flüssigkeiten, Säften, Atem und strengen Gerüchen, Urin, Samen, Scheiße, Schweiß, Mikroben, Bakterien. Oder es ist kein richtiger Sex. Wenn es nur bei Zärtlichkeiten und ätherischer Spiritualität bleibt, ist es nur eine sterile Parodie dessen, was es sein könnte." Offen, ohne schamhafte Verhüllung beschreibt er seine zahlreichen Kopulationen mit wechselnden Partnerinnen, zumeist Mulattinnen. Weiße, wohlriechende oder zarte Frauchen verabscheut er beinahe. "Ich benutze Sex wie ein Krimi-Autor seine Leichen" so sagte Gutierrez einmal in einem Interview. Sex ist dazu da, die "Handlung voranzutreiben", doch dies ist nicht das ausschließliche Ziel. Hinter den drastischen Worten steckt oftmals die Liebe und die Hoffnung, das Leben feiert inmitten des Zerfalls und des Chaos seine Wiedergeburt und sein Aufbegehren, trägt eine ungeheure Kraft in sich.
Mit der Politik hingegen haben weder Gutierrez noch Pedro viel am Hut. In wenigen Worten wischt Gutierrez das Gerede der Genossen beiseite, es finden sich erstaunlich viele Andeutungen und auch deutliche Hinweise auf das Gebaren des "alten Mannes". In der Geschichte "Einige Dinge vergehen nicht" spricht er die Aktionen gegen Andersdenkende direkt an: "Der Alte hatte Angst, dass der geringste individuelle Freiraum zu einem Freiraum für Ideen würde." Eine mutige Aussage, fürwahr. Ein Anhänger Castros ist Gutierrez nicht, nicht der Glaube an die sozialistische Revolution hält ihn, der in Havanna lebt, auf der Insel. Vielmehr ist es die Liebe zu Havanna, auch wenn die Stadt den Eindruck eines gefräßigen Molochs erweckt, die Liebe zu seinem Kuba, dem Leben dort, auch wenn es mitunter hart ist und natürlich die Liebe zu einer hinreißenden, begehrenswerten "mulata".