Der Spion, der mich siebte

Siegfried Tesches kritischer Blick auf James Bond

Von Frank MüllerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Frank Müller

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Im gewöhnlichen Leben verbirgt sich hinter der Doppel-Null ein Ort, an dem kein Mensch etwas zu befürchten hat. Im James-Bond-Film steht sie für die Lizenz zum Töten - im Dienste Ihrer Majestät. Nonchalant und ohne mit der Wimper zu zucken befördert der smarte Geheimagent seine Gegenspieler und deren Gefolgschaft ins Reich der Schatten.

Oft genug müssen auch Bonds Gespielinnen den Kopf hinhalten, damit der Filmheld unbeschadet seinen Wodka Martini genießen kann: Sie dienen entweder als Kugelfang oder hauchen ihr Leben nackt und mit Blattgold überzogen aus. Legitimiert wird solche Rücksichtslosigkeit durch das imaginierte Ausmaß der Bedrohung: Bond kämpft zumeist gegen übermenschliche Verbrecher, die entweder russischer, asiatischer oder deutscher Herkunft sind und häufig die ganze Welt bedrohen.

Schon der erste Bond-Film "James Bond jagt Dr. No" musste sich scharfe Kritik gefallen lassen. Gerügt wurden Sex, Chauvinismus und sadistische Gewaltszenen. Vor allem die kaltblütige Ermordung von Prof. Dent, dem, obwohl er schon getroffen am Boden liegt, noch zwei Kugeln in den Rücken gejagt werden, verursachte anhaltenden Streit.

Auch mit "Goldfinger" wurde hart ins Gericht gegangen. Szenen wie die des zwischen der Stahlwand und der geöffneten Tresortür von Fort Knox beiläufig zerquetschten Menschen, die Gaskammerszene oder der 'simulierte' Gasangriff der weiblichen Fliegerstaffel auf die Regierungstruppen schienen an Bestialität kaum zu überbieten. Einige Kritiker bescheinigten dem Film sogar eine neofaschistische Affinität.

Es gehört zu den Vorzügen von Siegfried Tesches Bond-Filmografie, dass sie entgegen den vom Bond-Produzenten Eon Productions entweder kommerzfreundlich auf Linie gebrachten oder aber juristisch behinderten Darstellungen auf solche Aspekte hinweist und darüber hinaus noch mit umfangreichen Informationen zu den Hintergründen, Drehorten und Schauspielern aufwartet. Besonders aufschlussreich: Eine vom Autor formulierte "Film-Formel" zeigt, dass jeder Bond-Film mehr oder weniger nur einem einzigen Muster folgt. Zu den Widersprüchen der Bond-Filme gehört fraglos auch der Gegensatz zwischen dem Sarkasmus, der Roheit und Brutalität des Agenten und ihrer ästhetisierenden Darstellung. Bond geht über Leichen, aber dieser rote Teppich wirft nicht eine einzige Falte und wird von keinem noch so kleinen Stäubchen verunziert.

Zu Bonds angenehmeren Zügen zählt, dass er alle gesellschaftlichen Konventionen aus dem Eff-Eff beherrscht; er ist gutaussehend, Feinschmecker, Weinkenner, exzellenter Spieler und trägt immer stilvolle, maßgeschneiderte Kleidung, noch in den heikelsten Situationen bewegt er sich mit geschmeidiger Sportlichkeit. Ferner fast schon ein Mythos sind die raffinierten Vorspänne von Maurice Binder oder die grandiosen Filmbauten des Production-Designers Ken Adam. Und die zahlreichen Markenartikel, mit denen sich Bond schmückt, sind ohnehin ein Kapitel für sich.

Während die älteren Produktionen noch vom Kalten Krieg und der - wenn auch klischeehaft verkürzten - Konfrontation der Ost-West-Blöcke zehren konnten, verkommen die politischen Verhältnisse wie etwa die Übergabe der britischen Kolonie Hongkong an China in jüngeren Filmen zu bloßem Beiwerk für ein zunehmend tricktechnisch hochgerüstetes Feuerwerk.

Kein Wunder also, dass Tesches Urteil über die letzten Staffeln vernichtend ausfällt: Hier wird viel geschüttelt und nichts rührt sich. Außer einem beidhändig mit der MP feuernden Bond, der alles niedermäht, sei den Machern nämlich kaum etwas Neues eingefallen: "Sie sollten einsehen, dass immer größere Budgets keine Lösung für die mehr und mehr formelhaften Filme sind. (...) Jetzt ist Originalität gefragt - oder eine radikale Änderung."

Titelbild

Siegfried Tesche: Das große James-Bond-Buch.
Henschel Verlag, Berlin 2002.
464 Seiten, 12,90 EUR.
ISBN-10: 3894874406

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