Kiebitz oder Kondor?

Zwei Hörspiele um Kommissar Wallander

Von Alexander MüllerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Alexander Müller

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Henning Mankells Kriminalromane sind in Deutschland überaus populär. Sein leidensfähiger Kommissar Wallander scheint dabei Identifikationsfigur und Idealbesetzung zugleich. Dieser Mann ist etwas schwerfällig, tut sich mit Frauen hart, trinkt auch mal einen über den Durst, hat Angst im richtigen Moment und gibt doch nie auf, für seine Sache zu kämpfen. Der Münchner Hörverlag hat sich abermals seiner Fälle angenommen und zwei weitere Vertonungen vorgelegt.

Der erste Wallander-Krimi "Mörder ohne Gesicht" beginnt mit Donnergrollen und dem Fund einer Leiche. Ein altes Bauernehepaar wurde grausam zugerichtet, der Mann ist bereits tot, die Frau stirbt später im Krankenhaus mit den Worten "Ausländer, Ausländer" auf den Lippen. Ist das ein brauchbarer Hinweis für Wallander? Oder sollte er dem seltsamen Faktum nachgehen, dass die Mörder das Pferd des Bauern mit noch frischem Heu fütterten? Es ist zunächst einerlei, da etwas geschieht, das ganz sicher nicht geschehen sollte: Die Presse Ystadts kolportiert die letzten Worte der Bauersfrau und weckt damit rassistische Ressentiments in der Bevölkerung, bis es gar einen weiteren Toten zu beklagen gibt. Am Ende zeigt sich, dass detektivischer Spürsinn allein nicht immer weiterhilft, da der Zufall bei Verbrechen eine allzu große Rolle spielt. Man ahnt jedoch, dass gerade dieser Zufall auch den verzweifelnden Ermittlern auf die Sprünge helfen wird.

Es soll an dieser Stelle nicht die unselige Diskussion um die generellen Defizite von Hörspielfassungen gegenüber ihren Romanvorlagen fortgeführt werden. Die Edition der Wallander-Krimis ist ansprechend gestaltet, einheitlich, zuweilen allerdings glatt und effekthascherisch inszeniert, so wie es einer erfolgreichen Serie von Krimis wohl entsprechen sollte. In der trefflichen Stimme von Heinz Kloss, der den Protagonisten spricht, schwingt Wallanders privates Trübsal stets mit, so dass eine Charakterisierung über den reinen Inhalt hinaus gelingt. Die notwenige Verknappung gewisser Handlungsstränge im Hörspiel sorgt für ein hohes Tempo, in diesem Fall, angesichts einer Parallelhandlung, zwischenzeitlich für eine zu hohe Geschwindigkeit. Der Mord an dem somalischen Asylbewerber bleibt daher wenig rätselhaft. So rasch wie er aufgeklärt wird, so moralisierend wird währenddessen der Ton Mankells. Im Umkehrschluss mag man dem Autor vorwerfen, dass in seiner Fiktion jemand sterben muss, damit er darüber lamentieren kann.

"Hunde von Riga" hingegen ist diesbezüglich konzentrierter, was vor allem dem Plot geschuldet ist. Die Hörversion ist spannend und überraschend. Wiederum beginnt alles mit zwei Toten, diesmal in einem Rettungsboot an die schwedische Küste getrieben. Die Toten können mit Hilfe des Majors Liepa identifiziert werden, doch wird dieser liebgewonnene lettische Kollege allerdings kurz nach seiner Rückkehr selbst Opfer einer Gewalttat. Kurt Wallander ermittelt in Riga, einmal offiziell, einmal nach illegaler Einreise. Immer tiefer wird er in den Sog einer Verschwörung hineingerissen, die hintergründig von politischen Differenzen zwischen der abspenstigen Provinz und der noch einflussreichen Sowjetunion motiviert wird. Schließlich stellt sich die Frage, wer von den Verdächtigen ,Kiebitz' oder ,Kondor' ist, harmloser Sing- oder skrupelloser Raubvogel, ein klassisches Whodunit, das in der Zuspitzung auf diese entscheidende Frage die politischen Beweggründe schnell aus den Augen verliert, um sie im Nachhinein erst zu erläutern. Die manchmal reißerisch präsentierte Gewaltsamkeit eines korrupten Regimes mag in der Hörspielfassung nicht gerade als subtile Analyse des lettischen Staates im Umbruch angesehen werden, wie es Mankells eigener Anspruch, die "Gesellschaft durch den Spiegel des Verbrechens" anzusehen, nahelegt. Als unterhaltsames, angemessen inszeniertes Hörspiel funktioniert "Hunde von Riga" unter der Regie von Simon Bertling und Christian Hagitte allemal.

Titelbild

Henning Mankell: Hunde von Riga. 2 CD.
Der Hörverlag, München 2002.
17,90 EUR.
ISBN-10: 3895845981

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Titelbild

Henning Mankell: Mörder ohne Gesicht. 2 CD.
Der Hörverlag, München 2002.
17,90 EUR.
ISBN-10: 3895845965

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