Beim Spaziergang auf sich selbst treffen

Georg Bydlinskis "Schneefänger"

Von Nadine GottschlingRSS-Newsfeed neuer Artikel von Nadine Gottschling

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

"Jedes Gedicht wie ein Zimmer für einen langen Moment." Langlebigkeit der kurzen Worte, Ausharren in sich selbst und der Natur. Die Stille genießen, die Musik verschlingen. Bunte Bilder aus Metaphern - manchmal, wie von einem Kind gemalt, dass noch in der Lage ist, sich über die Welt zu wundern.

Das alles schafft Georg Bydlinski. In seinem Lyrikband "Schneefänger" entreisst er den Leser für den Bruchteil einer Sekunde der Wirklichkeit. Doch die Bedeutungen seiner Worte hallen noch lange nach.

Er kategorisiert, teilt seine Gedichte in Lebensphasen, Liedzeilen, das Alphabet und die Reisen ein - unnötig, denn seine Worte fließen, kennen keine Grenzen. Und seine Botschaft ist eindeutig, sein Grundtenor lässt sich nicht durch Typologisierung trennen.

Bydlinski, dessen Muse die Natur zu sein scheint, beobachtet, was um ihn herum geschieht. Er sieht den Mann, der jeden Tag nach fünf Schritten Entfernung seiner Frau zuwinkt. Und er bemerkt den Tag, an dem der Mann einfach weitergeht.

Bydlinski führt zurück in die Vergangenheit, lässt den Leser wieder Kind werden, den Schnee schmecken, den Regenbogen beobachten und das Holz in der Sonne riechen. Und im Hier und Jetzt ist er immer noch in der Lage, sich und den Leser aus der Hektik des Alltags zu befreien, für einen Moment still zu bleiben, der Musik zu lauschen, dem Zeitdruck den Atem zu nehmen und den Lärm der Stadt zu überhören.

Und zwischen all den Traumfängerein leistet er es sich, soziale Kritik einzubinden. In Satzfragmenten plädiert er für die Eigenständigkeit des Denkens, für die "Treue zum Traum". Dass sein bevorzugtes Publikum die Kinder sind, ist nicht zu übersehen. Die Einfachheit seiner Worte, die so existentiell wirken, verraten den Dichter. Absätzen, Enjambement und Brüche, verleihen allem einen kaum erwarteten Sinn.

Dass Bydlisnki Ideen von Musikern umsetzt, stört dabei nicht, sondern zeigt einmal mehr seinen Sinn für die Beobachtung der ihn umgebenden Dinge: Er sieht nicht nur, er hört, schmeckt, fühlt auch. Er ist im Einklang mit sich und trotzdem weiß er, dass es in dem uns Umgebenden noch Einiges zu verbessern gilt.

Titelbild

Georg Bydlinski: Schneefänger. Gedichte.
Edition Atelier, Wien 2001.
98 Seiten, 14,30 EUR.
ISBN-10: 3853080634

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch